M&A-Markt weiterhin zweigeteilt

Banken prüfen sehr genau

“Die Banken schauen sich die Due-Diligence-Ergebnisse nun viel genauer an, die Tragfähigkeit der Transaktion wird detaillierter geprüft”, erklärt Sascha Pfeiffer, Geschäftsführer der deutschen Tochter der auf mittelgroße Deals fokussierten britischen Investmentbank Close Brothers. Das gilt auch für die Einhaltung wichtiger Unternehmenskennzahlen bzw. Bilanzrelationen. “Diese Covenants werden nun viel strenger gehandhabt als vor der Kreditkrise.” Dass die Banken deutlich risikobewusster – bzw. risikoscheuer – geworden sind, spiegelt sich auch in den Kreditkonditionen wider. Pfeiffer: “Senior Debt, also vorrangig besicherte Kredite, hat sich um etwa 25 bis 75 Basispunkte, Mezzanine sogar um 150 bis 250 Basispunkte verteuert.” Bei Mezzanine spielt dabei auch eine Rolle, dass Programm-Mezzanine fast ausgetrocknet ist und die Nachfrage durch das teurere Individual-Mezzanine bedient werden muss. Die Kreditkrise und ihre Folgen für die Finanzierungsbedingungen sind – ebenso wie die gesunkenen Aktienkurse an der Börse – auch auf die Preise durchgeschlagen. Dies gilt nicht nur für die größeren Deals, sondern auch für den Mittelstand. Während hier bis zum Sommer 2007 im Durchschnitt noch das 7- bis 7,5-Fache des EBITDA des Unternehmens als Kaufpreis bezahlt wurde, ist es heute nur noch etwa das 6-Fache, wie Marktteilnehmer beobachten. Pfeiffer und andere Experten sehen darin aber keine Marktschwäche, sondern eher eine Normalisierung.

Private-Equity-Fonds mit viel Geld

Nach wie vor sind bei großen Deals überdurchschnittlich oft Finanzinvestoren dabei. Das zeigt ihre anhaltend große Bedeutung im M&A-Geschäft aufgrund ihrer hohen Finanzkraft. In den letzten zwei Jahren sind etliche neue Private Equity-Fonds dazugekommen und sitzen auf Kapital, das angelegt werden will. Sie sind in der Lage, Transaktionen zunächst komplett mit Eigenkapital vorzufinanzieren und erst danach die Fremdfinanzierung, die Syndizierung zusammenzustellen. “Diese Schnelligkeit in Verbindung mit der relativen Sicherheit, dass die Transaktion nicht noch an Finanzierungsdetails scheitern könnte, verschafft ihnen einen Vorteil beim Verkäufer, der den Deal schnell und sicher über die Bühne bringen will”, erläutert Joachim Dübner, Management Partner bei Network Corporate Finance (NCF).

LEG NRW und Evonik größte Deals

An Nummer eins der Deals im ersten Halbjahr mit deutscher Beteiligung stand die Übernahme der LEG Landesentwicklungsgesellschaft NRW GmbH durch Whitehall, den Immobilienfonds der Investmentbank Goldman Sachs. Dieser erwarb die Immobiliengesellschaft für rund 3,5 Mrd. Euro (einschließlich Schuldenübernahme). Beim zweitgrößten Deal, der ebenfalls im Juni abgeschlossen wurde, kaufte die britische PE-Gesellschaft CVC Capital Partners für 2,4 Mrd. Euro eine 25,1%-Beteiligung an der Evonik Industries AG (früher: Ruhrkohle AG). Auch strategische Käufer sind finanziell gut gerüstet. Bereits im April hatte in einem 1,6-Mrd.-Deal das PE-Haus Permira seine Debitel-Beteiligung an das Unternehmen Freenet veräußert. Erst vor wenigen Wochen wurde das Software-Unternehmen Epcos durch die japanische TDK für 1,4 Mrd. Euro übernommen. Laut M&A International wurden bei 48% der gemeldeten Transaktionen in der ersten Jahreshälfte deutsche Firmen oder Beteiligungen durch deutsche Käufer erworben. Bei 24% der Deals kamen ausländische Käufer zum Zug, wobei die USA und Großbritannien erneut vorne lagen vor den Niederlanden und der Schweiz. Eine Zunahme auf niedrigem Niveau zeigt das Interesse aus arabischen Ländern und Asien mit einem Anstieg von 19 auf 30 Transaktionen. Bei 28% der Deals erwarben deutsche Käufer ein ausländisches Unternehmen. Betrachtet man die 562 Transaktionen unter Branchenaspekten, so lag unverändert die Informationstechnologie (IT) mit 69 Deals vorne, gefolgt von Automotive (61), Elektrotechnik (42) und Dienstleistungen (41).

