Exit-Stau im deutschen Private-Equity-Markt

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Die Zahl überfälliger Beteiligungen im deutschen Mid-Market steigt weiter an. Nach einer aktuellen Analyse von Grant Thornton verbleiben mehr als 400 Portfoliounternehmen deutlich länger als ursprünglich geplant im Besitz ihrer Investoren. Der klassische Fünf-Jahres-Zeitraum für Exits werde in zahlreichen Fällen überschritten, so das Ergebnis einer Untersuchung von 98 Private-Equity-Fonds mit über 1.100 Beteiligungen in Deutschland. Demnach gelten 403 Unternehmen als „overdue“, während 103 weitere Gesellschaften noch im laufenden Jahr den Exit-Horizont erreichen. Die Analyse zeigt eine wachsende Exit-Blockade im Private-Equity-Segment. Besonders stark betroffen ist laut Grant Thornton der Mid-Market. Innerhalb dieser Marktgröße zeigt sich eine Häufung überfälliger Beteiligungen vor allem in den Sektoren Technologie, Medien, Telekommunikation sowie Konsumgüter.

Folge struktureller Veränderungen

Die Studien-Autoren Dr. Stephane Müller und Thomas Nacken sehen die Verzögerungen als Ausdruck tiefgreifender struktureller Veränderungen im deutschen Private-Equity-Umfeld. Laut ihrer Einschätzung sind es fünf wesentliche Faktoren, die den Exit-Stau begünstigen. Zum einen bestehen erhebliche Bewertungsdifferenzen zwischen Käufern und Verkäufern. Viele Investoren hätten Unternehmen während der Niedrigzinsphase zu hohen Multiples erworben. Die Preisvorstellungen seien bis heute entsprechend hoch, während Käufer angesichts gestiegener Zinsen und erhöhter Risikoaufschläge konservativer kalkulieren.

Zweitens erschwere die restriktive Fremdfinanzierung die Durchführung von Transaktionen. Seit 2022 seien Banken und Debt Funds deutlich vorsichtiger geworden. Höhere Zinsen, verschärfte Covenants und geringere Finanzierungsbereitschaft führten zu einem erschwerten Zugang zu Kapital, insbesondere für kleinere Unternehmen. Diese Abhängigkeit von klassischer Fremdfinanzierung könne den Exit zusätzlich verzögern.

Makroökonomische Unsicherheiten

Ein weiterer wesentlicher Faktor ist laut Grant Thornton die makroökonomische Lage. Steigende Insolvenzen, eine schwache Industriekonjunktur sowie volatile Inputkosten wirken sich direkt auf die Profitabilität kleiner und mittlerer Unternehmen aus. Besonders betroffen seien die Branchen Automotive, Chemie, Pharma sowie der Einzelhandel. Potenzielle Käufer warteten daher häufig auf stabilere Rahmenbedingungen. Hinzu komme das strategische Verhalten der Fondsmanager. Diese versuchten Wertberichtigungen zu vermeiden, da Verkäufe unter Buchwert den Track Record belasten und zukünftige Fundraising-Prozesse erschweren könnten. In der Praxis bedeute dies, dass Beteiligungen häufig so lange gehalten würden, bis sich operativ bessere Ergebnisse zeigen oder die Marktbedingungen vorteilhafter seien.

Schließlich nennt Grant Thornton das Fehlen geeigneter Exit-Alternativen im Mid-Market. Während GP-led-Secondaries oder Continuation Funds im Large-Cap-Segment zunehmend genutzt werden, stünden diese Strukturen im Mittelstand kaum zur Verfügung. Auch Börsengänge seien selten realistisch. Wenn zudem der klassische Verkauf stocke, fehle es an weiteren Optionen zur Veräußerung. Trotz der angespannten Marktlage sehen die Autoren klare Handlungsmöglichkeiten für erfolgreiche Exits. Eine frühzeitige und gezielte Vorbereitung könne helfen, den Exit-Stau zu überwinden. Dazu zähle unter anderem der Aufbau eines überzeugenden Wachstumsnarrativs. Unternehmen müssten Investoren darlegen, wie sie durch Internationalisierung, Digitalisierung, Innovation oder Zukäufe weiteres Potenzial heben.

Zudem sei finanzielle Stabilität entscheidend. Eine belastbare Kapitalstruktur, transparente KPIs sowie verlässliche Forecasts stärkten das Vertrauen potenzieller Käufer und Finanzierer. Gleichzeitig sollten Prozesse und Strukturen optimiert werden, um die organisatorische Leistungsfähigkeit zu steigern. Auch Talentmanagement und Digitalisierung spielten hierbei eine Rolle. Ergänzend sei eine klare strategische Positionierung erforderlich. Unternehmen sollten eine kohärente Equity Story entwickeln, sich am Branchenbenchmark orientieren und den Verkaufsprozess professionell vorbereiten. Dies umfasse auch rechtliche Klarheit, strukturierte Datenräume sowie externe Unterstützung etwa bei Vendor Due Diligence oder Versicherungen.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen und Tech-Start-ups.

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