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M&A-Markt weiterhin zweigeteilt

Das M&A-Geschäft in Deutschland zeigt sich wie bereits zum Jahresbeginn von zwei Seiten. Während es bei den Big Deals weiterhin schleppend verläuft, ist bei den kleinen und mittelgroßen Transaktionen (unter 500 Mio. EUR) kein Einbruch zu erkennen. Unverändert ist der negative Einfluss der Kreditkrise auf die Fremdfinanzierung. Die Banken sind weiterhin deutlich vorsichtiger als im vergangenen Jahr und haben ihre Konditionen heraufgesetzt. Dadurch steigt der Eigenkapitalanteil bei der Gesamtfinanzierung der Übernahmen und Beteiligungen. Zugleich sind die Preise – ausgedrückt als Vielfaches des EBITDA – gesunken.

Transaktionsvolumen deutlich gesunken

Der deutsche wie auch der internationale Markt für Übernahmen und Beteiligungen (Mergers & Acquisitions, M&A) zeichnet kein einheitliches Bild. Die Kreditkrise bremst weiterhin das M&A-Geschäft, was sich beim Volumen der getätigten Transaktionen deutlich bemerkbar macht. Andererseits sind kleine und mittlere Deals nur wenig von der Krise betroffen – das zeigt sich an der Zahl der Transaktionen und gilt insbesondere für Deutschland. Weltweit sank das Transaktionsvolumen bei Unternehmens- und Beteiligungskäufen im ersten Halbjahr 2008 auf rund 1,87 Billionen USD, wie aus Zahlen der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG hervorgeht. Dies ist ein Rückgang um 30% gegenüber dem ersten Halbjahr 2007. Lässt man die großen Deals weg und berücksichtigt nur die Transaktionen mit einem Volumen bis 500 Mio. Dollar, fällt der Rückgang nach Angaben des Finanzdatenanbieters Thomson Reuters mit 18% schon milder aus. Bei der Zahl der Transaktionen gab es laut KPMG weltweit nur einen Rückgang um 3% – auf rund 19.000.

Zahl der Deals in Deutschland höher

In Deutschland ist die zweigeteilte Entwicklung des M&A-Marktes noch drastischer. Während beim Volumen im ersten Halbjahr 2008 ein Rückgang um 62% auf 49 Mrd. Euro zu verzeichnen war, stieg die Zahl der veröffentlichten Übernahmen und Beteiligungen sogar um 7% auf 562, zeigt eine Statistik des Beratungsunternehmens M&A International GmbH, Kronberg im Taunus. Die großen Deals, die den Löwenanteil im Volumenvergleich ausmachen, bleiben also nach wie vor Mangelware. Nach einer Liste von M&A International summieren sich die Top 10-Deals mit deutscher Beteiligung in der ersten Jahreshälfte auf gerade einmal 12,2 Mrd. Euro – in besseren Zeiten das Volumen einer Einzeltransaktion. Allerdings ist der Vergleichszeitraum – das erste Halbjahr 2007 – auch eine Periode der Übertreibung gewesen. Jedenfalls sehen das heute fast alle Experten so. “Nach der Euphorie mit teilweise viel zu hohen Preisen und der anschließenden Lähmung durch die Kreditkrise sehen wir nun einer Normalisierung entgegen”, sagt Christian Grandin von der M&A-Beratungsgesellschaft InterFinanz. Die Banken prüfen vor einer Finanzierung die Transaktion genauer und achten auf niedrigere Fremdkapitalquoten an der Gesamtfinanzierung. “Die Private Equity-Fonds müssen daher mehr Eigenkapital investieren, um Deals finanzieren zu können”, erklärt Grandin. Lag das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital bei der Finanzierung von Buyouts im ersten Halbjahr 2007 im Durchschnitt noch bei etwa 30% zu 70%, so sind es heute eher 40 zu 60 oder 50 zu 50.