Attraktive Mittelständler

An der Attraktivität deutscher Mittelständler hat auch die Kreditkrise nichts geändert. Als symbolisch für das Interesse auch aus dem Ausland mag der Besuch Warren Buffetts vor wenigen Monaten in Deutschland gesehen werden. Es ist kein Geheimnis, dass die Mittelständler am deutschen Exportboom großen Anteil haben. Nicht nur ihre Ertragskraft ist deutlich gestiegen. Auch ihre Bilanzstruktur hat sich im Vergleich zu den Jahren 2003/04 erheblich verbessert. Sie haben Schulden abgebaut und mehr Eigenkapital gebildet. “Die Unternehmen haben sehr viel dafür getan, sich aus der Abhängigkeit der Bankenfinanzierung zu lösen”, sagt NCF-Partner Dübner. “Die niedrige Verschuldung und diese Unabhängigkeit werden sehr geschätzt.” Einziger Wermutstropfen: Die verschlechterten Konjunkturaussichten mit der Sorge, der Exportboom könnte sich dem Ende zuneigen, wenn auch kein regelrechter Einbruch erwartet wird. “Seit etwa drei Monaten schlägt dies bei den Investoren durch, konjunkturzyklische Unternehmen werden jetzt gemieden”, beobachtet Pfeiffer. Gefragt seien eher konjunkturresistente Branchen wie z. B. Gesundheitswesen (Healthcare) und Software. Alles in allem erwarten Experten aber weiterhin ein recht lebhaftes M&A-Geschäft im deutschen Mittelstand. Dafür ist auf der Nachfrageseite zu viel Anlagekapital vorhanden, auf der Angebotsseite stehen viele ertragsstarke Unternehmen und etliche ungeklärte Nachfolgeprobleme. “Die Qualität der Transaktionen hat sich verbessert, denn die Fundamentaldaten der Unternehmen sind gut”, bestätigt Grandin. Zudem brauchen viele für ihre weitere Internationalisierung einen Partner. Auch Dübner erwartet ein “konstant nachhaltiges Geschäft”.

Tiefpunkt scheint überwunden

Nach vorläufigen Zahlen von Thomson Reuters hat sogar das Dealvolumen in Europa in den ersten sechs Wochen des 3. Quartals – 206 Mrd. USD nach 200 Mrd. im gesamten 2. Quartal – angezogen. Das lässt vermuten, dass der M&A-Markt den Tiefpunkt hinter sich hat. In Deutschland sorgt die Übernahmeofferte des fränkischen Familienunternehmens Schaeffler für den Autozulieferer Continental für Furore. Dass das Geschäft bei den großen Deals auch nachhaltig wieder auf Touren kommt, gilt aber eher als unwahrscheinlich. Die Banken werden ihre Risikoscheu nicht ablegen. Zwar schloss der M&A-Index ZEW Zephyr, der Anzahl und Volumen weltweit abgeschlossener Deals berücksichtigt, im Juni mit 117 und damit höher als im Mai (110). Das Mainiveau bedeutete allerdings ein Vierjahrestief, und von einer Erholung könne noch keine Rede sein, berichten das Bureau van Dijk Electronic Publishing (BvDEP) und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), die den Index berechnen. Auch können noch “Altlasten” auf die Marktstimmung bei großen Deals drücken. Wenn sich die Konjunktur und damit die Erträge der Unternehmen schlechter als erwartet entwickeln, geraten bei hoch fremdfinanzierten Deals (LBOs) aus den Boomjahren 2006/07 zunehmend die vereinbarten Kennzahlen in Gefahr. Werden diese Covenants nicht eingehalten, können Banken die Kreditlinien kürzen bzw. auflösen oder z. B. an Hedgefonds verkaufen.

Fazit
An der zweigeteilten M&A-Marktentwicklung dürfte sich so schnell nichts ändern. Private Equity-Fonds mit ihren gut gefüllten Kassen schauen sich mangels schwer zu finanzierender Megadeals zunehmend im mittleren Segment (unter 500 Mio. Euro) nach Zielunternehmen um. Auch strategische Käufer sind finanziell gut für Übernahmen gerüstet. Belastend wirken die Unsicherheiten über den weiteren Fortgang der Kreditkrise und die Konjunktur.

 

Autorenprofil
1
2
Vorheriger ArtikelFrisches Kapital
Nächster ArtikelLeveraged Buy-out (Ausgabe 3/2008)