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„Es hat mich gereizt, in der eigenen Firma umzusetzen, was ich in Konzernen gelernt habe“

Vom Konzern ins Familienunternehmen: Im Alter von 45 Jahren hat Christine Bruchmann ihre hochdotierte Position als Geschäftsführerin bei Randstad aufgegeben, um an die Spitze des väterlichen Unternehmens zu treten. Die Fürst Gruppe in Nürnberg ist auf klassische Gebäudereinigung, Sicherheitsdienste, Zeitarbeit und Outsourcing spezialisiert. Im Interview spricht Bruchmann über ihre Motive, den großen Veränderungsprozess im Unternehmen sowie ihre Zukunftsvision.

Unternehmeredition: Frau Bruchmann, im Jahr 1906 hatte der Kaufmann Moritz Fürst die Firma Fürst gegründet, 1920 folgte der Einstieg in die Großflächenreinigung. Wie kam das Unternehmen in Ihren Familienbesitz?

Bruchmann: 1969 hat mein Vater Manfred Kaiser die Moritz Fürst GmbH & Co. KG vom Enkel des Gründers übernommen. Er war Handelsvertreter für Reinigungsmittel und -maschinen und hatte hohe Forderungen gegenüber dem Betrieb, der damals kurz vor der Insolvenz stand. So wurde mein Vater zum Unternehmer. Er hat die Firma groß und profitabel gemacht und hat vor 29 Jahren die Fürst Sicherheitsdienst GmbH gegründet. Die Zahl der Mitarbeiter ist seit seiner Übernahme von 30 auf 3.600 im Jahr 2005 gestiegen, dem Jahr meines Einstiegs bei Fürst.

Unternehmeredition: Sie sind erst relativ spät zum 1.1.2005 als geschäftsführende Gesellschafterin ins Unternehmen eingestiegen. Wann war für Sie klar, dass Sie das unternehmerische Erbe antreten werden?

Bruchmann: Für mich war der Einstieg ins Familienunternehmen ursprünglich nicht vorgesehen, denn meine ältere Schwester war für die Nachfolge auserwählt. So nahm ich mein Glück selbst in die Hand. Nach meinem BWL-Studium arbeitete ich 20 Jahre in Managementpositionen in internationalen Konzernen, u.a. als Key Account Director bei Gillette und zuletzt als Geschäftsführerin Vertrieb beim Zeitarbeitsunternehmen Randstad. Erst nachdem meine Schwester 2003 überraschend aus dem Familienbetrieb austrat, kam mein Vater auf mich zu und fragte mich, ob ich die Firma übernehmen möchte. Vorher stand dieses Thema für mich nie zur Debatte.

Unternehmeredition: Was hat Sie davon überzeugt, die hart erarbeitete Geschäftsführerposition bei Randstad aufzugeben und ins Familienunternehmen zu wechseln?

Die Fürst Gruppe ist auf Sicherheitsdienste…

Bruchmann: Die Entscheidung war für mich nicht so leicht, nach 20 Jahren Managementerfahrung in Großkonzernen und im Alter von 45 Jahren an die Spitze unseres Familienunternehmens zu wechseln. Ich habe gezögert, weil ich das bisher hervorragende Verhältnis zu meinem Vater nicht durch die Vermischung von Beruf und Privatleben gefährden wollte. Aber es hat mich gereizt, in einer eigenen Firma das umzusetzen, was ich in Konzernen gelernt hatte – in eigener Verantwortung und ohne Fremdbestimmung. Als Konzernmanager ist man in seinen Entscheidungen nicht wirklich frei, es gibt sehr vieles abzustimmen und abzusichern und vieles ist politisch geprägt. Aus finanzieller Sicht war es bisher ein schlechter Tausch. Mein Einkommen ist im Vergleich zu Randstad sehr reduziert. Ich musste in den vergangenen Jahren und auch heute sehr hart arbeiten, um in dieser umkämpften Branche halbwegs passable Renditen zu erzielen. Es ist sicher einfacher, Vermögen zu erben als ein Unternehmen, das man durch schwierige Zeiten führen muss. Man ist letztendlich für alles verantwortlich. Die Jahre waren hart, aber ich bin kämpferisch und identifiziere mich stark mit meiner Aufgabe. Wichtig ist für mich, dass das Unternehmen langfristig erhalten bleibt und nachhaltig gute Perspektiven hat.

