M&A in zyklischen Branchen

Strategien zwischen Boom und Krise

Zyklische Branchen wie Maschinenbau, Automobilzulieferer oder die Rohstoff- und Stahlindustrie reagieren empfindlich auf Konjunkturzyklen.
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Zyklische Branchen wie Maschinenbau, Bauwirtschaft, Automobilzulieferer oder die Rohstoff- und Stahlindustrie reagieren empfindlich auf Konjunkturzyklen. Ihre Leistung schwankt im Gleichklang mit wirtschaftlichen Hoch- und Tiefphasen – mit spürbaren Folgen für Unternehmensbewertungen und Transaktionen. Wer hier Unternehmenskäufe oder -verkäufe plant, steht vor besonderen Herausforderungen: Strategien müssen flexibler sein, Bewertungen realistischer, und antizyklisches Denken kann zum entscheidenden Vorteil werden.

Während M&A in stabilen Sektoren oft einem strategischen Wachstumsplan folgen, sind Transaktionen in zyklischen Industrien stark vom wirtschaftlichen Kontext geprägt. Boomphasen führen zu höheren Unternehmensbewertungen, Verkaufsbereitschaft steigt, Finanzierer zeigen sich offen. In Abschwungphasen hingegen sinkt nicht nur die Bewertung, sondern auch die Transaktionsbereitschaft vieler Marktteilnehmer.

Zugleich ergeben sich gerade in solchen Phasen interessante Einstiegsmöglichkeiten. Investoren mit Weitblick nutzen Schwächeperioden, um günstig einzusteigen und Positionen für den nächsten Aufschwung aufzubauen. Strategische Käufer hingegen setzen verstärkt auf Konsolidierung: In schwierigen Zeiten lassen sich Wettbewerber mit Effizienzproblemen integrieren und Synergien heben. Das Wissen um die Dynamiken des jeweiligen Konjunkturzyklus ist dabei entscheidend, denn nicht jeder Abschwung ist gleich – manche Branchen erholen sich schnell, andere brauchen Jahre.

Die Bewertungsherausforderung verstehen

Ein zentrales Thema bei M&A in zyklischen Branchen ist die Unternehmensbewertung. Die übliche Praxis, Unternehmenswerte aus dem EBIT oder EBITDA eines Vorjahres abzuleiten, greift hier oft zu kurz. Entscheidend ist vielmehr die Frage: Welcher Ertrag ist über den Zyklus hinweg nachhaltig erzielbar?

Bewährt hat sich der Blick auf gleitende Durchschnittsergebnisse mehrerer Jahre, kombiniert mit Szenarioanalysen. Käufer müssen verstehen, ob sie gerade ein Unternehmen am Höhepunkt seines Zyklus erwerben oder ob es sich am Tiefpunkt befindet. Der Verzicht auf diese Analyse kann zu massiven Fehlbewertungen führen.

Zusätzlich lohnt sich ein Blick auf branchenspezifische Indikatoren: Auftragseingänge, Rohstoffpreise, Lagerbestände oder Investitionszyklen beeinflussen die Prognosegüte erheblich. Diese Daten helfen dabei, operative Kennzahlen im historischen Kontext zu interpretieren und die Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle zu beurteilen.

Erfahrene M&A-Berater achten zudem auf einen Aspekt, der leicht unterschätzt wird: das Vertrauen in Forecasts. Unternehmen, die ihr Controlling sauber aufgebaut haben, sind selbst in der Krise besser positioniert, da sie ihre Performance transparent darlegen und realistische Zukunftsszenarien kommunizieren können.

Käuferstrategien in der Krise

Antizyklisches Kaufen gilt als eine der anspruchsvollsten, aber auch erfolgreichsten Investmentstrategien. Gerade Private-Equity-Investoren mit einem Fokus auf operative Verbesserung suchen gezielt nach Targets in zyklischen Sektoren, die temporär unter Druck stehen, langfristig aber robust aufgestellt sind.

Für strategische Käufer bieten sich ebenfalls Gelegenheiten: Ein Erwerb in der Krise kann ein starker Hebel zur Marktbereinigung sein, insbesondere wenn Know-how, Produktionskapazitäten oder Kundenportfolios durch den Zukauf gestärkt werden. Solche Zukäufe erfordern allerdings eine besonders sorgfältige Vorbereitung und Integrationsplanung: Denn die Risiken sind in zyklischen Märkten höher, die Spielräume für Fehler kleiner. Ein klarer Businessplan, belastbare Finanzierung und realistische Integrationserwartungen sind zwingend erforderlich.

Die Voraussetzung: solide Finanzierung, Branchenkenntnis und ein diszipliniertes Integrationskonzept. Unternehmen, die diese Faktoren überzeugend darzulegen vermögen, profitieren von einer erhöhten Transaktionsgeschwindigkeit – selbst in herausfordernden Marktphasen.

