Rentabel mit neuer Preispolitik

Fertigungsanlage von OBD Precision: Die Firma fertigt vor allem Spezialteile für Lenk- und Antriebssysteme sowie Benzinpumpen.

Mit einem konsequenten Restrukturierungskurs sowie dem Engagement der BayBG Bayerischen Beteiligungsgesellschaft und der MBG Baden-Württemberg ist der schwäbische Automobilzulieferer OBD Precision wieder auf Kurs gekommen.

Die Geschichte der Oberndörfer GmbH beginnt im Jahre 1992 als Ein-Mann-Gründung des schwäbischen Tüftlers und Ingenieurs Albrecht Oberdörfer, der für die in Baden-Württemberg und Umgebung ansässigen Automobilzulieferer Spezialteile lieferte, die vor allem in Lenk- und Antriebssysteme sowie Benzinpumpen eingebaut wurden. Bald zählten die großen internationalen Konzerne wie Bosch, Mahle und Delphi zu seinen Kunden. Das Unternehmen entwickelte sich rasch zu einem inhabergeführten Mittelständler mit zuletzt 55 Mio. Euro Jahresumsatz und 480 Mitarbeitern in drei Betriebsstätten. Doch der Erfolg war teuer erkauft. Zwar freute sich Oberndörfer, dass er nahezu jedes Projekt gewinnen und so stetig weiter wachsen konnte. Die vielen neuen Projekte überforderten jedoch letztlich die Organisation und führten zu einer erheblichen Komplexität. Als dann ein Großauftrag von Continental platzte, für den bereits neue Maschinen bestellt waren, geriet das Unternehmen in arge Liquiditätsschwierigkeiten.

Interimsmanager konnte kurzfristig nichts mehr retten

In dieser Situation kam der damals 43-jährige Maschinenbauingenieur Michael Bölling auf Empfehlung einer Bad Homburger Managementberatung als Interimsmanager ins Unternehmen. Bölling galt als ausgewiesener Automobilexperte mit einem exzellenten Netzwerk zu den wichtigsten Zuliefereren der Branche. Als Interimsmanager hatte er unter anderem etliche Restrukturierungen von Produktionsstätten diverser Automobilzulieferer durchgeführt. Doch sein Einsatz kam zu spät: Nur zwei Monate später mussten die Oberndörfer Insolvenz anmelden. Der eingesetzte Insolvenzverwalter – Holger Blümle von der Kanzlei Schultze & Braun – wollte auf Böllings Expertise nicht verzichten und beauftragte ihn, die Restrukturierung fortzusetzen. Gemeinsam mit der Unternehmensberatung Roland Berger & Partner begann die Ansprache potenzieller Investoren: „Doch gerade mögliche strategische Partner winkten ab. Der Markt war zu umkämpft“, erinnert sich Bölling. Er selbst hatte alle Hände voll zu tun. Die Produktion musste gestrafft werden, mit den Kunden führte er harte Preisverhandlungen. „Wir mussten bei einigen Positionen die Preise verdoppeln, um die nötige Rentabilität zu erreichen. Naturgemäß waren die Kunden darüber nicht gerade erfreut.“ Doch es gelang – auch mit der Unterstützung der großen Automobilzulieferer wie Bosch, die mit dem Unternehmen weiter zusammenarbeiteten. Schließlich wurde Bölling gefragt, ob er sich vorstellen könnte, das Unternehmen selbst zu übernehmen. Der Gefragte unterbreitete ein Angebot, zog es jedoch umgehend zurück: „Ich bin mehr der technische Part, das Kaufmännische benötigt einen weiteren Experten.“ Über Roland Berger erhielt er den Kontakt zu Ulrich Ahrens, der mit seinem Unternehmen – der Main Kapital GmbH – auf Distressed M&A-Fälle spezialisiert ist.

