Nach der Übernahme der Münchner Reverse Logistics Group (RLG) Ende 2020 und weiteren Zukäufen im vergangenen Jahr hat Reconomy ein wahres Turbowachstum an den Tag gelegt. Mit Standorten in über 80 Ländern in Europa, Asien und Amerika ist das Unternehmen heute nach eigenen Angaben der global führende Anbieter für die Abwicklung der Rückführung und Wiederverwertung gebrauchter Produkte, Komponenten und Materialien für Kunden aus Industrie und Handel. Lagen die Umsätze von RLG zum Zeitpunkt der Transaktion bei über 170 Mio. EUR und die des damaligen UK-Marktführers Reconomy bei geschätzt 300 Mio. EUR, erwirtschaftet der integrierte Konzern heute mehr als 1 Mrd. EUR an Umsätzen.
Die Fusion der beiden Player im Bereich Retourlogistik und Waste Management hat aus Sicht der Verantwortlichen die entscheidenden Weichen für diese erfolgreiche Marktexpansion gelegt. Diese kam mit maßgeblicher Unterstützung des Corporate-Finance-Beratungsunternehmens Clearwater International zustande.
Reconomy und RLG bildeten strategischen Fit

„Die beiden Unternehmen boten den perfekten strategischen Fit“, sagt Tobias Schätzmüller, Managing Partner bei Clearwater International. Reconomy, seit 2015 ein Portfoliounternehmen des Londoner Finanzinvestors EMK Capital, war zuvor ausschließlich auf den UK-Markt und vorwiegend auf die Bereiche Facility und Construction Management spezialisiert. Die Münchner RLG war weltweit vertreten und deckte auch andere Branchen wie Automotive, Unterhaltungselektronik und die Bekleidungsindustrie ab. Außerdem hatte RLG einen Schwerpunkt in After Market Services (AMS) wie E-Commerce und Online-Retourlogistik. „Durch RLG hat Reconomy einen globalen Footprint erhalten und konnte sein Geschäftsfeld auf After Market Services ausweiten“, erläutert Schätzmüller. So habe sich ein globaler integrierter Player im Bereich der Kreislaufwirtschaft herausgebildet, der aufgrund der Skaleneffekte das gesamte Dienstleistungsspektrum noch effizienter und kostengünstiger anbieten könne.
Clearwater hat den Deal initiiert und begleitet

Die Zusammenarbeit zwischen Clearwater und den beiden Transaktionspartnern hatte bereits eine längere Vorgeschichte. So wurde die RLG Gruppe 2014 und 2016 von Clearwater in Deutschland in der Funktion des Debt Advisors beraten. Clearwater UK beriet Valpak beim Verkauf an Reconomy. „Uns war bekannt, dass sich Monitor Clipper Partners mit Verkaufsabsichten trug, und über das Beratungsmandat von Clearwater UK kannten wir die Bedürfnisse von Reconomy“, erläutert Schätzmüller. Für RLG sei der Exit wichtig gewesen, weil man mit dem Late-Stage Investor Monitor Clipper Partners an Wachstumsgrenzen gestoßen sei. Die Strategie von Reconomy sei zunächst darauf ausgerichtet gewesen, die Nische in England zu dominieren. Nachdem diese ausgefüllt gewesen sei, habe Reconomy internationaler und größer werden wollen, um seinen Wachstumspfad fortzusetzen. Über die Zugänge auf beiden Seiten konnte Clearwater erfolgreich exklusive Gespräche zwischen dem Verkäufer, RLG, Reconomy und deren Investor EMK initiieren. Nach einer umfangreichen Due Diligence und intensiven Verhandlungen wurde die Transaktion im Dezember 2020 erfolgreich abgeschlossen, wobei Clearwater den Erwerber auch bei der Strukturierung der Akquisitionsfinanzierung beriet.
Wachstumspfad soll weiter fortgesetzt werden
„Wir sind in den letzten Jahren sowohl anorganisch als auch organisch gewachsen“, erläutert Patrick Wiedemann, CEO von RLG und Leiter der Environmental Compliance Division der Reconomy Group. „Mit EMK im Hintergrund haben wir eine ganz andere Firepower. In diesem neuen Verbund können wir nun gemeinsam neue Themen und Märkte erschließen und unsere Strategie auf den nächsten Level heben.“ Zwischenzeitlich ging auch die Akquisitionsthematik weiter: So erwarb Reconomy im Frühjahr 2021 nach einem ebenfalls von Clearwater geführten Verkaufsprozess noch Rebound und im Herbst 2021 Advanced Supply Chain.
Ziel ist es, die Reconomy Group zum global führenden Player für nachhaltige Lösungen bei Rückführungen von Produkten und Materialien zu machen. „Nachdem wir dieses Ziel in einzelnen Segmenten heute schon erreicht haben, sind wir dabei, unsere Messlatte noch höher zu legen“, sagt Wiedemann. Der Retourlogistikexperte rechnet weiter mit ungebremstem Wachstum für sein Unternehmen: „Wir sind zuversichtlich, dass wir unser Geschäft in den nächsten fünf Jahren verdoppeln können.“
Man schätzt die eigene Wettbewerbsposition sehr positiv ein. „Wir sind weltweit aufgestellt und besitzen einen echten globalen Footprint. Die meisten unserer Wettbewerber haben nur einen regional limitierten, kontinentalen Footprint“, so Wiedemann. „Wir sind selbst kein physisches Recycling- oder Logistikunternehmen, sondern wir bilden Netzwerke von Dienstleistern und steuern deren Waren-, Finanz- und Informationsströme im Dienst unserer Kunden“, erläutert der Münchner. Auch in der fachlichen Breite reiche deshalb keiner an das Unternehmen heran.
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Kurzprofil Reconomy (UK) Ltd.
Branche: Circular Economy/Waste Management
Unternehmenssitz: Telford, Vereinigtes Königreich
Umsatz 2021: circa 1 Mrd. EUR (geschätzt)
Mitarbeiterzahl: >2.500
„Der ökonomische Aspekt allein ist nicht mehr entscheidend“
Interview mit Patrick Wiedemann, CEO RLG und Leiter Compliance Division, Reconomy Group
Unternehmeredition: Wird Ihr Geschäft durch die wachsenden regulatorischen Anforderungen im Bereich Nachhaltigkeit befeuert?

