Erbschaftsteuerreform: jetzt an die Nachfolge denken!

Unternehmen sollten Nachfolgeregelungen möglichst zeitnah in die Wege leiten

Diskussionen über Ausgabenkürzungen, sowie Debatten über eine Reform der Erbschaftsteuer haben an Fahrt aufgenommen.
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Angesichts erheblicher Finanzierungslücken im Staatshaushalt 2025 und den Folgejahren ist die Diskussion im politischen Berlin um Ausgabenkürzungen aber auch um höhere Steuern in vollem Gange. Auch die Debatten über eine Reform der Erbschaftsteuer haben an Fahrt aufgenommen. Zudem liegen dem Bundesverfassungsgericht die derzeit bei Übertragung von Betriebsvermögen vorgesehenen erbschaftsteuerlichen Begünstigungen zur verfassungsrechtlichen Überprüfung vor. Ob und was sich daraus für anstehende Nachfolgeregelungen schließen lässt, besprechen wir mit Nadja Kuner, Rechtsanwältin, Steuerberaterin und Partner bei RSM Ebner Stolz in Stuttgart.

Unternehmeredition: Starten wir mit dem Vorlagebeschluss beim Bundesverfassungsgericht. Warum stehen die derzeit geltenden Regelungen zur erbschaftsteuerlichen Begünstigung von Betriebsvermögen erneut in der verfassungsrechtlichen Kritik?

Nadja Kuner: Die aktuelle Kritik resultiert aus einer Verfassungsbeschwerde eines Erben, der neben Immobilienvermögen ein Wertpapierdepot von seiner verstorbenen Tante erbte, welches sich in deren Privatvermögen befand. Der Erbe möchte erreichen, dass sein Erwerb des Wertpapierdepots ebenso wie der Erwerb von Betriebsvermögen steuerbefreit wird. Inhaltlich liegt somit ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde, wie der seinerzeit bei dem BVerfG-Urteil aus dem Jahr 2014.

Ist denn mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Kürze zu rechnen?

Das Verfahren wird beim Bundesverfassungsgericht auf der Liste der 2025 zu behandelnden Verfahren geführt. Es besteht aber keine Garantie, dass noch im Laufe des Jahres 2025 eine Entscheidung ergehen wird. Darüber hinaus ist anzumerken, dass das Bundesverfassungsgericht in dem derzeit vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht die Verfassungswidrigkeit der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Regelungen selbst überprüft, sondern ob der BFH durch die Nichtzulassung der Revision den Rechtsschutz des Erben verletzt hat. Sofern das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde als zulässig und begründet ansieht, würde das Verfahren an den BFH zurückverwiesen werden und letztlich zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit erneut vorgelegt werden können.

Eine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Betriebsvermögensprivilegien steht somit im aktuellen Verfahren nicht an, es ist jedoch eine dahingehende Feststellung des Bundesverfassungsgerichts über die Brücke des Steuertarifs, der einheitlich auf Erwerbe von Privatvermögen und Betriebsvermögen anzuwenden ist, in einem obiter dictum möglich. Sollten die aktuellen Regelungen als verfassungswidrig eingestuft werden, ist jedoch davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht wie auch schon in dem Urteil aus dem Jahr 2014 wieder eine Übergangsfrist festlegt. Während dieses Zeitraums müsste eine Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer durchgeführt werden. Bis zur Umsetzung dieser Reform werden die bisherigen Regelungen zur Begünstigung von Betriebsvermögen voraussichtlich bestehen bleiben.

Lohnt sich eigentlich die politische Diskussion um die Erbschaftsteuer? Wie viel Geld wird denn hierdurch in die Kassen des Staates gespült?

Die Steuereinnahmen im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer sind mit 1,4 % des Gesamtsteueraufkommens gering – im vergangenen Jahr haben die Finanzämter 13,3 Mrd. EUR Erbschaft- und Schenkungsteuer eingefordert, das sind 12,3 % mehr als im Vorjahr. 8,5 Mrd. EUR stammen aus Erbschaften, 4,8 Mrd. EUR aus Schenkungen. Demgegenüber beliefen sich die Steuereinnahmen aus der Einkommensteuer 2024 auf rund 50 Mrd. EUR. Hinzu kommen noch die Einnahmen aus der Lohnsteuer in Höhe von knapp 249 Mrd. EUR.

