Die Zahl der Unternehmensverkäufe wächst langsam wieder, die Transaktionsprozesse aber dauern länger und scheitern häufig. Wir sprachen mit Andi Klein, Managing Partner der Beteiligungsgesellschaft Triton, über die aktuelle Lage und die Aussichten des Markts.
Unternehmeredition: Wie hat sich der Private-Equity-Markt in den letzten Jahren entwickelt und wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?
Andi Klein: Im vergangenen Jahr war das Dealvolumen so gering wie seit Langem nicht. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum einen hat das hohe Zinsniveau den Markt gebremst, zum anderen folgten den schwierigen COVID-Jahren geopolitische Verwerfungen. Hinzu kommt die wirtschaftliche Verunsicherung, insbesondere in Deutschland. Die Desorientierung ist auch im laufenden Jahr noch spürbar. Viele potenzielle Käufer warten ab, wie sich der Markt entwickeln wird. Obwohl wieder mehr Unternehmen zum Verkauf angeboten werden, sowohl aus Private-Equity-Portfolios als auch im Zuge von Unternehmensnachfolgen und Carve-outs, ist die Situation weiter herausfordernd.
Wirkt die chaotische Zeit der Coronapandemie noch nach?
Zum Teil – etwa wenn es darum geht, die Zahlen eines Unternehmens zu analysieren. Wir müssen zum Beispiel bei der Berechnung des Unternehmenswerts einschätzen, wie sich die Rohmaterial- und Energiepreisschwankungen auf das Ertragsniveau ausgewirkt haben, was Sondereffekte und was nachhaltige Veränderungen waren; Stichwort: Evidenz. Das bedeutet vor allem auf der Verkäuferseite viel Arbeit und trägt dazu bei, dass die Transaktionsprozesse aktuell länger dauern. Die Zeiten von der ersten Ansprache bis zum Signing haben sich in den vergangenen 18 Monaten verdoppelt bis verdreifacht. 30% bis 40% der geplanten Exits kommen nicht zum Abschluss.
Welche Folgen hat diese Entwicklung?
Die Prozesse werden entsprechend geplant, den Bietern wird die Möglichkeit gegeben, sich noch detaillierter mit dem Zielunternehmen auseinanderzusetzen, sowohl was die Managementseite angeht als auch später in der Due Diligence. Außerdem werden mehr kreative Dealstrukturen umgesetzt. Zum Beispiel kann der Verkäufer einen Teil seines Erlöses reinvestieren, also nach dem Verkauf als Minderheitsaktionär an Bord bleiben oder ein Verkäuferdarlehen geben. Dessen Verzinsung wird in der Regel vom künftigen Unternehmenserfolg abhängig gemacht. Gleiches gilt für Earn-outs, mit denen ebenfalls weit auseinanderliegende Bewertungsvorstellungen überbrückt werden können.
Welche Faktoren sind für Sie entscheidend, wenn es darum geht, den richtigen Zeitpunkt für einen Exit zu bestimmen?
Wenn wir ein Unternehmen erwerben, werden wir Eigentümer auf Zeit. Wir erstellen dann zusammen mit dem Management einen strategischen Plan, der sich am von uns identifizierten Potenzial orientiert. Wo wollen wir in zwei, drei, vier oder in fünf Jahren stehen? Welche Initiativen wollen wir dafür anstoßen? Was wollen wir verändern? Wo wollen wir zukaufen? Diese Themen werden nach und nach abgearbeitet, bis wir irgendwann den Punkt erreicht haben, an dem wir wieder verkaufen wollen. Mal erreichen wir ihn schneller als ursprünglich geplant, mal etwas später. Ausschlaggebend kann zum Beispiel sein, dass größere Zukäufe anstehen, nach denen das Unternehmen eine Größe hat, die nicht mehr in unseren Fonds passt. Wir schauen uns an, welche Unternehmen sich gut entwickelt haben, um sie wieder zu verkaufen, und welche strategischen Interessen zu berücksichtigen sind. Und schließlich spielt auch die Nachfrage nach unseren Portfoliofirmen eine Rolle, zum Beispiel seitens Strategen und Finanzinvestoren, die Interesse an einem unserer Unternehmen haben. Daneben gibt es ähnlich wie bei Börsengängen auf dem M&A-Markt Zeitfenster, in denen sich ein Exit mehr lohnt. Das hängt zum Beispiel vom Marktausblick und/oder vom regulatorischen Umfeld ab.
Gibt es Branchen, in denen Exits aktuell besonders interessant sind?
Attraktive Exitmöglichkeiten bietet im Moment insbesondere der Dienstleistungssektor. Hier gibt es für Käufer weiterhin große Entwicklungschancen, etwa durch Konsolidierungsmaßnahmen, die dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Grundsätzlich aber kommt es derzeit weniger auf die Branche als vielmehr auf das Unternehmensprofil an. Beste Karten haben Firmen, die über eine exzellente und stabile finanzielle Historie verfügen, die trotz Marktverwerfungen konsistent gewachsen sind und ihr Margenprofil verteidigt oder sogar ausgebaut haben. Diese Unternehmen werden in einem unsicheren Umfeld als sichere Häfen angesehen. Die Käufer möchten sich sagen können: Ich kann gut damit leben, dass es ein Jahr mal nicht so gut läuft, dass mein Unternehmen etwas langsamer wächst. Aber ich werde kein Jahr erleben, in dem der Gewinn plötzlich um 30% sinkt.
Wie stark beeinflusst das Managementteam des Unternehmens den Exitzeitpunkt?