Banken prüfen sehr genau

“Die Banken schauen sich die Due-Diligence-Ergebnisse nun viel genauer an, die Tragfähigkeit der Transaktion wird detaillierter geprüft”, erklärt Sascha Pfeiffer, Geschäftsführer der deutschen Tochter der auf mittelgroße Deals fokussierten britischen Investmentbank Close Brothers. Das gilt auch für die Einhaltung wichtiger Unternehmenskennzahlen bzw. Bilanzrelationen. “Diese Covenants werden nun viel strenger gehandhabt als vor der Kreditkrise.” Dass die Banken deutlich risikobewusster – bzw. risikoscheuer – geworden sind, spiegelt sich auch in den Kreditkonditionen wider. Pfeiffer: “Senior Debt, also vorrangig besicherte Kredite, hat sich um etwa 25 bis 75 Basispunkte, Mezzanine sogar um 150 bis 250 Basispunkte verteuert.” Bei Mezzanine spielt dabei auch eine Rolle, dass Programm-Mezzanine fast ausgetrocknet ist und die Nachfrage durch das teurere Individual-Mezzanine bedient werden muss. Die Kreditkrise und ihre Folgen für die Finanzierungsbedingungen sind – ebenso wie die gesunkenen Aktienkurse an der Börse – auch auf die Preise durchgeschlagen. Dies gilt nicht nur für die größeren Deals, sondern auch für den Mittelstand. Während hier bis zum Sommer 2007 im Durchschnitt noch das 7- bis 7,5-Fache des EBITDA des Unternehmens als Kaufpreis bezahlt wurde, ist es heute nur noch etwa das 6-Fache, wie Marktteilnehmer beobachten. Pfeiffer und andere Experten sehen darin aber keine Marktschwäche, sondern eher eine Normalisierung.

Private-Equity-Fonds mit viel Geld

Nach wie vor sind bei großen Deals überdurchschnittlich oft Finanzinvestoren dabei. Das zeigt ihre anhaltend große Bedeutung im M&A-Geschäft aufgrund ihrer hohen Finanzkraft. In den letzten zwei Jahren sind etliche neue Private Equity-Fonds dazugekommen und sitzen auf Kapital, das angelegt werden will. Sie sind in der Lage, Transaktionen zunächst komplett mit Eigenkapital vorzufinanzieren und erst danach die Fremdfinanzierung, die Syndizierung zusammenzustellen. “Diese Schnelligkeit in Verbindung mit der relativen Sicherheit, dass die Transaktion nicht noch an Finanzierungsdetails scheitern könnte, verschafft ihnen einen Vorteil beim Verkäufer, der den Deal schnell und sicher über die Bühne bringen will”, erläutert Joachim Dübner, Management Partner bei Network Corporate Finance (NCF).

LEG NRW und Evonik größte Deals

An Nummer eins der Deals im ersten Halbjahr mit deutscher Beteiligung stand die Übernahme der LEG Landesentwicklungsgesellschaft NRW GmbH durch Whitehall, den Immobilienfonds der Investmentbank Goldman Sachs. Dieser erwarb die Immobiliengesellschaft für rund 3,5 Mrd. Euro (einschließlich Schuldenübernahme). Beim zweitgrößten Deal, der ebenfalls im Juni abgeschlossen wurde, kaufte die britische PE-Gesellschaft CVC Capital Partners für 2,4 Mrd. Euro eine 25,1%-Beteiligung an der Evonik Industries AG (früher: Ruhrkohle AG). Auch strategische Käufer sind finanziell gut gerüstet. Bereits im April hatte in einem 1,6-Mrd.-Deal das PE-Haus Permira seine Debitel-Beteiligung an das Unternehmen Freenet veräußert. Erst vor wenigen Wochen wurde das Software-Unternehmen Epcos durch die japanische TDK für 1,4 Mrd. Euro übernommen. Laut M&A International wurden bei 48% der gemeldeten Transaktionen in der ersten Jahreshälfte deutsche Firmen oder Beteiligungen durch deutsche Käufer erworben. Bei 24% der Deals kamen ausländische Käufer zum Zug, wobei die USA und Großbritannien erneut vorne lagen vor den Niederlanden und der Schweiz. Eine Zunahme auf niedrigem Niveau zeigt das Interesse aus arabischen Ländern und Asien mit einem Anstieg von 19 auf 30 Transaktionen. Bei 28% der Deals erwarben deutsche Käufer ein ausländisches Unternehmen. Betrachtet man die 562 Transaktionen unter Branchenaspekten, so lag unverändert die Informationstechnologie (IT) mit 69 Deals vorne, gefolgt von Automotive (61), Elektrotechnik (42) und Dienstleistungen (41).

