Die M&A-Aktivität in Deutschland hat im ersten Halbjahr 2025 gegenüber dem Vorjahr spürbar nachgelassen. Dennoch gibt es erste Zeichen einer Stabilisierung und Neuausrichtung, insbesondere durch ein wieder erstarktes Engagement von Finanzinvestoren. Dr. Florian von Alten, Vorstand bei Oaklins Germany, lieferte im Webinar „Wo steht der M&A-Markt 2025?“ nicht nur eine tiefgehende Analyse der Marktdaten, sondern auch eine pointierte Einordnung aktueller politischer und wirtschaftlicher Einflussfaktoren.
“Wir erleben derzeit eine Gemengelage aus geopolitischen Risiken, wirtschaftlicher Unsicherheit und punktuellen Hoffnungsschimmern, die den deutschen M&A-Markt in einem fragilen Gleichgewicht halten”, leitete Dr. Florian von Alten seine Analyse im Webinar vom 23. Juli 2025 ein. Grundlage seiner Ausführungen war der aktuelle M&A-Marktbericht von Oaklins für das erste Halbjahr 2025. Die zentrale Erkenntnis: Die Zahl der Transaktionen mit deutscher Beteiligung sank um 12,7 %.
Makroökonomische Bremsfaktoren: Geopolitik, Zinsen, Stagnation
Ein wesentlicher Belastungsfaktor für den Markt ist laut von Alten die Kombination aus geopolitischen Krisenherden (Ukraine, Gaza, Iran), einer unberechenbaren US-Zollpolitik und der anhaltenden wirtschaftlichen Stagnation in Deutschland. “Wir haben in Deutschland seit acht Quartalen keine wirklichen Wachstumsimpulse gesehen, zum Teil sogar eine leichte Rezession”, so von Alten.
Hinzu kommt, dass der Standort Deutschland im internationalen Vergleich an Attraktivität eingebüßt hat: “Vor fünf Jahren waren wir auf Rang 8 im weltweiten M&A-Standortranking, mittlerweile ist es Rang 24.”
Marktzahlen und -struktur: Cross-Border bricht ein, Domestic stabil
Die transaktionsbezogenen Zahlen zeigen ein differenziertes Bild. Während die inländischen M&A-Transaktionen mit nur 2,7 % Rückgang relativ stabil blieben, fiel der Rückgang im internationalen Geschäft deutlich drastischer aus. Die sogenannten Inbound-Transaktionen, bei denen ausländische Käufer deutsche Targets übernahmen, gingen um 20,5 % zurück. Ebenso schrumpften die Outbound-Aktivitäten, also deutsche Investitionen im Ausland, um 19,6 %.
“Der internationale Austausch leidet unter Unsicherheit, regulatorischer Komplexität und fehlenden Standortreizen. Das betrifft vor allem den Mittelstand”, erklärte von Alten.
Branchenperspektiven: Business Services überrascht, TMT erstmals rückläufig
Die Entwicklung in den einzelnen Sektoren verlief unterschiedlich. Zwar konnte sich der TMT-Bereich an der Spitze behaupten, allerdings mit einem spürbaren Minus von 20,8 % bei den Transaktionen. Auch im Bereich Industrial Machinery kam es zu einem Rückgang um 11,7 %. Demgegenüber steht das Segment der Business Support Services, das mit einem Plus von 53,3 % deutlich zulegen konnte. Wesentliche Treiber waren hier Buy-and-Build-Strategien im Facility Management sowie im handwerksnahen Umfeld.
“Gerade in Business Services sehen wir viele Buy-and-Build-Strategien, die Finanzinvestoren nutzen, um Synergien zu heben und Wert zu schaffen”, so von Alten.
Rolle der Finanzinvestoren: Comeback unter Zinssignalen
Private Equity kehrt auf die Bühne zurück. Nachdem der Anteil von Finanzinvestoren an Transaktionen im Vorjahr bei 24 % lag, stieg er im ersten Halbjahr 2025 auf 35 %. Das entspricht 89 zusätzlichen Deals.
“Die acht Zinssenkungen der EZB auf nun 2,15 % haben PE-Gesellschaften wieder wettbewerbsfähig gemacht. Viele bereiten nun aktiv Exits vor, während sie gleichzeitig auf der Kaufseite zulegen”, analysierte von Alten.
Im Fokus der PE-Aktivität stehen insbesondere technologiegetriebene Unternehmen im TMT-Bereich, die mit einem Finanzinvestorenanteil von 38 % klar dominieren. Auch im Bereich Business Services ist das Engagement hoch: Hier sind 43 % der Deals von PE-Gesellschaften getragen. Der Healthcare-Sektor zeigt sich ebenfalls als stabiler Anker, während kapitalintensive Branchen wie Industrial Machinery für viele Investoren derzeit weniger attraktiv bleiben.
Top 30 Deals: Großtransaktionen trotzen dem Trend
Trotz des generellen Marktrückgangs zeigt das obere Segment Stabilität: 15 der 30 größten Deals überstiegen ein Volumen von 1 Mrd. EUR. Das Gesamtvolumen der Top-30-Deals stieg sogar um 7,1 % gegenüber Vorjahr.
“Die Aktivierung des Large-Cap-Segments ist ein gegenläufiger Trend zum allgemeinen Marktrückgang”, so von Alten. Unter den Top-Deals: Der Erwerb von Dotmatics durch Siemens und von Apleona durch Bain Capital.
Zukunftsimpulse: Infrastruktur, Defense und Distressed M&A
Für die kommenden Monate erwartet Oaklins mehrere Impulse, die dem deutschen M&A-Markt neue Dynamik verleihen könnten. Dazu gehören insbesondere die Investitionsprogramme der Bundesregierung, darunter das Sondervermögen im Umfang von 500 Mrd. EUR, die insbesondere die Bauwirtschaft, den Tiefbau und die Logistikbranche stimulieren sollen.
Ein weiterer zentraler Treiber könnte das Verteidigungssegment werden. Der NATO-Beschluss, 5 % des Bruttoinlandsprodukts in militärische und sicherheitsrelevante Infrastruktur zu investieren, dürfte laut von Alten „dauerhafte Nachfrage“ erzeugen.
Schließlich erwartet Oaklins eine steigende Zahl sogenannter Distressed M&A-Transaktionen. Angesichts eines erneuten Anstiegs der Unternehmensinsolvenzen um 9,4 % im ersten Halbjahr entstehen hier neue Gelegenheiten für Investoren, insbesondere im Private-Equity-Bereich.
Erwartungen für das Gesamtjahr 2025: Verhaltener Optimismus
Abschließend prognostizierte Dr. Florian von Alten eine leicht unter dem Vorjahr liegende Transaktionszahl für 2025. Dennoch bleibe das Niveau historisch hoch: “2024 war das zweitstärkste Jahr seit 1998. Wenn wir leicht darunter liegen, jammern wir auf hohem Niveau.”
Fazit: Ein Markt zwischen Warten und Wiederbelebung
Die deutsche M&A-Landschaft 2025 ist geprägt von Ambivalenz: Strukturwandel, politische Verunsicherung und wirtschaftliche Belastungen bremsen das Wachstum, während Investitionsprogramme und niedrige Zinsen erste Impulse setzen.
“Es bleibt ein Käufermarkt mit zunehmendem Wunsch nach Earn-outs, Vendor Loans und Rückbeteiligungen”, fasst von Alten zusammen. Die kommenden Monate dürften zeigen, ob die M&A-Welt tatsächlich in den Aufbruch übergeht – oder in der Warteschleife verharrt.