Das Unternehmen Gigafiber aus Frankfurt am Main möchte den Glasfaserausbau entlang des Streckennetzes der Deutschen Bahn massiv voranbringen und darüber hinaus kostenloses Internet für die privaten Nutzer anbieten. Dafür wollen Familienunternehmer wie Lars Diebold in den kommenden Jahren über 1 Mrd. EUR investieren.
Auf der Autobahn in Richtung Frankfurt am Main geht es Lars Diebold so wie zahllosen anderen Autofahrern in Deutschland: Abrupt beendet ein Funkloch sein Telefonat. Deutschland – ein Flickenteppich im Mobilfunk. Ursächlich dafür ist auch der mangelnde Ausbau des Telekommunikationsnetzes mit Glasfaser. Dabei werkelt man in Deutschland seit fast 40 Jahren an diesem Projekt. 1981 beschloss die sozialliberale Koalition um den SPD-Kanzler Helmut Schmidt, ab 1985 mit dem flächendeckenden Glasfaserausbau in Deutschland zu beginnen. Doch ein Jahr später kam Helmut Kohl an die Macht – und legte diese Pläne wieder auf Eis. Stattdessen widmete er sich dem Ausbau des Fernsehnetzes, wozu nur die klassischen Kupferkabel benötigt wurden.
Jetzt will die von Olaf Scholz geführte Ampelregierung aufs Tempo drücken – bis 2030 soll in Deutschland ein flächendeckendes Glasfasernetz vorhanden sein. Die Zahlen, die der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) e.V. veröffentlicht, lassen an diesem Ziel stark zweifeln: In Bayern können 31% der Haushalte einen Glasfaseranschluss bekommen, in Baden-Württemberg sind es gar nur 23%. Berlin als Bundeshauptstadt bildet mit einer Glasfaserquote von 19% das Schlusslicht. Was es bedeutet, wenn das Kupferkabel dominiert, war in den Zeiten der Coronapandemie schmerzlich zu spüren: Wo in den einen Zimmern Homeschooling gefordert war und im Nebenraum eine Netflix-Serie gestreamt wurde, gab es im Wettstreit um das Upload-Datenvolumen meist zwei zweite Sieger.
Insgesamt sind Glasfaseranschlüsse in Deutschland nach Breko-Angaben für rund 35,6% aller Haushalte verfügbar. Die OECD-Berichte drücken es noch drastischer aus: Deutschland ist hinsichtlich des Glasfaserausbaus ein Entwicklungsland geblieben. So sieht es aus, wenn ein innovatives Infrastrukturprojekt zum Spielball der Politik wird.
Glasfaser entlang von 33.000 Kilometern Bahnstrecken
Und genau hier will Diebold angreifen. Der Unternehmer, der verschiedene Start-ups erfolgreich auf den Weg gebracht und mit dem Verkauf der Anteile sein Geld gemacht hat, will mit dem Unternehmen Gigafiber 33.000 Kilometer hochleistungsfähigen Glasfasers entlang den Trassen der Deutschen Bahn verlegen, unmittelbar neben den bereits vorhandenen Kabelschächten der Bahn. Diebold und sein Mitstreiter Jörg Müller, Geschäftsführer von Gigafiber, wollen im kommenden Jahr 1 Mrd. EUR in den Ausbau investieren. Die Unterstützung bei der Akquisition der Investoren kommt von namhaften Experten. Mit seinem Privatvermögen und gemeinsam mit einem Family Office hat Diebold inzwischen 50 Mio. EUR in den Start des Projekts investiert.
Die hohe Investition muss auch refinanziert werden. Dabei setzt Gigafiber auf ein deutschlandweit einmaliges Geschäftsmodell: „Wir wollen das Internet zum Nulltarif anbieten“, sagt Geschäftsführer Müller. Dafür sollen Kunden ihre monatlichen Abbuchungen wie Miete und Strom über einen von Gigafiber ausgewählten Zahlungsdienstleister abwickeln. „Durchschnittlich 1.000 EUR pro Monat lässt jeder Haushalt von seinem Konto abbuchen“, sagt Müller.
Besser sein als Google
Solch ein Vorhaben findet auch schnell seinen Widerspruch. Da Gigafiber in den laufenden Verhandlungen seinen zukünftigen Zahlungsdienstleister nicht nennen durfte, aber bereits seine Marketingidee verkündet hatte, gerieten Diebold und Müller bald in den Fokus der Verbraucherschützer. Man habe es nur auf die Daten der Kunden abgesehen, wurde kolportiert.
Mit dem Modell des kostenlosen Internets war immerhin schon Google gescheitert. „In der Tat hatte Google damals auf das Geschäft mit den Daten spekuliert. Das ist nicht unser Konzept – wir wollen es anders machen als Google. Gigafiber arbeitet nicht mit Daten, sondern erhält lediglich eine Provision vom Zahlungsdienstleister“, sagt Müller und ergänzt: „Bei dem Provider handelt es sich um das Unternehmen Fiserv, das unter anderem den Zahlungsdienstleister TeleCash übernommen hat. Und jeder, der in Deutschland seinen normalen Einkauf im Supermarkt bei Edeka oder den Sprit bei Aral an der Tankstelle mit der EC-Karte bezahlt, wickelt das Geschäft bereits heute über TeleCash ab.“ Durch Kooperationen mit regionalen Telekommunikationsunternehmen und Stadtwerken sollen das Kundengeschäft und der Ausbau von Netzen an den Gleisen bis in die Haushalte schnell nach vorn gebracht werden.
