Ganzjährig ins Freibad

Hightech-Traglufthallen als Alternative zum Hallenbad-Neubau

Foto: © Paranet Deutschland GmbH

Aus einer früheren Augsburger Seilfabrik hat der Unternehmer Jürgen Wowra mit der Paranet Deutschland GmbH ein Unternehmen für Hightech-Traglufthallen aufgebaut und hilft Kommunen, ihre Freibadinfrastruktur ganzjährig nutzen zu können.

Nieder-Eschbach ist die Heimat von Hessens Ministerpräsident Boris Rhein. Im dortigen Freibad ist er seit Jugendzeiten schwimmen gewesen und so ließ er es sich nicht nehmen, den Fördermittelbescheid über 1 Mio. EUR im letzten Jahr persönlich zu überbringen. Seit Oktober kann das Freibad auch im Winter genutzt werden. Es ist mit einer Traglufthalle überdacht, die den Schwimmbetrieb in der kalten Jahreszeit ermöglicht. Die technologisch führende Lüftungstechnik ermöglicht zusätzlich noch die Rückgewinnung von Wärme. Aufgebaut hat die Traglufthalle die Paranet Deutschland GmbH.

Foto: © Paranet Deutschland GmbH

Was man bislang nur von Tennis- und Reithallen kannte, hat der Unternehmer Jürgen Wowra zu einem Hightechprodukt entwickelt: die Traglufthalle. Bewährt als temporäre Unterkunft in der Flüchtlingskrise oder als Corona-Impfzentrum, können solche Hallen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge in vielen Bereichen mehr als eine Notlösung sein. Eine stabile Konstruktion aus einem Drahtseilnetz und einer Kunststoffhülle wird mit Luft aufgeblasen und dient als Überdachung für Sportstätten, als trendige, flexible Eventlocation oder als Logistikstandort. Bei Paranet hat man die aufblasbaren Hallen für die Überdachung von Freibädern weiterentwickelt. Sie ist in wenigen Tagen aufgebaut und mit einem TÜV-Prüfbuch umgehend einsatzbereit. Bis zu 25 Jahre beträgt die Lebensdauer dieser Traglufthalle. Langwierige Planungsprozesse entfallen. Im Inneren können separate Möglichkeiten zur Umkleide oder Entspannung integriert werden. LED-Lichtmodule leuchten die Halle passend auch unter Wettkampfbedingungen oder in den Farben des Sportvereins aus. Auch Sprungtürme können stehen bleiben, im Inneren der Halle herrscht eine konstante Innentemperatur von 28 Grad.

Kommunen wissen oft nichts über Traglufthallen

Mit Beginn der Freibadesaison kann die Traglufthalle in Tagesfrist ebenso schnell wieder abgebaut werden. Angesichts der Schwimmdefizite gerade bei Grundschulkindern und dem Mangel an Ausbildungsmöglichkeiten von Schwimmlehrern und Rettungsschwimmern wäre eine solche Alternative vielerorts die Lösung, Möglichkeiten für den Schwimmunterricht im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge bereitzustellen. Der Unterhalt der Bäder gehört landesrechtlich zwar zu den sogenannten freiwilligen Leistungen von Landkreisen und Kommunen. Nach den Schulgesetzen der Länder besteht allerdings auf kommunaler Ebene die grundsätzliche Verpflichtung, Bäder für den Sportunterricht zur Verfügung zu stellen. „Es gibt immer wieder kontroverse Diskussionen über die Entwicklung, den Betrieb, aber auch die Schließung von Standorten“, hat Jürgen Wowra in seinen zahlreichen Gesprächen in den Kommunen festgestellt und ergänzt: „Gerade Kommunen mit einer angespannten Haushaltslage haben Schwierigkeiten, die hohen Betriebskosten von Bädern und notwendige Investitionen für Instandhaltungen oder Neubau abzubilden.“  Hinzu kommt eine gewisse Skepsis von Kommunen, dass die Traglufthalle nicht ins städtebauliche Umfeld des Freibades passen könnte, wie etwa in die Bäderlandschaft am bayrischen Tegernsee. Hier wird über einen Millionen teuren Neubau in einem mehrjährigen Planungshorizont nachgedacht, während eine Traglufthalle gerade mal ein Zehntel der Investitionskosten verursachen würde.  „Wir haben aber gemeinsam mit den Kommunen ermittelt, dass die Unterhaltskosten für eine Traglufthalle nicht höher sind als bei konventionellen Hallenbädern. Durch die ganzjährige Nutzung nehmen auch die Besucherzahlen zu. Zudem können wir die Hallen auch maßgeschneidert an die Kommunen vermieten“, so Jürgen Wowra.