Gute Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter

Bölling und Main Kapital übernahmen im September 2016 im Rahmen eines Asset Deals jeweils 50 Prozent der Anteile sowie über 350 Mitarbeiter; das Unternehmen wurde in OBD Precision umbenannt. Bölling lobt die Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter: „Zum einen konnte ich auch während der Insolvenzphase in neue Maschinen und Prozesse investieren. Das ist durchaus nicht üblich. Zum anderen waren die Verhandlungen durch ein hohes Maß an Kooperationswillen geprägt.“ Dennoch musste frisches Kapital akquiriert werden. Die OBD Precision sprach die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Baden Württemberg an, die sich mit 800.000 Euro Mezzanine-Kapital still am neuen Unternehmen beteiligte. „In Baden-Württemberg hängen circa 200.000 Arbeitsplätze direkt von der Automobilindustrie ab, mittelbar weitere Hunderttausende Arbeitsplätze. Wir haben in unserem Portfolio zahlreiche Unternehmen mit Automotive-Bezug“, begründet Guy Selbherr, Geschäftsführer der MBG Baden-Württemberg, das Investment. „Wir wollen das Unternehmen auf dem Zukunftskurs unterstützen und so die Arbeitsplätze langfristig sichern.“ Gleichzeitig sprach die MBG auch ihre Kollegen von der BayBG Bayerischen Beteiligungsgesellschaft an. „Wir haben als BayBG seit 20 Jahren eine starke Expertise, was die Unterstützung von Unternehmen betrifft, die sich in einem Turnaround-Prozess befinden. Bayernweit sind wir an mehr als 50 Automotive-Zulieferern beteiligt“, sagt Erwin Wick, Senior Investment Manager bei der BayBG. Bei einer Bewertung von OBD im einstelligen Millionenbereich übernahmen die Bayern 20 Prozent der Anteile im Rahmen einer offenen Beteiligung. Mit diesen beiden Beteiligungen sei das Unternehmen gleichzeitig wieder kapitalmarktfähig geworden. Für die Zukunft plant OBD Precision, die Produktion zu erhöhen. Zum einen sollen für bestehende Kunden neue Präzisionsteile hergestellt werden, etwa für E-Bikes. Zum anderen kann sich Michael Bölling auch die Übernahme eines Wettbewerbers vorstellen, wenn es das Marktgeschehen hergibt.


„Als ich kam, war es schon fünf nach zwölf“

Interview mit Michael Bölling, Geschäftsführer OBD Precision GmbH

Unternehmeredition: Im August 2015 kamen Sie zur damaligen Oberndörfer GmbH, schon wenige Monate später mussten Sie Insolvenz anmelden. Weshalb gelang es damals nicht, das Unternehmen zu retten?

Michael Bölling: Die Verluste durch eine verfehlte Preispolitik waren zu hoch. Als ich hierher kam, war es schon fünf nach zwölf. Ich konnte zwar einen umfangreichen Plan zur Restrukturierung erstellen, aber danach blieb nur noch der Gang zum Insolvenzgericht als einzige Option.

Welche Maßnahmen haben Sie als Erstes im Zuge der Restrukturierung eingeleitet?

Wir mussten zunächst die Betriebsabläufe neu strukturieren und haben ein Szenario entwickelt, wie die ideale Fabrik aussehen sollte. Es gab keine eingespielte interne Logistik, teilweise sind Produkte innerhalb der drei Betriebsstätten verlorengegangen. Zudem wurde zu viel Ausschuss produziert, zuletzt monatlich für 250.000 bis 300.000 Euro. Bei den Mitarbeitern musste ein neues Qualitätsbewusstsein implementiert werden.

Wann wurde der Prozess der Restrukturierung abgeschlossen?

Wir werden erst in diesem Jahr zu mehr als 80 Prozent damit fertig sein. Das liegt vor allem daran, dass wir nicht ohne Weiteres die hochkomplexen Maschinen zu einer neuen Fertigungslinie umstellen können, ohne dass dieser Vorgang von unseren Kunden geprüft und bestätigt wird. Von der Auftragsvergabe bis zum Fertigungsstart vergehen bis zu eineinhalb Jahre. Jetzt können wir auch den letzten Teil der Restrukturierung abschließen.


Kurzprofil OBD Precision

Gründungsjahr 1992 (als Oberndörfer GmbH)
Branche Automobilzulieferer
Unternehmenssitz Gaildorf
Umsatz 2018
42 Mio. Euro
Mitarbeiter
285

www.obd-precision.de

Autorenprofil

Torsten Holler ist Gastautor.

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