Weitreichender Business Case
Doch der Business Case ist noch weitreichender geplant. So werden einzelne Leitungen des Glasfaserkabels an Firmen und Institutionen vermietet. Ein Glasfaserkabel hat 576 autarke Leitungen – damit können Terrabytes an Datenmengen in Echtzeit sicher übertragen werden. Diese benötigt man für das autonome Fahren oder für Anwendungen in der künstlichen Intelligenz, überall dort, wo diese riesigen Datenmengen gebraucht werden. Zwei dieser Fasern reichen, um ein Netz in einem bestimmten Bereich redundant betreiben zu können. Das bedeutet: Bei einer Störung oder Beschädigung der Leitung können innerhalb von Millisekunden andere Wege genutzt werden, ohne dass es weitreichende Folgen in allen Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens hat.
„Hier kommt uns das Kritis-Dachgesetz zugute, das ab 2024 die Resilienz und physische Sicherheit kritischer Infrastrukturen reguliert. Das Gesetz setzt eine EU-Direktive in Deutschland durch zusätzliche Pflichten für Betreiber kritischer Anlagen um: Meldepflichten, physische Sicherheit, Personal und Krisenmanagement. Das ist ein Vorteil für uns, weil wir quasi auf der grünen Wiese starten und Lieferanten einsetzen können, die diese Anforderungen ermöglichen“, so Müller. Der umstrittene chinesische Komponentenlieferant Huawei kommt bei den Ausbauvorhaben des Unternehmens nicht zum Zuge.
Auch die CO2-Reduktion ergänzt das Businessmodell. Jeder verbauter und angeschlossener Kilometer Glasfaserkabel hat einen sechsfach geringeren Energieverbrauch als die herkömmliche Kupferleitung; auf diese Weise kann CO2 eingespart werden. „Damit zeigen wir auch unser Engagement in diesem Bereich“ so Müller.
In diesem Jahr werden 200 Kilometer als Proof of Concept verbaut und die gesamte Netzdetailplanung durchgeführt. Ab 2025 wird es dann richtig losgehen, sternförmig von Frankfurt am Main aus.
„Allein die Netzplanung und die Abstimmungen mit der Deutschen Bahn nehmen einige Monate in Anspruch. Dabei haben wir Glück, dass wir nicht noch weitere Behörden ansprechen müssen und sich so die Genehmigungsverfahren noch weiter in die Länge ziehen.“
KURZPROFIL Gigafiber GmbH
Geschäftsführung: Lars Diebold
Gründungsjahr: 2023
Branche: Telekommunikation
Firmensitz: Frankfurt am Main
Mitarbeiter: 50
Umsatz 2024: 50 Mio. EUR
„Wir setzen dort an, wo Deutschland im Industriezeitalter gewachsen ist“
Interview mit Lars Diebold, Gesellschafter, Gigafiber GmbH
Unternehmeredition: Herr Diebold, vor drei Jahren sind Sie nach Dubai gezogen. Dank Ihrer unternehmerischen Erfolge könnten Sie dort auch in Ruhe privatisieren. Weshalb haben Sie nun das Unternehmen Gigafiber ins Leben gerufen, was ja angesichts seiner schieren Größe und seines Finanzierungsvolumens eine Herkulesaufgabe ist?
Lars Diebold: Wir müssen etwas tun, um die Digitalisierung in Deutschland voranzubringen. Große Technologieunternehmen wie Bosch oder SAP investieren Milliardenbeträge in Start-ups für die künstliche Intelligenz. Funktionieren wird das alles nur, wenn auch ein flächendeckendes Glasfasernetz vorhanden ist. Wir setzen dort an, wo Deutschland im Industriezeitalter gewachsen und wirtschaftlich stark geworden ist: mit seinem Netz für Bahngleise.
Warum können Familienunternehmen besser und schneller ausbauen als beispielsweise die Deutsche Bahn oder die großen Telekommunikationsunternehmen?
Gigafiber ist ein kapitalstarker, innovativer und entscheidungsstarker neuer Player mit Know-how im Bereich des Ausbaus sicherer und resilienter Glasfasernetze in Deutschland. Ziel ist es, gemeinsam mit der Deutschen Bahn rasch und in vertrauensvoller Zusammenarbeit noch in dieser Legislaturperiode konkrete Ergebnisse zu realisieren.
Werden Sie den gesamten Ausbau von 33.000 Kilometern ausschließlich mithilfe der Finanzierung durch Family Offices realisieren oder sind für später andere Finanzierungswege geplant?
Wenn wir die ersten 10.000 Kilometer verbaut haben werden, wird sicher ein Berater kommen und uns empfehlen, dass wir einen strategischen Partner mit ins Boot nehmen oder vielleicht einen Börsengang anstreben sollten. Wir wollen auf jeden Fall die nächsten Jahre bankenunabhängig bleiben. Vorerst bleibt das Unternehmen im Streubesitz von mir und einem Family Office. Allerdings werden wir in der nächsten Finanzierungsrunde auch darüber nachdenken, Private-Equity- und Family-Office-Anteile in einen Fonds zu geben, der sich dann an Gigafiber beteiligen könnte.
Herr Diebold, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch und wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Umsetzung des Projekts!
👉 Dieser Beitrag erscheint in der nächsten Unternehmeredition-Magazinausgabe 1-2024 (Erscheinungsdatum: 22. März).
Torsten Holler
Der Wirtschaftsjournalist Torsten Holler schreibt seit 1987 regelmäßig für renommierte Wirtschaftsmedien über verschiedenste Themen.