Unternehmeredition: Was waren für Sie die wichtigsten Voraussetzungen für die Nachfolge und die wesentlichen Schritte der Übergabe?

Bruchmann: Eine wichtige Voraussetzung war, dass meine Geschwister und die Frau meines Vaters einen Pflichtanteilsverzicht unterschreiben, um mögliche Interessenkonflikte mit der Familie im Erbfall auszuschließen. Wir waren uns in der Familie immer einig, dass das Unternehmen als Ganzes erhalten bleiben sollte, und mein Vater hat eine gute Lösung für alle gefunden. Er hat vor der Übergabe alle wesentlichen Vermögenswerte aus der Firma herausgenommen, darunter z.B. auch den gesamten Immobilienbesitz. So haben Familienmitglieder zwar auf das Unternehmen verzichtet, sind aber finanziell gut abgesichert. Für mich ist dadurch allerdings das unternehmerische Risiko deutlich gestiegen. Ich musste mit einer sehr niedrigen Eigenkapitalquote starten und erstmals Bankkredite aufnehmen, ein Novum in der Firmengeschichte der letzten 40 Jahre. Schließlich habe ich mit einem Unternehmensanteil von 9% angefangen, der später auf 43% und 2008 auf 100% aufgestockt wurde. Die Fürst Sicherheit gehört heute noch meinem Vater. 2005 und 2007 habe ich dann mit der Fürst Personaldienstleistungen GmbH und der Fürst Outsourcing GmbH zwei eigene Firmen gegründet.

Unternehmeredition: Was waren Ihre wichtigsten Veränderungen, die Sie nach der Übernahme der Geschäftsführung durchgeführt haben? Was haben Sie anders gemacht als Ihr Vater?

… sowie auf klassische Gebäudereinigung, Zeitarbeit und Outsourcing spezialisiert. Bilder: Fürst Gruppe

Bruchmann: Als mein Vater die Firma in den 70er und 80er Jahren aufgebaut hat, war Goldgräberstimmung in der Reinigungs- und Sicherheitsbranche. Er hat hart gearbeitet und sehr gut verdient. Zu seiner Zeit verfolgte er einen patriarchalischen Führungsstil und er handelte nach der Devise: Ich muss als Unternehmer alles wissen, alles vormachen können, und was ich nicht kenne, wird nicht eingeführt. Ich habe großen Respekt vor seiner Lebensleistung. Ich kam 2005 zu einer schwierigen Zeit ins Unternehmen, als die Wettbewerbsintensität in der Gebäudereinigungsbranche stark zunahm. Und was in den Aufbaujahren funktionierte, entsprach 2005 nicht mehr dem aktuellen Standard. Eine große Herausforderung war für mich, die total veraltete EDV in ein modernes EDV-Zeitalter zu führen, eine Corporate Identity zu entwickeln, Führungsprozesse zu installieren und moderne Managementmethoden einzuführen. Dieser Change-Prozess gestaltete sich äußerst schwierig. Viele langjährige Führungskräfte wollten oder konnten den neuen Weg nicht mitgehen. Glücklicherweise arbeite ich mit dem technischen Geschäftsführer, Peter Weiß, der seit 25 Jahren im Unternehmen ist, hervorragend zusammen und ich konnte Top-Mitarbeiter von Wettbewerbern für mich gewinnen. Und das hat mich letztlich in den Jahren der Rückschläge und auch der Diskussionen mit meinem Vater getragen. Meine Mitarbeiter freuen sich, Entscheidungsspielräume zu haben – zur Zeit meines Vaters musste alles über seinen Tisch gehen. Als ich angetreten bin, dachte ich, der Veränderungsprozess kann nach drei bis vier Jahren beendet sein – letztendlich hat er doppelt so lange gedauert und war erst letztes Jahr endgültig abgeschlossen. Natürlich gab es viele Reibungsverluste. Doch ich hatte eine klare Vision und wusste, wenn ich sie nicht konsequent umsetze, dann werde ich scheitern.

Unternehmeredition: Wie hat Ihr Vater auf diesen Veränderungsprozess reagiert?