Patrick Wiedemann: Es gibt in der Wirtschaft zunehmend Diskussionen über ein „Right to Repair“, erhöhte Recyclingquoten und vorgeschriebene Rezyklatanteile. Sowohl vom Verbraucher als auch von den Regulatoren wird immer mehr nachhaltiges Wirtschaften gefordert – und das ist natürlich ein großer Treiber unseres Geschäfts. Der Markt verändert sich erheblich. Der ökonomische Aspekt allein ist nicht mehr entscheidend. Insbesondere in Nordamerika tut sich ein riesiger Markt auf, weil dort eine Vielzahl neuer Regulierungen kommt. In Europa sieht der Single Usage Plastic Act der EU ein 90%iges Sammel- und Verwertungsziel für PET-Flaschen bis 2030 vor. Gerade haben wir einen Auftrag über ein dafür geeignetes Pfandsystem auf Getränkeverpackungen für Schottland erhalten.
Inwieweit müssen Sie sich immer wieder innovieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben?
Wir haben bereits von Beginn an in die Digitalisierung investiert und sind unseren Wettbewerbern weit voraus. Unser Geschäftsmodell lebt von intelligenten Daten und einem intelligenten Netzwerkmanagement. Damit erhalten unsere Kunden die volle Qualitäts- und Prozesskontrolle über das Material, um ihre Reportinganforderungen besser zu erfüllen und effizienter zu werden in Kosten und Rückgewinnungsquoten. Und selbstverständlich müssen wir unsere Funktionalitäten hier immer weiterentwickeln.
Wie haben sich die letzten Krisen auf Ihren Erfolg ausgewirkt?
Corona war für uns eher ein Booster. In unserem gesamten Onlineretourengeschäft sind die Mengen quasi explodiert. Auch das Thema Nachhaltigkeit hat dadurch in Summe wieder mehr Schwung bekommen. Bei Kreisläufen geht es nicht nur um Kreisläufe von Produkten, sondern auch von Komponenten. Wir können also unterschiedliche Komponenten in den Prozess einbringen und werden dadurch unabhängiger von den Lieferketten. Sollte sich die letzte Krise – der Krieg in der Ukraine – gesamtökonomisch auswirken, werden wir das leider auch zu spüren bekommen. Wir sind aber überzeugt, dass diese Effekte geringer sein werden als die globalen Expansionsmöglichkeiten in beispielsweise Nordamerika und Asien.
Der Beitrag ist in der Unternehmeredition 1/2022 erschienen.
Als Redaktionsleitung der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.