KI allein reicht nicht

Vertrauen, Weiterbildung und Kommunikation sind entscheidender als Technologie

Künstliche Intelligenz (KI) verändert die Arbeitswelt – jedoch nicht so reibungslos, wie es sich viele Führungskräfte wünschen.
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Künstliche Intelligenz (KI) verändert die Arbeitswelt – jedoch nicht so reibungslos, wie es sich viele Führungskräfte wünschen. Zwei aktuelle Studien beschäftigen sich mit den Fragen, die sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer stellen, und geben Hinweise darauf, wo es Brüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit gibt.

Die internationale Umfrage „State of AI in Employee Experience“ von Qualtrics kommt zu dem Ergebnis, dass Arbeitnehmer der KI-Strategie ihres Arbeitgebers nicht uneingeschränkt vertrauen. Der WBS JobReport 2024 macht gleichzeitig deutlich, wie stark sich der deutsche Arbeitsmarkt verändert hat und welche Kompetenzen aktuell besonders gefragt sind.

Gemeinsam zeigen die Studien: Wer den Einsatz von KI erfolgreich gestalten will, braucht neben technischer Infrastruktur auch Vertrauen, Kommunikation und gezielte Weiterbildung.

Vertrauenskrise: Mitarbeitende misstrauen KI-Fähigkeiten ihrer Führung

Künstliche Intelligenz (KI) soll nicht nur dabei unterstützen, den Arbeitsalltag von Mitarbeitenden effizienter zu gestalten, beispielsweise durch Automatisierung von Routinetätigkeiten, schnellere Datenverarbeitung oder intelligente Unterstützung bei der Entscheidungsfindung.

Ihr wahres Potenzial liegt darin, die Qualität der Arbeit zu verbessern, kreative Prozesse zu fördern, individuelle Stärken zu unterstützen und neue Freiräume für zwischenmenschliche, strategische oder sinnstiftende Aufgaben zu schaffen.

So viel zur Theorie. Doch traut laut der Umfrage „State of AI in Employee Experience“ von Qualtrics nicht einmal die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer, nämlich 45 %, ihren Vorgesetzten zu, KI effektiv in Arbeitsprozesse zu integrieren. Weltweit liegt dieser Wert mit 53 % nicht wesentlich höher. Im Vergleich dazu zeigen sich Führungskräfte deutlich selbstsicherer.  Eine Diskrepanz, die auf ein ernstes Wahrnehmungsproblem hindeutet.

Falsche Einschätzung echtes Problem

Diese Vertrauenslücke ist kein bloßes Kommunikationsproblem, sondern ein echter Risikofaktor: Nur 52 % der Mitarbeitenden glauben, dass bei Technologieentscheidungen ihr Wohlergehen über den Unternehmensgewinn gestellt wird, während es bei den Führungskräften 69 % sind. Und nur 47 % sehen den Einsatz von KI durch ihr Unternehmen als ethisch fundiert an. Auch hier liegt die Einschätzung deutlich unter der des Managements (69 %).

Was das bedeutet: Vertrauen ist der Schlüssel, damit neue Technologien von den Beschäftigten akzeptiert werden. Ohne eine glaubwürdige, mitarbeiterorientierte Kommunikation und ohne sichtbare ethische Leitlinien droht selbst die beste KI-Strategie zu scheitern. Doch auch eine gute Kommunikation allein wird nicht ausreichen.

Erwartungen klaffen auseinander: Qualität versus Produktivität

Ein weiteres zentrales Ergebnis der Qualtrics-Umfrage ist die unterschiedliche Erwartungshaltung gegenüber KI: Führungskräfte erwarten in erster Linie eine Steigerung der Produktivität, während Mitarbeiter sich vor allem eine Verbesserung der Qualität ihrer Arbeitsergebnisse wünschen.

Dies ist insbesondere in Europa erkennbar: Lediglich 27 % der befragten europäischen Arbeitnehmer gaben an, durch KI vor allem mehr Aufgaben erledigen zu wollen. 47 % nannten Qualitätssteigerung und 42 % Effizienz als wichtigste Motive.

Diese Werte korrespondieren auffällig mit den Anforderungen in Stellenanzeigen, wie sie im aktuellen WBS JobReport 2024 dargestellt werden. Besonders gefragt sind Qualifikationen in Bereichen wie Bau, Technik, Gesundheit und Umwelt. Damit sind es vor allem Berufsfelder, in denen Präzision, Sorgfalt und Fachwissen entscheidend sind. Zudem sehen wir eine wachsende Nachfrage nach „Green Jobs“. Einen Befund, den man folgendermaßen interpretieren kann: Nachhaltigkeit, auch bezogen auf die eigenen Tätigkeiten, rückt wieder mehr in den Vordergrund.

