Fairness Opinion bei M&A-Transaktionen

Eine qualifiziert erstellte Analyse bietet die Möglichkeit zur Absicherung gegen Haftungsrisiken

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Die Erstellung einer qualifizierten Fairness Opinion bietet dem Management (mittelständischer) Unternehmen die Möglichkeit, eine umfangreiche Risikoanalyse durchzuführen und anschließend eine simulationsbasierte Überschussverteilung (Unternehmensplanung) zu erstellen. Dies dient einem funktionierenden Risikomanagementsystem.

In den zurückliegenden Jahren wurden bei wichtigen unternehmerischen Entscheidungen vom Management (Vorstand/Geschäftsführer) und von Aufsichtsräten vieler (mittelständischer) Unternehmen vermehrt Fairness Opinions eingeholt. Damit können die Führungskräfte der Sorgfaltspflicht nachkommen und somit eine Haftungsfreistellung erreichen. Diese sogenannte Business Judgement Rule – abgeleitet aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG – regelt schadensersatzträchtige Pflichtverletzungen von Vorständen, Geschäftsführern und Aufsichtsräten im Rahmen von unternehmerischen Entscheidungen wie etwa M&A-Transaktionen. Eine derartige Pflichtverletzung liegt grundsätzlich dann nicht vor, wenn das Verwaltungsorgan eines Unternehmens „bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“ (§§ 93 Abs. 1 Satz 2, 116 AktG, § 43 GmbHG).

Inhalt und Funktion einer Fairness Opinion

Unter dem Begriff Fairness Opinion wird die Stellungnahme eines sachverständigen und unabhängigen Dritten bezüglich der finanziellen Angemessenheit eines Transaktionspreises bei einer Unternehmenstransaktion verstanden.

In der Praxis setzt sich die Fairness Opinion für gewöhnlich aus drei Bestandteilen zusammen – Opinion Letter, Valuation Memorandum und Factual Memorandum:

  • Im Opinion Letter werden allgemeine Informationen zum Unternehmen, zur Art der Transaktion und weitere Basisdaten skizziert.
  • Das Valuation Memorandum erweitert den Opinion Letter um detaillierte Informationen und Analysen, auf denen die Stellungnahme des Sachverständigen zur Angemessenheit des Transaktionspreises beruht.
  • Das Factual Memorandum ist eine optionale Ergänzung zur internen Dokumentation für den Auftraggeber und beinhaltet insbesondere die vollständige Datengrundlage, die der Stellungnahme des Sachverständigen zugrunde lag.

Neben der Informationsfunktion erfüllt die Fairness Opinion eine Absicherungsfunktion für Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte bei unternehmerischen Entscheidungen. Sie kann weiterhin die Informationsasymmetrien zwischen Management und Share- beziehungsweise Stakeholdern reduzieren.

Anlässe für eine Fairness Opinion

Eine Fairness Opinion kann für eine Vielzahl von unternehmerischen Transaktionen und Initiativen eingeholt werden. Unternehmerische Entscheidungen können beispielsweise der Kauf/Verkauf eines Unternehmens(anteils), Sacheinlagen, Restrukturierungen oder größere Investitionen sein. Weiterhin können Fairness Opinions erstellt werden, um steuerliche Risiken und mögliche Rechtsstreitigkeiten mit (Mit-)Gesellschaftern zu minimieren, etwa bei unternehmensinternen Transaktionen, Transaktionen mit nahestehenden Unternehmen/Personen oder größeren Finanzierungen.

Bewertungsverfahren und Notwendigkeit der Risikoberücksichtigung

Im Rahmen der Erstellung einer Fairness Opinion werden die bekannten deutschen Standards des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) oder der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management GmbH (DVFA) herangezogen. Zur Ermittlung einer Bandbreite der Angebotspreise werden üblicherweise mehrere Methoden verwendet (IDW S8 oder DVFA-Standards). Neben direkten Vergleichspreisen, etwa konkurrierenden Angeboten für das Transaktionsobjekt, sind Beurteilungsmaßstäbe indirekt über Bewertungsverfahren, marktpreisorientierte Verfahren sowie weitere kapitalmarkt- und transaktionsmarktbezogene Informationen zu bilden.

Die Business Judgement Rule verlangt vom Vorstand/Geschäftsführer und Aufsichtsrat in Bezug auf die unternehmerische Entscheidung, relevante Informationen heranzuziehen und auszuwerten, mithin eine angemessene Risikoberücksichtigung. So kann der Kauf eines Unternehmens(anteils) zu unsicheren Synergien und unsicheren Diversifikationseffekten oder zur Übernahme zusätzlicher Risiken führen, die allesamt die künftige Geschäftsentwicklung negativ beeinflussen könnten. Ebenso kann sich die Fremdkapitalaufnahme zur Finanzierung des Unternehmenskaufs auf das Rating und somit auf die Insolvenzwahrscheinlichkeit des eigenen Unternehmens auswirken.

Um diese Risiken angemessen berücksichtigen zu können, wird zunächst eine qualitative Risikoberücksichtigung vorausgesetzt. Anschließend ist eine Quantifizierung und Aggregation der identifizierten Risiken vorzunehmen. Demnach sollte der Wert des eigenen Unternehmens ermittelt werden – zunächst ohne und anschließend unter Berücksichtigung der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung. Mithilfe einer Monte-Carlo-Simulation kann eine umfangreiche Risikoanalyse durchgeführt und anschließend eine simulationsbasierte Überschussverteilung (Unternehmensplanung) erstellt werden. Hiervon können insbesondere (mittelständische) Unternehmen profitieren. Diese sind dazu gezwungen, ein funktionierendes Risikomanagementsystem in ihrem Unternehmen zu implementieren. Kreditinstitute etwa verlangen regelmäßig von ihren Fremdkapitalnehmern, dass sie sich mit ihrer Zukunftsfähigkeit und den Risiken ihrer unternehmerischen Tätigkeit auseinandersetzen.

FAZIT

M&A-Transaktionen haben eine grundlegende Bedeutung für das Unternehmen und sind daher regelmäßig als „unternehmerische Entscheidung“ im Sinne des § 93 AktG anzusehen. Die bisher üblichen Vorlagen wie die Beauftragung einer Fairness Opinion und die Durchführung einer Due Diligence erfüllen damit allein nicht mehr die Anforderungen für eine adäquate Entscheidungsvorlage. Eine qualifiziert erstellte Fairness Opinion, die auch die mit der Akquisition verbundenen Risiken einbezieht, bietet dem Management (mittelständischer) Unternehmen die Möglichkeit, sich gegen mögliche Haftungsrisiken nach §§ 93 Abs. 1 Satz 2, 116 AktG, § 43 GmbHG abzusichern. Darüber hinaus geht mit ihr die Gelegenheit einher, sich mit der Zukunftsfähigkeit und den Risiken auseinanderzusetzen und somit ein funktionierendes Risikomanagementsystem im Unternehmen zu implementieren.

Dieser Beitrag erscheint in der nächsten Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2023 (Erscheinungsdatum: 22.9.2023).

Autorenprofil
Frank Stahl

Wirtschaftsprüfer Frank Stahl ist Head of Transactions im Münchner Office von Baker Tilly und begleitet M&A-Transaktionen bei Baker Tilly bereits seit über 17 Jahren.

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