Finanzierung über den Kapitalmarkt

Von Nico Baader und Dr. Julia Scholz, Baader Bank AG

Bei mittelständischen Unternehmen herrschte in den vergangenen Monaten eine erhöhte Aktivität bei der Emission von Unternehmensanleihen. Ursache dieser Entwicklung ist nicht nur das aktuell günstige Marktumfeld mit einem relativ niedrigen Zinsniveau. Vielmehr ziehen auch viele Mittelständler ihre Lehren aus der Finanzkrise und machen sich daran, ihre Finanzierungsstruktur bankenunabhängiger zu gestalten. Dabei kann die Platzierung von Unternehmensanleihen in Verbindung mit einer Börsennotiz an einem der neu geschaffenen Handelsegmente eine Möglichkeit sein, erste Erfahrungen am Kapitalmarkt zu sammeln. Schließlich ist dies ein Weg, sich mit den bei einer Kapitalmarktfinanzierung einzuhaltenden Publizitäts- und Transparenzpflichten auseinanderzusetzen.

Finanzkrise verändert Rolle der Hausbank

Obwohl der Beziehung zur Hausbank bei der Finanzierung des deutschen Mittelstands traditionell eine hohe Bedeutung zukommt, ist dennoch eine Veränderung in der Finanzierungsstruktur mittelständischer Unternehmen zu erkennen. Die Hausbank wird dabei nicht mehr ausschließlich zur Deckung des langfristigen Finanzierungsbedarfs und zur Umsetzung von Wachstumsstrategien genutzt, sondern immer mehr zur Bereitstellung des volatilen Working Capitals und des kurzfristig auftretenden Kapitalbedarfs. Deutlich wurde dies bereits kurz nach dem Höhepunkt der Finanzkrise, als viele Unternehmen aufgrund einer restriktiveren Kreditvergabe der Banken auf den Anleihemarkt ausgewichen sind, um sich über die Platzierung von Unternehmensanleihen Kapital zu beschaffen. Während 2009 überwiegend Großunternehmen Anleihen ausgaben, nutzten ab 2010 immer mehr mittelständische Unternehmen das niedrige Zinsniveau und die aufkommende Nachfrage, um am Kapitalmarkt über die Emission von “Mittelstandsanleihen” Fremdkapital aufzunehmen und ihre Bankkredite zumindest teilweise zu refinanzieren. Für Unternehmen, deren Aktien nicht bereits an der Börse notiert sind, spielt dabei eine wichtige Rolle, dass bei einer Anleiheemission im Gegensatz zu einer Eigenkapitalfinanzierung über den Kapitalmarkt (Aktienplatzierung) kein Kontrollverlust durch die Abgabe von Stimmrechtsanteilen für die Anteilseigner entsteht. Die Anleihe kann also für Unternehmen der erste Schritt an den Kapitalmarkt sein und bietet somit die Möglichkeit, den Dialog mit Investoren und anderen Marktteilnehmern aufzubauen. Mit Hilfe des ersten Kapitalmarktinstruments besteht die Möglichkeit zur Erarbeitung einer positiven und glaubwürdigen Wahrnehmung des Unternehmens am Kapitalmarkt, ggf. auch in Vorbereitung eines möglichen Börsengangs.

Börsen reagieren schnell auf neue Marktentwicklung

Eine Reihe der Unternehmen platzierte ihre Anleihe über das eigens für Anleihen mittelständischer Unternehmen geschaffene Handelssegment Bondm der Börse Stuttgart. Neben Bondm können Unternehmen ihre Anleihen neuerdings auch im Entry Standard der Frankfurter Börse, dem m:access der Börse München oder im mittelstandsmarkt der Börse Düsseldorf notieren lassen. Für die Einbeziehung einer Anleihe in eines der Handelssegmente muss der Emittent die festgesetzten Voraussetzungen sowie Folgepflichten der jeweiligen Börsen erfüllen. Zu den Zulassungsvoraussetzungen zählen unter anderem die Vorlage eines gebilligten Wertpapierprospekts, die Veröffentlichung eines Emittentenratings sowie die Beschäftigung eines Kapitalmarkt- bzw. Emissionsexperten für die Dauer der Notierung der Anleihe. Zudem muss die Anleihe meist ein bestimmtes Mindestvolumen und eine Mindeststückelung von maximal 1.000 EUR aufweisen. Bei den Folgepflichten der Emittenten handelt es sich im Wesentlichen um die Veröffentlichung von Jahresabschlüssen und unterjährigen Zwischenberichten, die Vorlage eines Folgeratings sowie die Veröffentlichung aller kursrelevanten Unternehmensnachrichten und eines Unternehmenskalenders. Die Mittelstandsanleihen weisen vergleichsweise geringe Emissionsvolumina zwischen 10 Mio. EUR und 200 Mio. EUR auf (siehe Tabelle). Es fällt auf, dass in der zweiten Jahreshälfte 2010 immer mehr Anleihen auch von kleineren mittelständischen Unternehmen mit einem Volumen von 25 Mio. EUR und weniger ausgegeben wurden. Diese Anleihen sind abhängig von der Bonität des Emittenten mit Kupons zwischen 6% und 9% ausgestattet und besitzen in den meisten Fällen eine Laufzeit von fünf Jahren. Investoren sind bisher vor allem Privatanleger, Vermögensverwalter sowie kleine Versicherungen und Kapitalanlagegesellschaften. Das Engagement größerer institutioneller Investoren ist derzeit noch relativ verhalten, da diese in der Regel neben einer angemessenen Bonität des Emittenten ein Emissionsvolumen von mindestens 200 Mio. EUR und regelmäßig ein Rating einer der bei institutionellen Investoren anerkannten Ratingagenturen (Moody’s, Standard & Poor’s oder Fitch Ratings) einfordern.