Verkäuferperspektive: Timing und Narrativ

Für Unternehmensinhaber stellt sich häufig die Frage: Wann ist der richtige Zeitpunkt für einen Verkauf? In zyklischen Branchen ist die Versuchung groß, nur im Aufschwung über einen Exit nachzudenken. Doch nicht selten wird dann versäumt, rechtzeitig mit der Vorbereitung zu beginnen. So wird aus einem geplanten strategischen Verkauf schnell ein „getriebener“ Verkauf in der Schwächephase. Der Handlungsspielraum schrumpft, und Preisverhandlungen finden auf einem deutlich niedrigeren Ausgangsniveau statt.

Der Schlüssel liegt in der proaktiven Gestaltung: Ein Unternehmen, das auch in der Krise durch Professionalität, klare Kommunikation und ein glaubwürdiges Zukunftsnarrativ überzeugt, kann trotz konjunktureller Schwäche hohe Preise erzielen. Diese Glaubwürdigkeit entsteht nicht über Nacht, sondern ist Ergebnis kontinuierlicher Steuerung, Investitionen in Transparenz und der Fähigkeit, die eigene Positionierung überzeugend darzustellen.

Zudem bieten sich in der Schwächephase andere Vorteile: Die Auswahl an strategischen Käufern, die Expansion durch Zukauf betreiben wollen, ist dann besonders aktiv. Wer vorbereitet ist, kann diesen Käufern begegnen – nicht als Bittsteller, sondern als attraktiver Partner mit belastbarem Profil.

Finanzierung und Due Diligence unter Vorbehalt

Eine besondere Herausforderung bei M&A in zyklischen Industrien ist die Finanzierung. In Boomzeiten stehen Banken bereitwillig zur Seite – in der Krise hingegen ist Risikoreduktion das Primärziel. Dies führt zu höheren Eigenkapitalanforderungen und einer detaillierteren Due Diligence.

Käufer müssen sich auf kritische Fragen einstellen: Wie resilient ist das Geschäftsmodell? Wie schnell kann das Unternehmen auf Nachfrageeinbrüche reagieren? Welche Kostenstrukturen sind variabel? Und wie hoch ist die Abhängigkeit von wenigen Schlüsselkunden oder Lieferanten? Diese Fragen entscheiden häufig über die Machbarkeit einer Transaktion – und über die Höhe des gebotenen Kaufpreises.

Gleichzeitig werden ESG-Aspekte auch in zyklischen Branchen relevanter: Unternehmen mit nachhaltigen Lieferketten, energieeffizienter Produktion oder langfristiger Fachkräftesicherung können Risiken besser kompensieren und überzeugen auch in der Due Diligence. Dies gilt nicht nur für regulierte Fonds oder internationale Investoren, sondern zunehmend auch für mittelständische Investoren mit wachsendem Verantwortungsbewusstsein.

Mehr als Standardprozesse

M&A in zyklischen Branchen erfordert mehr als Standardprozesse. Unternehmer sollten:

  • frühzeitig Exitszenarien durchdenken und ihr Unternehmen laufend prozessfähig halten,
  • operative Stärken dokumentieren und in Krisenzeiten gezielt kommunizieren und
  • sich unabhängig von kurzfristigen Boomphasen eine langfristige Strategie überlegen.

Berater wiederum sollten:

  • Bewertungsmodelle konsequent um zyklische Anpassungen erweitern,
  • Finanzierungspartner mit Branchenverständnis einbeziehen und
  • Due-Diligence-Schwerpunkte auf Krisenresistenz, Kundenstruktur und Kostendynamik legen.

Darüber hinaus sind strukturelle Gespräche mit potenziellen Käufern über eine geeignete Transaktionsarchitektur hilfreich: Earn-outs, Vendor Loans oder gestaffelte Kaufpreise können Unsicherheiten abfedern und das gegenseitige Vertrauen stärken.

FAZIT

M&A in zyklischen Branchen ist kein Massengeschäft, sondern eine Frage der Haltung. Wer bereit ist, Risiken zu verstehen, antizyklisch zu agieren und professionell zu bewerten, kann gerade in schwierigen Phasen überdurchschnittlich erfolgreiche Transaktionen umsetzen. Dabei sind fundiertes Branchenwissen, methodische Exzellenz und narrative Klarheit entscheidend. Denn am Ende geht es nicht nur um Zahlen, sondern um Vertrauen – und das entsteht auch bei M&A durch Glaubwürdigkeit, Erfahrung und Weitblick. Diejenigen, die heute in der Krise investieren, können morgen an der Spitze stehen. Wer hingegen im Boom kauft, muss umso mehr aufpassen, nicht in die Falle der Überbewertung zu geraten. Gerade deshalb gilt in zyklischen Branchen mehr als andernorts: Vorbereitung ist alles.

👉 Dieser Beitrag ist auch in der Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2025 erschienen.

Autorenprofil
Patrick Seip

Patrick Seip ist Geschäftsführer und Partner von Syntra Corporate Finance. Er verfügt über fast 15 Jahre Erfahrung in der Begleitung von Unternehmensnachfolgen sowie -verkäufen und unterstützt Unternehmerfamilien, die zunehmend komplexe M&A-Welt zu durchsteuern.

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