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Kommen Änderungen bei Erb­schaft- und Vermögensteuer?

Besteht eine verbindliche Absage an Erbschaftsteuererhöhungen oder Wieder­einführung der Vermögensteuer? Der Blick in die Parteiprogramme.

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Was ist von der neuen Regierung in Bezug auf Vermögensnachfolge und Erbschaft zu erwarten? Besteht eine verbindliche Absage an Erbschaftsteuererhöhungen oder Wieder­einführung der Vermögensteuer? Der Blick in die Parteiprogramme.

Als Rahmen der laufenden Koalitionsverhandlungen haben die Par­teien am 15. Oktober 2021 ein zehn Punkte umfassendes Ergebnispapier veröffentlicht. Unter dem Punkt neun, „Zukunftsinvestitionen und nachhaltige Staatsfinan­zen“, findet sich zur Steuerpolitik folgende Kernaussage: „Wir werden keine neuen Substanzsteuern einführen und Steuern wie zum Beispiel die Einkommen-, Unternehmens-­ oder Mehrwertsteuer nicht erhöhen.“

Eine konkrete Aussage zu einer möglichen Reform der Erbschaftsteuer ist dagegen nicht in diesem Positions­papier enthalten. Hinzu kommen divergierende Aussagen verschiedener Politiker, zum Beispiel Norbert Walter-­Borjans (SPD-Co-Parteivorsitzender), der eine Veränderung bei der Erbschaftsteuer nicht ausgeschlossen hat; sowie Christian Lindner (FDP-Vorsitzender), der der Erhöhung der Erbschaftsteuer eine klare Absage erteilte.

Es bleibt also unsicher, ob nicht doch Erhöhungen der Erbschaftsteuer drohen könnten – insbesondere vor dem Hintergrund, dass in den Parteiprogrammen der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen eine umfassende Erbschaftsteuer­reform pos­tu­liert wurde. Gemäß dem Partei­programm der SPD soll zum Beispiel eine „Über­privilegierung von Betriebsver­mögen abgeschafft werden“ sowie eine „Mindestbesteuerung für Familienstiftungen“ eingeführt werden. Das Partei­programm von Bündnis 90/Die Grünen sieht vor, dass eine „Vermögensungleichheit bevor­zugt durch eine Vermögensteuer­ abgebaut“ werden soll oder alternativ durch Erhöhung der Erbschaftsteuer.

Im Parteiprogramm der FDP findet sich dagegen die Aussage, dass keine Verschärfungen in der Erbschaftsteuer geplant sind. Es dringen aber auch bei der FDP – zuletzt durch Gerhart Baum – Stimmen an die Öffentlichkeit, wonach es unter Bezugnahme auf das „Freiburger Programm“ von 1971 weiterhin „dringend nötig sei, die ungerechte Vermögensverteilung durch eine Reform der Erbschaftsteuer zu korrigieren“.

Mögliche geplante Maßnahmen zur Erbschaftsteuer

Eine umfassende Reform der Erbschaftsteuer ist von der neuen Bundesregierung möglicherweise nicht zu erwarten.

Es bestehen doch erhebliche parteipolitische Unterschiede zwischen den Koalitionspartnern, sodass Raum für ­eine umfassende Reform mit beispielsweise einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage bei gleichzeitiger Senkung der Steuersätze und Anhebung der Freibeträge eher nicht zu erwarten ist. Nicht vollständig auszuschließen sind dagegen Erhöhungen von Steuersätzen.

Da das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer den Ländern zusteht, fehlt es der potenziellen neuen Bundesregierung derzeit an einer für eine Reform der Erbschaftsteuer erforderlichen Mehrheit im Bundesrat.

Auch wenn zwischenzeitlich seit 15 Jahren ein verfassungswidriges Erbschaftsteuerrecht bestand, ist auf den ersten Blick nicht absehbar, dass ein Reformanstoß – wie in der Vergangenheit geschehen – erneut durch das Bundesverfassungsgericht erfolgt.

Es bestehen allerdings auch sehr ­beachtliche Tendenzen in der finanz­gerichtlichen Rechtsprechung, wonach einzelne Regelungen des aktuellen ­Erbschaftsteuerrechts infrage gestellt werden. Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs aus 2017 wurde die Ansicht der Finanzverwaltung infrage gestellt, wonach ab einem Bestand von 300 Wohnungen pauschal Betriebsvermögen vorliegen würde. Eine grundrechtskonforme Auslegung, wonach zum Beispiel ein Erbe mit einem Mietshaus mit zehn Wohnungen dagegen Erbschaftsteuer entrichten müsste, sei nicht möglich. Interessanterweise ­wurde dieses Urteil unter Bundesfinanz­minister Olaf Scholz mit einem sogenannten Nichtanwendungserlass belegt,­ der die Finanzämter anweist, die Rechtsprechung als Einzelfall nicht anzuwenden.