Vorteile der Notierung einer Anleihe

Mit der Notierung der Anleihe in einem Handelssegment sind verschiedene Vorteile verbunden. Durch die erweiterten Publizitäts- und Transparenzpflichten erhöhen sich nicht nur die Visibilität der Anleihe und der Bekanntheitsgrad des Unternehmens am Kapitalmarkt, sondern potenziellen Investoren wird auch ein besserer Zugang zu Firmeninformationen eröffnet, auf deren Basis sie ihre Anlageentscheidungen treffen können. So wird die Grundlage für den Zugang zu einem breiteren Investorenkreis geschaffen. Zudem ermöglicht die Notiz an der Börse eine kontinuierliche Preisfindung und einen fortlaufenden Handel der Anleihe, wodurch deren Attraktivität gegenüber einer nicht gehandelten Anleihe für Investoren aufgrund des geringeren Liquiditätsrisikos steigt. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Unternehmen ihre neue Anleihe nicht nur über die Gesellschaft selbst und – sofern es sich nicht um eine Eigenemission handelt – über die begleitenden Banken, sondern auch direkt über die jeweilige Börse platzieren können. Somit steht Privatinvestoren eine einfache Möglichkeit zur Zeichnung der Anleihe zur Verfügung.

Unternehmensanleihen als “Test”

Immer öfter handelt es sich bei den mittelständischen Emittenten um Firmen, für die die Ausgabe von Unternehmensanleihen der erste Schritt in Richtung Kapitalmarkt darstellt. Folglich ist mit der Börsennotiz einer Anleihe auch der positive Effekt verbunden, dass Unternehmen eine erste Kapitalmarkthistorie aufbauen können und damit oftmals die Weichen für einen langfristigen Zugang zum Kapitalmarkt stellen. Wird die Anleihe in einem der Handelssegmente einbezogen, werden die Börsenneulinge erstmals mit den höheren Anforderungen in Bezug auf Publizität und Transparenz konfrontiert. Unterstützung nicht nur bei der Erfüllung der Folgepflichten, sondern insbesondere auch bei der Strukturierung und der Durchführung einer Anleiheemission erhalten die Emittenten von erfahrenen Investmentbanken oder spezialisierten Beratungsunternehmen. In diesem Zusammenhang sollte die Rolle einer spezialisierten Bank als Mittler zwischen Unternehmen und Investoren nicht unterschätzt werden.
Fazit
Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass sich durch eine erstmalige Anleiheemission die Vorteile einer günstigen und weitestgehend unbesicherten Finanzierung mit der Notwendigkeit, sich den Herausforderungen der Börse in punkto Transparenz und Publizität zu stellen, verbinden lassen. So können die Unternehmen prüfen, ob der öffentliche Kapitalmarkt auch zukünftig als Fremdkapitalgeber oder sogar als Eigenkapitalgeber (via Börsengang) in Frage kommt. Denn schließlich muss jede Anleihe früher oder später refinanziert werden.


Zu den Personen: Nico Baader und Dr. Julia Scholz
Nico Baader ist als Mitglied des Vorstands der Baader Bank AG verantwortlich für das Geschäftsfeld “Kunden und Produkte”. Dr. Julia Scholz ist Mitarbeiterin im Bereich Kapitalmarktdienstleistungen bei Baader. Das Unternehmen mit Sitz in Unterschleißheim ist im Handel mit Finanzinstrumenten eine der führenden Investmentbanken in Deutschland. Mittelständische Unternehmen berät und begleitet die Baader Bank bei Kapitalmaßnahmen, Börsengängen und der Emission von Unternehmensanleihen. 2010 erzielte der Konzern mit rund 400 Mitarbeitern ein Ergebnis von 16,2 Mio. EUR. www.baaderbank.de

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