Attraktive Mittelständler

An der Attraktivität deutscher Mittelständler hat auch die Kreditkrise nichts geändert. Als symbolisch für das Interesse auch aus dem Ausland mag der Besuch Warren Buffetts vor wenigen Monaten in Deutschland gesehen werden. Es ist kein Geheimnis, dass die Mittelständler am deutschen Exportboom großen Anteil haben. Nicht nur ihre Ertragskraft ist deutlich gestiegen. Auch ihre Bilanzstruktur hat sich im Vergleich zu den Jahren 2003/04 erheblich verbessert. Sie haben Schulden abgebaut und mehr Eigenkapital gebildet. “Die Unternehmen haben sehr viel dafür getan, sich aus der Abhängigkeit der Bankenfinanzierung zu lösen”, sagt NCF-Partner Dübner. “Die niedrige Verschuldung und diese Unabhängigkeit werden sehr geschätzt.” Einziger Wermutstropfen: Die verschlechterten Konjunkturaussichten mit der Sorge, der Exportboom könnte sich dem Ende zuneigen, wenn auch kein regelrechter Einbruch erwartet wird. “Seit etwa drei Monaten schlägt dies bei den Investoren durch, konjunkturzyklische Unternehmen werden jetzt gemieden”, beobachtet Pfeiffer. Gefragt seien eher konjunkturresistente Branchen wie z. B. Gesundheitswesen (Healthcare) und Software. Alles in allem erwarten Experten aber weiterhin ein recht lebhaftes M&A-Geschäft im deutschen Mittelstand. Dafür ist auf der Nachfrageseite zu viel Anlagekapital vorhanden, auf der Angebotsseite stehen viele ertragsstarke Unternehmen und etliche ungeklärte Nachfolgeprobleme. “Die Qualität der Transaktionen hat sich verbessert, denn die Fundamentaldaten der Unternehmen sind gut”, bestätigt Grandin. Zudem brauchen viele für ihre weitere Internationalisierung einen Partner. Auch Dübner erwartet ein “konstant nachhaltiges Geschäft”.

Tiefpunkt scheint überwunden

Nach vorläufigen Zahlen von Thomson Reuters hat sogar das Dealvolumen in Europa in den ersten sechs Wochen des 3. Quartals – 206 Mrd. USD nach 200 Mrd. im gesamten 2. Quartal – angezogen. Das lässt vermuten, dass der M&A-Markt den Tiefpunkt hinter sich hat. In Deutschland sorgt die Übernahmeofferte des fränkischen Familienunternehmens Schaeffler für den Autozulieferer Continental für Furore. Dass das Geschäft bei den großen Deals auch nachhaltig wieder auf Touren kommt, gilt aber eher als unwahrscheinlich. Die Banken werden ihre Risikoscheu nicht ablegen. Zwar schloss der M&A-Index ZEW Zephyr, der Anzahl und Volumen weltweit abgeschlossener Deals berücksichtigt, im Juni mit 117 und damit höher als im Mai (110). Das Mainiveau bedeutete allerdings ein Vierjahrestief, und von einer Erholung könne noch keine Rede sein, berichten das Bureau van Dijk Electronic Publishing (BvDEP) und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), die den Index berechnen. Auch können noch “Altlasten” auf die Marktstimmung bei großen Deals drücken. Wenn sich die Konjunktur und damit die Erträge der Unternehmen schlechter als erwartet entwickeln, geraten bei hoch fremdfinanzierten Deals (LBOs) aus den Boomjahren 2006/07 zunehmend die vereinbarten Kennzahlen in Gefahr. Werden diese Covenants nicht eingehalten, können Banken die Kreditlinien kürzen bzw. auflösen oder z. B. an Hedgefonds verkaufen.

Fazit
An der zweigeteilten M&A-Marktentwicklung dürfte sich so schnell nichts ändern. Private Equity-Fonds mit ihren gut gefüllten Kassen schauen sich mangels schwer zu finanzierender Megadeals zunehmend im mittleren Segment (unter 500 Mio. Euro) nach Zielunternehmen um. Auch strategische Käufer sind finanziell gut für Übernahmen gerüstet. Belastend wirken die Unsicherheiten über den weiteren Fortgang der Kreditkrise und die Konjunktur.

 

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