„Jetzt erst recht – Mittelstand trifft Wirtschaftspolitik 2025“

Austausch über wirtschaftspolitische Entwicklung und unternehmerische Perspektiven – bei der Oakstreet Nachfolge Akademie 2025

Foto: © GoingPublic Media AG

Am 4. Juli 2025 versammelte sich im Rahmen der Oakstreet Nachfolge Akademie eine vielfältige Gruppe aus rund 100 mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmern sowie wirtschaftspolitischen Vordenkern, um einen intensiven Blick auf die Zukunft des Mittelstands zu werfen. Unter dem Motto „Jetzt erst recht“ wurden Impulse gegeben, Standpunkte diskutiert und Transformationen angestoßen.

Alexander Reichel, Initiator der Oakstreet Nachfolge Akademie, eröffnete mit einem klaren Appell: „Egal, wen wir hier oben stehen haben – entscheidend ist, was da unten passiert. […] Wir geben nur Impulse. Die Kraft, daraus Neues entstehen zu lassen, liegt in den Gesprächen zwischen Ihnen.“ Reichel betonte den Wert des Austauschs unter Unternehmern in unsicheren Zeiten, in denen „ständig neue Einschläge kommen, bevor man sich überhaupt konsolidieren konnte.“

Wirtschaftliche Großwetterlage: Zwischen Stagnation und Chancen

Foto: © GoingPublic Media AG

Dr. Michael Böhmer, Chefvolkswirt der Prognos AG, setzte mit seinem Vortrag den ökonomischen Rahmen: „Wir werden Ende 2025 da stehen, wo wir Ende 2019 standen. Sechs Jahre Stillstand – das gab es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie.“ Trotz düsterer Daten (Deutschland auf Rang 24 im IMD-Wettbewerbsfähigkeitsranking) skizzierte Böhmer auch Lichtblicke: „In Branchen wie Fahrzeugbau, Maschinenbau oder Pharma sind wir noch immer Weltspitze.“

Besonders eindringlich warnte er vor dem Worst-Case-Szenario einer „vollständigen protektionistischen Blockbildung zwischen USA und China“, das Deutschlands Exportwirtschaft massiv gefährden würde.

Seine Botschaft: „Wenn wir auf Protektionismus mit Protektionismus antworten, dann ist uns nicht zu helfen.“ Gleichzeitig liege es an Unternehmern, sich in einem kaum steuerbaren Umfeld trotzdem „klug zu positionieren“ – durch Anpassung, Resilienz und strategisches Denken.

Wachstum als Schlüssel zur Nachfolge: Skalieren ist Handwerk

Foto: © GoingPublic Media AG

Nico Reis von Scale Up zeigte auf energiegeladene Weise, wie Wachstum im Mittelstand nicht nur möglich, sondern essenziell ist: „Skalieren ist keine Kunst, sondern ein Handwerk.“ Sein praxisnaher Vortrag mit 44 Slides veranschaulichte die Phasen des Unternehmenswachstums – von den ersten Millionen bis zur Notwendigkeit starker Führungsteams und klarer Strukturen. Ein Satz blieb besonders im Gedächtnis: „Es ist egal, wie schnell du die Leiter hochkletterst, wenn sie am falschen Gebäude lehnt.“

Konfrontation mit der Zukunft: Unternehmer 2025 | 2030 | 2035

Im anschließenden Diskussionsformat traten drei Persönlichkeiten mit klarer Haltung und unterschiedlichster Perspektive auf die Bühne: Kathrin Zellner (wingmaite), Louis Deffor (Nexus Network) und Ralf Mattschas (COLEXO). Unter der provokanten Leitfrage „Abwarten oder Vorangehen?“ entstand eine lebhafte Debatte darüber, welche Entscheidungen Unternehmer heute treffen müssen, um in zehn Jahren noch relevant zu sein.
Kathrin Zellner stellte gleich zu Beginn klar: „Wir werden uns in Zukunft nicht mehr leisten können, in Silos zu denken – weder innerhalb unserer Organisationen noch in der Art, wie wir Innovation betreiben. Unternehmer müssen Netzwerker werden.“ Sie betonte die Bedeutung ganzheitlicher Führungsmodelle und neuer Arbeitskulturen. Ihr Appell: „Werte und Haltung sind kein Beiwerk mehr – sie werden zum Wettbewerbsfaktor.“

Louis Deffor, der mit Nexus Network international tätig ist, warnte vor strategischer Kurzsichtigkeit: „Viele Unternehmer denken noch zu sehr in Quartalen. Aber was wir brauchen, ist ein Kompass für Jahrzehnte.“ Er plädierte dafür, Technologien nicht nur zu adaptieren, sondern aktiv mitzugestalten – insbesondere in den Bereichen KI, Plattformökonomie und Resilienz: „Europa hat das Know-how, aber es fehlt oft am Mut zur Skalierung. Wir müssen größer denken – nicht irgendwann, sondern jetzt.“

Ralf Mattschas, erfahrener Unternehmer und Gründer von COLEXO, brachte die Diskussion auf eine persönliche Ebene: „Der Mittelstand wird oft für seine Bodenständigkeit gelobt – zu Recht. Aber diese Tugend darf kein Bremsklotz werden. Wer heute keine Entscheidungen trifft, trifft eben auch eine: nämlich die fürs Nichtstun.“ Er forderte mehr unternehmerische Klarheit und den Mut, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen – intern wie extern.