Dies bedeutet aber nicht im Umkehrschluss, dass weiterhin einzelne Privilegierungen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, die nach geltendem Recht für bestimmte Bereichsausnahmen wie gerade Wohnungsunternehmen in Anspruch genommen werden können, in der Zukunft nicht abgeschafft werden könnten. Zudem scheint – nicht zuletzt auch durch die explizite Benennung im Parteiprogramm der SPD – die (ausländische) Familienstiftung möglicherweise­ in den Fokus einer stärkeren Besteuerung zu geraten.

Mögliche Maßnahmen zur Vermögen­steuer beziehungsweise -abgabe

Die Aussage im Ergebnispapier zu den Sondierungsgesprächen, wonach keine „neue Substanzsteuer“ eingeführt werden soll, führte auch zu der Interpretation, dass eine Wiedereinführung der Vermögensteuer möglich sei, weil es sich um keine neue Substanzsteuer handele, sondern „nur“ um eine aufgrund Urteil des Bundesverfassungs­gerichts seit 1997 ausgesetzte verfassungswidrige Steuer.

Damals hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass eine Vermögensteuer nur dann zulässig sei, wenn alle Arten von Vermögen prinzi­piell gleich besteuert werden. Wesent­licher Kritikpunkt war damals die Immo­bilienbewertung. Da die Bewertungsmethodik bei der Grundsteuer kürzlich geändert wurde, könnte dieses Argument allerdings an Durchschlagskraft verlieren – auch wenn sich die geänderte­ Bewertungsmethodik nur auf inländischen Grundbesitz beschränkt.

Weiterhin ungeklärt ist zudem die uneinheitliche Bewertung von Betriebsvermögen und weiterer Vermögens­gegenstände wie Kunstsammlungen, Antiquitäten et cetera.

Gegen die Einführung der Vermögensteuer sprechen jedoch auch pragmatische Gründe, da der mit ihrer Erhebung verbundene Aufwand für die Finanzverwaltung im Verhältnis zum tatsäch­lichen Steueraufkommen deutlich zu hoch ist. Der reine Erhebungsaufwand für eine Vermögensteuer lag in den 1990er-Jahren bereits bei etwa einem Drittel der mit dieser Steuer erzielten Einnahmen – wohlgemerkt ohne gesonderte Bewertungen für Immobilien.

In den weiterhin unverändert anhaltenden Krisenzeiten würde eine Vermögensteuer von beispielsweise 1% bei ­renditeschwachen Unternehmen den ­erwirtschafteten Gewinn teilweise oder vollständig absorbieren. Da die Vermögensteuer auch im Falle von Verlusten erhoben werden soll, würde sie spätestens dann zu einer Substanzsteuer mit erheblichen Auswirkungen auf die Zukunfts­fähigkeit von Unternehmen werden.

Die Vermögensabgabe wird im Grundgesetz (GG) in Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 ausdrücklich als Steuer beziehungsweise als „einmalige Vermögensabgabe“ aufgezählt. Im Unterschied zur jährlichen Vermögensteuer wird sie nur einmalig auf den aktuellen Vermögensbestand erhoben und (im Regelfall) auf mehrere Jahre verteilt.

Allerdings kam am 9. April 2020 der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in seinem Gutachten „Verfassungsmäßigkeit einer Vermögens­ab­gabe zur Bekämpfung der wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Pandemie“ zu dem Schluss, dass für die Vermögensabgabe neben der oben genannten Einmaligkeit ein weiteres Kriterium maßgeblich sei, damit sie verfassungsrechtlich zulässig wäre: Der Finanz­bedarf des Staates muss besonders und außerordentlich sein und die zu deckenden ­Ausgaben des Bundes aus historisch einzigartigen Geschehnissen resultieren. Dies wurde im damaligen Gutachten verneint, da die aus der Corona­krise ­resultierenden Kosten in ihrer Höhe ­weder für 2020 noch für das folgende Jahr absehbar seien. Da sie nicht beziffert werden können, ist es auch nicht möglich, rechtlich abschließend zu bewerten, ob die Voraussetzungen für eine Vermögensabgabe vorliegen würden.

Zudem sprechen die Beispiele in der bisherigen Geschichte Deutschlands, in denen eine einmalige Vermögensabgabe eingeführt wurde, eher gegen eine ­Wiederholung einer solchen Abgabe: Denn bei ihnen ging es jedes Mal um die Deckung der Kosten eines Kriegs (Wehrbeitrag von 1913, Reichsnotopfer von 1919 und Lastenausgleich von 1952).

FAZIT

Auch wenn nach der derzeitigen Informationslage eine Wiedereinführung der Vermögensteuer und insbesondere die Erhebung einer Vermögensab­gabe sehr unwahrscheinlich sind, kann trotz der Aussagen im Ergebnispapier vom 15. Oktober 2021 nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass zumindest als Kompromisslösungen auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer­ punktuelle Verschärfungen vorgenommen werden.


Dieser Beitrag ist in der Unternehmeredition 4/2021 erschienen.

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