Bruchmann: Mein Vater hatte wenig Verständnis für die erforderlichen Veränderungen. Er war ja mit seiner Vorgehensweise 35 Jahre lang sehr erfolgreich gewesen. Erschwerend für mich kam hinzu, dass in der Wirtschaftskrise 2008/2009 erstmals Verluste eingefahren wurden. Die Kunden reduzierten Reinigungsleistungen und -turnusse und erwarteten Preisreduzierungen, um ihrerseits die Krise besser zu überstehen. Der Preiskampf war dramatisch. Man kann sagen, mein Vater konnte 35 Jahre lang ohne große Probleme profitabel seinem Geschäft nachgehen. Ich habe die Nachfolge in schwierigen Zeiten angetreten und musste sehr vieles restrukturieren, um überhaupt überlebensfähig zu bleiben. Aber aus seiner Sicht war er der erfolgreiche Unternehmer und ich gebe nur Geld aus. Wenn ich mich über meinen Vater manchmal etwas hart geäußert habe, ändert das nichts daran, dass ich auch Verständnis für ihn habe und ihn als meinen Vater liebe und ihm sehr zugetan bin.

Unternehmeredition: Welches Fazit ziehen Sie heute, wie sind die Bereiche aufgestellt und wie ist die Geschäftsentwicklung?

Bruchmann: Nach dem harten Umbau der letzten Jahre sind viele Hindernisse beseitigt, neue Prozesse implementiert und neue Mitarbeiter eingearbeitet, sodass wir heute gut aufgestellt sind. Aktuell beschäftigen wir 4.350 Menschen aus 46 Nationen, davon 70% Frauen, viele in Teilzeit. Die Aussichten für dieses und nächstes Jahr sind insgesamt gut. Das Wachstum im wichtigsten Geschäftsbereich, der Gebäudereinigung, die 65% des Geschäftes ausmacht, ist moderat und nicht so hoch wie bei manchem Wettbewerber, der sich Umsatz durch niedrige Preise erkauft. Wir legen Wert auf profitables Wachstum, auf nachhaltige Kundenbeziehungen und haben bei unseren Kunden ein sehr gutes Image. Die Bereiche Personaldienstleistung und Outsourcing machen zusammen 25% aus. In der Zeitarbeit werden wir dieses Jahr leicht schrumpfen. Die Nachfrage für einfache Tätigkeiten geht zurück, da diese sich durch die im November 2012 eingeführten Branchenzuschläge zum Teil sehr verteuert haben. Großes Wachstumspotenzial sehe ich bei der margenträchtigeren Überlassung von hochqualifizierten Mitarbeitern. Immer mehr Unternehmen überlassen Personaldienstleistern die Spezialistensuche, testen die Mitarbeiter über Zeitarbeit und übernehmen diese dann bei entsprechender Eignung. Weiter ausbauen wollen wir auch das aktuell kleine Geschäftsfeld Outsourcing.

Unternehmeredition: Welche Zukunftsvision verfolgen Sie? Welche Gedanken haben Sie sich über Ihre eigene Nachfolge gemacht?

Bruchmann: Ich habe das Ziel, das Unternehmen in spätestens zehn Jahren, mit Anfang 60, zu übergeben. Nächstes Jahr möchte ich einen Beirat installieren, der den Nachfolgeprozess begleiten soll. Ein Nachfolger steht noch nicht fest. Mein Wunsch wäre ein Familienmitglied, idealerweise mein Sohn Jan. Er ist 19 Jahre alt und studiert BWL. Nach dem Studium sollte er aber zunächst einige Jahre Erfahrungen in einem anderen Unternehmen sammeln, erste Karriereschritte machen und eine eigene Persönlichkeit entwickeln, bevor er ins Familienunternehmen eintritt. Ein weiteres Ziel ist, die Fürst-Gruppe geografisch breiter aufzustellen. Bisher sind wir in Bayern, Sachsen und Thüringen mit 15 Niederlassungen vertreten und haben vor, nach Baden-Württemberg und eventuell Österreich zu expandieren. Außerdem möchte ich bis 2023 den Umsatz verdoppeln. Dabei hat gesundes profitables Wachstum oberste Priorität.

Unternehmeredition: Frau Bruchmann, vielen Dank für das offene Gespräch!

Das Interview führte Markus Hofelich.
markus.hofelich@unternehmeredition.de

Kurzprofil: Fürst Gruppe
Gründungsjahr: 1906
Branche: Reinigung, Sicherheit, Zeitarbeit
Unternehmenssitz: Nürnberg
Mitarbeiterzahl: 4.350 Mitarbeiter
Umsatz (2012 oder 2011): 60,0 Mio. EUR
Internet: www.fuerst-gruppe.de

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