Der Hebel für Vertrauen und KI-Akzeptanz: Weiterbildung

Vertrauen in neue Technologien entsteht nicht zufällig, sondern muss gezielt aufgebaut werden. Das ist die zentrale Botschaft zweier aktueller Studien von Qualtrics und WBS TRAINING. Neben klarer Kommunikation sind gezielte Weiterbildungsangebote und transparente Regeln entscheidend, um Mitarbeitende in digitalen Transformationsprozessen mitzunehmen. Die Qualtrics-Umfrage zeigt deutlich: Wenn die Erwartungen der Mitarbeitenden erfüllt werden, steigt nicht nur ihre Zustimmung zu KI, sondern auch ihre Bereitschaft, sie aktiv zu nutzen:

  • Mitarbeitende vertrauen ihrer Führung bei der Einführung von KI dann 3,8-mal häufiger.
  • Sie stehen der Technologie 2,2-mal positiver gegenüber
  • und nutzen sie 2,7-mal häufiger mindestens einmal pro Woche.

Ein Schlüsselfaktor dabei ist regelmäßiger Austausch. Wer monatlich um Feedback gebeten wird, vertraut der Unternehmensführung deutlich mehr – und nutzt KI ebenfalls häufiger. Dialog schafft Orientierung, Sicherheit und Offenheit gegenüber neuen Tools.

Doch Kommunikation allein reicht nicht. Ebenso entscheidend ist Kompetenz: Nur wer versteht, wie KI funktioniert und wie sie sinnvoll eingesetzt wird, kann ihr Potenzial ausschöpfen. Genau hier knüpft der WBS JobReport an – mit konkreten Ansätzen aus der Weiterbildungspraxis.

Die Ergebnisse:

  • 90 % der befragten Unternehmen bieten Weiterbildungen an,
  • 74 % davon richten sich an alle Mitarbeitenden – nicht nur an Fach- oder Führungskräfte.
  • Besonders gefragt sind Inhalte wie digitale Kompetenzen, IT-Wissen, Projektmanagement und Kommunikation.

Diese Themenschwerpunkte entsprechen exakt den Anforderungen, die Qualtrics für eine erfolgreiche KI-Einführung nennt: technische Kenntnisse auf der einen Seite und soziale Fähigkeiten wie Kommunikation, Führung und Zusammenarbeit auf der anderen.

Regional und branchenbezogen: Wo sich KI besonders lohnt

Der regionale und branchenspezifische Blick des WBS JobReports zeigt, wie wichtig dieser Kompetenzmix ist. Die meisten offenen Stellen finden sich aktuell in folgenden Bundesländern:

  • Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg

sowie in den Branchen:

  • Bauwesen, Handwerk und Umwelt (21,7 %)
  • Technische Berufe und Ingenieurwesen (16,7 %)
  • Gesundheit und Soziales (mit hoher Wachstumsdynamik)
  • Green Jobs (im Kontext von Klimawandel und Energiewende)

In all diesen Bereichen kann Künstliche Intelligenz Prozesse effizienter gestalten, die Qualität verbessern und neue Lösungen ermöglichen – aber nur, wenn sie verantwortungsvoll eingeführt wird.

FAZIT

Die Ergebnisse beider Studien zeigen deutlich, dass die Zukunft der Arbeit nicht nur durch Technologie, sondern vor allem durch Vertrauen, Weiterbildung und Werte gestaltet wird.

Wer die Potenziale von KI ausschöpfen will, muss neben der Infrastruktur auch in die Kultur investieren:

  • Vertrauen aufbauen durch regelmäßiges Feedback und transparente Kommunikation.
  • Erwartungen klären und Mitarbeiter auf Augenhöhe einbinden.
  • Weiterbildungsprogramme nutzen, um sowohl technisches Know-how als auch soziale Kompetenz zu fördern
  • Führungskräfte dazu befähigen, Wandel nicht nur zu managen, sondern menschlich zu gestalten.

So entsteht ein Arbeitsumfeld, in dem KI nicht als Bedrohung, sondern als sinnvolle Unterstützung wahrgenommen wird und in dem neben der Produktivität auch die Qualität zählt. Erst wenn Mitarbeitende mitgenommen, qualifiziert und ernst genommen werden, kann KI ihre Wirkung entfalten. Unternehmen, die heute in Dialog und Kompetenz investieren, legen den Grundstein für nachhaltigen Erfolg im digitalen Wandel.

Autorenprofil
Joachim Giese
Joachim Giese

Joachim Giese ist Vorstand der WBS GRUPPE, einem führenden Anbieter von Online-Aus- und Weiterbildung.

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