Wer zählt konkret zu Ihren Kunden? Wir haben keine großen Hauptkunden, nicht einen Zwanzig- oder Dreißig- prozenter, aber wir sind stark im Food-, Kosmetik- und Automobilbereich sowie bei neuen Technologien. Unter ande- rem zählen BMW, Urkorn und Schoko- ladenfirmen wie Godiva zu unseren Auf- traggebern. Was macht Sie sicher, dass Papier der erfolgsentscheidende Faktor ist? Nicht erfolgsentscheidend, aber einen schicken 10%igen Zuwachs können wir schon ausmachen. Wenn eine Ver- packung aus gutem, passendem Mate- rial ist, dann hat das für den Stamm- kunden eine hohe Bedeutung, ohne dass es ihm bewusst ist. Wenn Sie eine Kosmetikverpackung in der Hand haben und diese aufmachen, dann ist Ihnen als Kunde unter Umständen gar nicht bewusst, dass Sie Qualität und den entsprechenden Umweltgedanken dahinter fühlen. Wir designen das Papier so auf die DNA der Marke, dass der Stammkunde sagt: „Gott sei Dank habe ich das Parfum von XY gekauft.“ Was macht aus Ihrer Sicht ein gutes Papier aus? Es muss dem Zweck angemessen sein. Natürlich geht es hier um Qualität. Dazu gehören exzellente Rohstoffe, große Aufmerksamkeit und die Entscheidung, nicht in der größten Geschwindigkeit, sondern mit hoher Kontrolle zu produ- zieren, eine herausragende Ästhetik, die nicht geschmäcklerisch schön, son- dern immer objektiv ästhetisch ist. Der Produktionsaufwand und die Kosten sind bei Ihnen natürlich deutlich höher als in einer Massen- fabrik. Wie schaffen Sie es, trotzdem wirtschaftlich zu sein? Wir sind nicht billiger, aber wir sind effizient. Wir sind sogar meistens güns- tiger, als man gemeinhin annimmt – ein großer Bogen Papier kostet bei uns oft nicht einmal 1 EUR. Eine hochwertige Faltschachtel aus unserem Material kostet vielleicht 0,20 oder 0,30 EUR. Papier aus 100% Hanf – was hat Sie auf diese innovative Idee gebracht? Um diesen Bereich der Einjahrespflan- zen zu erforschen, haben wir eine zwei- Unternehmerwelt te Firma als Entwicklungslabor gegrün- det, das Start-up Greenfibra Labs. Es geht hier nicht etwa darum, Einjahres- pflanzen gegen Bäume einzutauschen, sondern wir erforschen hier zusätz- liche Mehrwerte. Einjahrespflanzen wie Hanf, Baumwolle oder Stroh wach- sen weitaus schneller. Außerdem wei- sen Hanf und Baumwolle einige tech- nische Vorteile auf. Baumwolle ist beispielsweise ein Abfallprodukt aus der Textilfrischfaser; dafür muss nichts extra angepflanzt werden. Hanf hat den Vorteil, dass er schön wächst und relativ bodenschonend ist. Mit ei- nem Technologiepartner bereiten wir ihn zu Zellstoff auf. Diese Hanffaser ist viel stabiler als andere Fasern. Da- durch entsteht ein stabileres Papier, das a) besser im Griff und b) öfter recycelbar ist. Normales Papier ist the- oretisch siebenfach recycelbar, Hanf- papier hingegen zehnfach. Wenn je- mand Hanfpapier kauft, dann steigert das die Recycelfähigkeit. Das haben wir erfunden. Gab es das vorher gar nicht? Man konnte früher schon Hanfpapier mit der Hand herstellen, aber eben nicht industriell. Man kann auch 10%, 20% oder 30% Hanf beimischen; das machen wir auch schon lange. Wir haben jetzt aber die Papiermaschine so umkons- truiert, dass wir das erste und einzige 100%ige Hanfpapier der Welt herstellen können. Das ist eine ganz frische Ent- wicklung! Anfang des Jahres hatten wir hier unseren technischen Durchbruch und es stecken vier Jahre Entwicklung drin. Ist das für Sie jetzt also das Produkt, das es zu vermarkten gilt? Es ist trotzdem nur eins unter vielen. Spannend, aber sehr teuer. Wenn eine normale Faltschachtel aus Gmund 0,20 EUR kostet, dann kostet die Faltschach- tel aus Hanf 0,40 EUR. Gmund Papier produziert farbige und weiße, extrem umweltfreundliche Produkte. Und dar- aus gewachsen ist unsere zweite Firma, das Spin-off Greenfibra Labs, ein Gmund Papier ist ein Papierhersteller mit Stammsitz in Gmund am Tegernsee und beschäftigt heute etwa 130 Mitar- beiter. Gegründet wurde die damalige Papiermühle 1829 von Johann Nepo- muk Haas, der seinerzeit mit rund 20 Mitarbeitern das Papier noch aus- schließlich von Hand fertigen ließ. 1853 kam sein Nachfolger Gregor Fichtner, unter dem die Papierfabrik zum Hof- lieferanten des Bayerischen Königshofs avancierte. 1860 vernichtete ein Groß- brand etliche Fabrikgebäude, die im folgenden Jahr wiedererrichtet wurden. Mit der Installation der ersten Papier- maschine mechanisierte Fichtner 1886 den Produktionsprozess. 1895 zog sich Fichtner aus dem Geschäftsleben zurück und verkaufte die Fabrik an den Gmundner Bürger Romuald Brunner. In dessen Ära gingen der Absatz, die Pro- duktion und die Zahl der Arbeitskräfte deutlich zurück. 1904 kauften Ludwig Alois Kohler, der Urgroßonkel des jetzi- gen Geschäftsführers – Florian Kohler –, mit seinem Kompagnon Carl Pfan- nenberg die Fabrik. Kohlers Urgroß- onkel erfand 1910 das farbige Papier, i r e p a P d n u m G © : o t o F kam aber leider 1921 bei einem tragi- schen Maschinenunfall in der Papierfabrik ums Leben. Daraufhin folgte der Neffe Ludwig Wilhelm Kohler, Florian Kohlers Großvater, der eigentlich Theologe und kein Unternehmer war. Dieser begann in den 1920er-Jahren den erfolgreichen Export von Papieren ins Ausland. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Vater von Florian Kohler ans Ruder – und dieser war nach Angaben Kohlers ent- scheidend für den Erfolg der Firma, denn er modernisierte, vergrößerte und indust- rialisierte sie in den 1950er-Jahren und machte sie zu dem, was sie heute ist: eine weltweit erfolgreiche, familien- geführte Papierfabrik. Unternehmeredition ‡‡