Nach dem KfW-Kommunalpanel herrscht in Deutschland ein Investitionsstau von 4,25 Mrd. EUR allein bei Bädern. Die Präsidentin der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft, Ute Vogt, fordert auch mehr Wasserfläche, qualifizierte Lehrkräfte und mehr politisches Engagement, um die 49 ehrenamtlichen Mitarbeiter der DLRG vor allem in der Ausbildung als Rettungsschwimmer und Schwimmlehrer zu unterstützen. Allein 353 Todesfälle durch Ertrinken, 75 mehr als im Vorjahr, zählte die DLRG bis zum 31. August. Durch die Coronapandemie hat sich die Zahl der Nichtschwimmer und Nichtschwimmerinnen im Grundschulalter verdoppelt. Auch durch die Energiekrise griffen viele Kommunen zu einschränkenden Maßnahmen wie die Verkürzung der Freibadsaison und Schließung der Außenbecken.


„Es gibt viel Förderung für die Bäderinfrastruktur“

Interview mit Jürgen Wowra, Geschäftsführer Paranet Deutschland GmbH

Unternehmeredition:  Herr Wowra, Sie sind innerhalb weniger Jahre zum Marktführer bei Traglufthallen geworden. Wie ist ihnen das gelungen?

Foto: © Paranet Deutschland GmbH

Jürgen Wowra: Ich habe im Jahr 2000 in Augsburg ein Unternehmen für Stahl- und Drahtseile erworben, dessen Wurzeln bis in das Jahr 1851 reichten und das auch Traglufthallen produzierte. Diesen Bereich haben wir nach dem Verkauf des Traditionsunternehmens im Jahr 2011 in die von mir neu gegründete Paranet Deutschland GmbH ausgegliedert und dort die Technologie kontinuierlich weiterentwickelt. Trotz der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten gerade im kommunalen Bereich ist es nicht so, dass sich eine solche Hallenkonstruktion von selbst verkauft, obwohl wir auch die Möglichkeiten des Mietens anstelle des Kaufes anbieten.

Woran liegt das?

Das Thema Traglufthalle, definiert als „Textile Bauwerke“, ist vielen Kommunen eher unbekannt. Fast immer wird die Errichtung und der Betrieb einer Traglufthalle durch die kommunalen Träger ausgeschrieben. Ein solcher Ausschreibungsprozess zieht sich über Monate hin. Vielerorts gibt es für diesen Sonderbau fachspezifisch zu wenig Know-how, welches wir gerne schließen. Zudem gibt es gerade für Kommunen Förderungen bei öffentlichen Infrastrukturmaßnahmen, auch im Sportbereich.

Welche sind das?

400 Mio. EUR wurden allein durch das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen im Rahmen des Bundesprogramms „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur bereitgestellt. Damit kann auch die Bäderinfrastruktur verbessert werden. Neben den Vorgaben beispielsweise zu energetischen Standards, Wärmerückgewinnung, UV-C-Lüftungstechnik  gehören auch Kriterien wie eine zügige Umsetzung und langfristige Nutzbarkeit zu den Förderkriterien – die eine Traglufthalle erfüllt. Daneben gibt es noch beispielsweise in Hessen das Landes-programm „Swim- Schwimmbad- Investitions- und Modernisierungsprogramm“, wovon auch einige Kommunen Gebrauch gemacht haben. All das dient dazu, die Defizite beim Schwimmsport und in der Schwimmausbildung kurz- und mittelfristig zu verringern. Dazu will ich als Unternehmer meinen Beitrag leisten.

Lieber Herr Wowra, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch.

Das Interview führte Torsten Holler.


KURZPROFIL

Paranet Deutschland GmbH

Branche: Betriebsstättenbau

Firmensitz: Berlin

Gründungsjahr: 2011

Mitarbeiter: 16

Umsatz: circa 8 Mio. EUR

www.paranet-deutschland.de

Autorenprofil
Torsten Holler

Der Wirtschaftsjournalist Torsten Holler schreibt seit 1987 regelmäßig für renommierte Wirtschaftsmedien über verschiedenste Themen.

Vorheriger Artikel„Auch in Krisenzeiten lassen sich stabile Renditen erzielen“
Nächster Artikel„Deutschland steht vor einer großen Transformationsherausforderung“