Die Diskussion kreiste immer wieder um die zentrale Frage, wie viel Unsicherheit Unternehmertum aushalten kann – und muss. Einigkeit bestand schließlich in einem Punkt:
Wer 2030 noch am Markt sein will, muss 2025 bereit sein, radikal zu lernen, zu verwerfen und neu zu denken. Oder wie Louis Deffor es formulierte: „Das Zeitalter des Beobachtens ist vorbei – wer nicht handelt, wird behandelt.“

Speed Networking: Impulse auf Augenhöhe

Ein besonderes Highlight des Abends war das von Katharina Meiler moderierte Speed Networking. In kurzen, dynamischen Gesprächsrunden trafen sich Unternehmer auf Augenhöhe – manche zum ersten Mal, andere in neuer Konstellation. Die Methode schuf in kürzester Zeit eine dichte Atmosphäre des Zuhörens, des Fragens und der Vernetzung.

Mut zur Größe: Ein persönlicher Wachstumsplan

Michael Biber, Geschäftsführer von New Direction, teilte seine bewegende Transformationsgeschichte: „Ich kam aus einer bequemen Komfortzone. Und dann war da plötzlich dieser Wunsch: Warum eigentlich nicht auf 50 Millionen wachsen?“
Sein Commitment zur Verfünfundzwanzigfachung des Umsatzes war nicht bloß Strategie – es war ein innerer Prozess, ein „Shift in Mindset“, wie er es nannte. „In dem Moment, wo du deinen Fokus veränderst, betrittst du eine Parallelwelt. Du siehst andere Chancen. Du triffst andere Entscheidungen.“ Sein Fazit: „Wenn du sagst ‚Ich mach das jetzt‘ – dann wirst du Erfolg haben.“

Podium der Transformation: Drei Unternehmer, drei Wege

Zum Abschluss des inhaltlichen Programms versammelten sich drei Unternehmerpersönlichkeiten mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, doch einem gemeinsamen Anliegen: echte Veränderung gestalten. Auf dem Podium: Petra Scherer (Value Hub), Michael Ebner (Gewinnblick) und erneut Michael Biber (New Direction), moderiert von Alexander Reichel. Die Diskussion drehte sich um die Fragen: Wie gelingt Transformation im Mittelstand? Was unterscheidet reine Veränderung von echter Erneuerung? Und wie nimmt man Menschen dabei mit?

Petra Scherer berichtete aus ihrer Arbeit mit produzierenden Unternehmen, dass die Bereitschaft zur Veränderung oft erst aus konkretem Schmerz entsteht: „Unsere Kunden rufen uns selten an, wenn alles gut läuft. Digitalisierung beginnt meist dort, wo es knirscht – bei Fachkräftemangel, Prozessineffizienz oder Kundenfrust.“ Doch sie warnte vor kurzfristigem Aktionismus: „Digitalisierung ist kein Projekt, sondern ein strategischer Weg. Wer sie nur als technologische Optimierung begreift, vergibt die Chance zur kulturellen Erneuerung.“

Michael Ebner, Unternehmer im Bereich Gastronomie- und Einzelhandelslösungen, rückte die Mitarbeitenden ins Zentrum: „Transformation im Mittelstand funktioniert nur, wenn sie verstanden und mitgetragen wird. Ohne das Warum ist jedes Wie zum Scheitern verurteilt.“
Er schilderte, wie Gewinnblick bewusst auf offene Kommunikation, partizipative Führung und klare Zielbilder setzt – nicht als Ideal, sondern als Überlebensprinzip: „Gerade in unserer Branche, in der Menschen der wichtigste Erfolgsfaktor sind, musst du in Beziehungen investieren – nicht nur in Tools.“

Michael Biber, der bereits zuvor mit seiner mutigen Skalierungsvision beeindruckt hatte, ergänzte den kulturellen Aspekt um eine persönliche Note: „Transformation beginnt im Kopf. Wenn du deinen Fokus änderst, ändert sich deine Realität. Ich habe erlebt, wie sich durch eine innere Entscheidung plötzlich ganz neue Türen öffnen – und neue Menschen an deine Seite treten.“ Für ihn ist unternehmerisches Wachstum nicht nur eine strategische Aufgabe, sondern auch eine persönliche Reifung: „Das größte Projekt in der Transformation ist man selbst.“

Moderator Alexander Reichel spannte am Ende den Bogen zwischen den Perspektiven:
„Drei Unternehmer, drei Wege – aber ein gemeinsames Muster: Transformation gelingt nur, wenn sie vom Menschen ausgeht. Vom Unternehmer. Vom Team. Vom Kunden.“

Der Konsens des Panels war deutlich: Transformation braucht Zeit, Mut, Klarheit und Führung. Sie beginnt nicht mit Technologie – sondern mit Haltung.

Bei kühlen Getränken, guter Musik und einem regen Austausch wurde das Finale des Abends zu einem lebendigen Treffpunkt für Ideen, Kontakte und neue Partnerschaften. Die Energie des Tages war spürbar: Viele Gespräche, die am frühen Abend ihren Anfang nahmen, fanden nun ihren Fortgang – bis spät in die Nacht.

Fazit: Jetzt erst recht! – Der Mittelstand sucht seinen Weg

Die Veranstaltung endete nicht mit Antworten, sondern mit neuen Fragen – aber vor allem mit der Bereitschaft, diese gemeinsam anzugehen. Oder wie Alexander Reichel es zum Schluss formulierte: „Wir können die Welt nicht anhalten. Aber wir können entscheiden, was wir mit ihr machen.“

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen.

Vorheriger ArtikelHerausforderungen beim Ausstieg aus Beteiligungen
Nächster ArtikelRettungsquoten bei Großinsolvenzen sinken weiter