Die Manager sind als Minderheitseigentümer immer Teil des Ganzen. Wir nehmen das Team auf der gesamten Reise bis zum Exit mit. Hier ist eine gute Vorbereitung das A und O. Wir sprechen mit dem Management frühzeitig alle Schritte ab, stellen ein Team für die Verkaufsbegleitung zusammen und bauen einen Datenraum auf. Das bedeutet gerade in der Due-Diligence-Phase erhebliche Arbeit, ist aber wichtig, um konsistente Daten und überzeugende Argumente zu haben. Schließlich will ich nachweisen können, wie ich beispielsweise mit gestiegenen Energiekosten umgegangen bin und diese ohne großen Volumenverlust weitergegeben habe.
Bitte geben Sie uns doch einen Einblick in Ihre gängigen Bewertungsmethoden bei einem Exit.
Bei der Bewertung unserer Fonds und Assets folgen wir den internationalen Private-Equity-Richtlinien. Da gibt es klare Vorgaben. Wir schauen uns zudem öffentlich verfügbare Benchmarks an und die Multiplikatoren, zu denen Transaktionen abgeschlossen wurden. Das adjustieren wir bezüglich des jeweiligen Unternehmens, das möglicherweise kleiner ist, eine niedrigere oder höhere Marge aufweist. Wenn wir ein Unternehmen erwerben, analysieren wir den Geschäftsplan und die zukünftigen Möglichkeiten. Dafür nutzen wir unsere Sektorexpertise, unsere Fachleute, mit denen wir beispielsweise das Internationalisierungs- und Margenpotenzial erarbeiten.
Bei einem Exit macht sich der Käufer diese Arbeit ebenso. Klar ist: Bei der Bewertung eines Unternehmens gibt es nicht die eine Wahrheit, sondern unterschiedliche Methoden, unterschiedliche Brillen, durch die man schauen kann. Das führt häufig zu abweichenden Bewertungen und nicht selten zu einem Scheitern des geplanten Deals. Deswegen ist für mich der entscheidende Erfolgsfaktor bei einem Exit, den Nachweis führen zu können, dass das Unternehmen in der Vergangenheit eine Evidenz geschaffen hat, die auch für künftige Erfolge eine Basis darstellt und sich in einen sinnvollen und nachvollziehbaren Geschäftsplan überleitet.
Können Sie uns ein Beispiel eines erfolgreichen Exits aus Ihrem Portfolio und Schlüsselfaktoren für den Erfolg nennen?
Anfang April haben wir das norwegische Unternehmen Norstat verkauft, das wir seit unserer Übernahme 2019 zu einer marktführenden Plattform für die Sammlung von Verbraucherdaten für Marktforschungen entwickelt hatten. Wir hatten unter anderem den Vertrieb ausgebaut, das Geschäft durch sieben strategische Akquisitionen internationalisiert und neue digitale Lösungen eingeführt. Dadurch waren Umsatz und Margen gewachsen. So war eine Basis entstanden, die eine evidenzbasierte Weiterführung des erfolgreichen Weges ermöglicht. Das war der Schlüsselfaktor, ähnlich wie bei der Norres Baggerman Gruppe im Jahr zuvor. Wir konnten in fünf Jahren den Eigenkapitalwert des Unternehmens annähernd versiebenfachen.
Wie wird sich der Exitmarkt in den nächsten Jahren entwickeln?
Die Situation wird sich normalisieren, wir werden wieder mehr Unternehmensverkäufe sehen: zum einen, weil Private-Equity-Gesellschaften naturgemäß verkaufen müssen, zum anderen, weil es gilt, Unternehmensnachfolgen zu lösen. Zudem gibt es viel Eigenkapital am Markt; so mancher strategische Käufer sitzt auf hohen Bargeldbeständen. Der Fokus wird auf dem Unternehmensprofil liegen, auf den Fragen nach Margen und Wachstumsmöglichkeiten. Ab 2025 wird es wohl etwas einfacher sein, diese Fragen zu beantworten, weil in den Finanzdaten aus 2022 und 2023 noch viele Sondereffekte enthalten sind. Zu den Unsicherheitsfaktoren gehören die geopolitischen Verwerfungen und auch der Ausgang der US-Wahlen mit den Konsequenzen für die künftige Außenhandelsstrategie. Wenn hier mehr Klarheit herrscht, wissen Verkäufer, Käufer und Beteiligungsgesellschaften besser, wie sie sich aufstellen müssen.
Wir danken Ihnen für diese interessanten Einblicke!
Das Interview führte Jürgen Hoffmann.
👉 Dieser Beitrag erschien in der aktuellen Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2024. mit den Schwerpunkten “Unternehmensverkauf/M&A/Private Equity”.
ZUR PERSON
Andi Klein ist Managing Partner und Head of TSM bei der deutsch-schwedischen Private-Equity-Gesellschaft Triton Partners. Bevor er 2009 zu Triton Partners wechselte, war der studierte Betriebswirt elf Jahre lang in führender Position bei Procter & Gamble beschäftigt. Seit der Gründung im Jahr 1997 hat Triton Partners zehn Fonds aufgelegt, darunter die beiden Mittelstandsfonds, und sich auf Unternehmen in den Sektoren Industrie und Technologie, Dienstleistungen, Konsumgüter und Gesundheitsweisen fokussiert.
Jürgen Hoffmann
Nach mehreren Stationen in Redaktionen (u.a. „Bild am Sonntag“) und in der Wirtschaft (u.a. Digital Equipment) arbeitete Jürgen Hoffmann als Agenturchef (1997- 2009). Seither ist er als freier Autor für Publikationen wie Die Welt, FAZ, Tagesspiegel, Deutsche Welle und SZ tätig.