Welche Kritikpunkte werden denn seitens der Politik am bestehenden Erbschaft- und Schenkungsteuersystem vorgebracht?

Kritisiert wird insbesondere die ungerechte Vermögensverteilung. Neben den erneut verfassungsrechtlich zu überprüfenden Betriebsvermögensbegünstigungen wird kritisiert, dass große Immobilienvermögen und Stiftungen von zusätzlichen Privilegien profitieren, wodurch Milliardenerbschaften nur marginal besteuert werden. Außerdem wird bemängelt, dass durch internationale Steuerabkommen eine gerechte Besteuerung unterlaufen werden kann.

Wie sehen denn die Pläne der Koalitionspartner in Bezug auf die Erbschaftsteuer aus – und besteht die Möglichkeit, dass in Sachen Erbschaftsteuer eine Einigung erzielt werden kann?

Wenngleich der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU Jens Spahn jüngst Ungerechtigkeiten bei der Vermögensverteilung in Deutschland eingeräumt hat, möchte die Union grundsätzlich die Entscheidung aus Karlsruhe abwarten. Sie ist nach wie vor grundsätzlich vorsichtig bei größeren Veränderungen der Erbschaftsteuer. Bisher spricht sie sich für eine deutliche Erhöhung der Freibeträge aus und setzt sich für die steuerliche Entlastung beim Erbe von Eigenheimen ein. Steuererhöhungen für Wohlhabende und Unternehmer lehnt sie weitgehend ab, möchte aber in moderatem Umfang Reformgespräche aufnehmen.

Die CSU brachte den Vorschlag auf, die Erbschaftsteuer in die Länderverantwortung zu legen – dies wurde jedoch von Bundeskanzler Friedrich Merz zurückgewiesen. Kanzleramtschef Thorsten Frei betonte jüngst, dass insbesondere der Generationenwechsel in Familienunternehmen problematisch sei. Eine harte Verschärfung würde oft zum Verkauf zwingen und das Kapital, das als Steuer abgeführt werde, würde für Investitionen im Bereich der Innovation und Wettbewerbsfähigkeit fehlen. Deshalb ist die Erbschaftsteuer auch immer Strukturpolitik. Die Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat sich gegen eine Anhebung der Erbschaftsteuer ausgesprochen, da jede Steuererhöhung dem Standort schaden würde. Demgegenüber spricht sich die SPD aktuell unter dem Schlagwort des sogenannten Lebensfreibetrags oder dem sogenannten Erbdeckel für einen Systemwechsel bei der Erbschaftsteuer aus.

Anders als im geltenden Recht, wonach die erbschaftsteuerlichen Freibeträge von beispielsweise 400.000 EUR bei Übertragung von einem Elternteil auf ein Kind, alle zehn Jahre erneut genutzt werden können, soll mit einem Lebensfreibetrag jeder Mensch einmalig im Leben eine größere Summe steuerfrei geschenkt oder vererbt bekommen können, darüberhinausgehende Erwerbe sollen konsequent besteuert werden. Zudem fordert die SPD die Abschaffung von Privilegien für Großvermögen, insbesondere für Unternehmens- und Stiftungsvermögen. Die SPD will konsequent gegen Steuerumgehung vorgehen und diskutiert eine Mindestbesteuerung für große Vermögen mit der Möglichkeit zur Stundung im Bereich von Familienunternehmen. Insbesondere der Vizekanzler Lars Klingbeil will die Erbschaftsteuer erhöhen und so mindestens 10 Mrd. EUR mehr einnehmen.

Die Positionen der Koalitionsparteien liegen also weiterhin weit auseinander, so dass es wahrscheinlich sein dürfte, dass es in der aktuellen Legislaturperiode erst zu einer Einigung kommt, wenn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorliegt.

Ist bei Ihren Mandanten denn eine Verunsicherung zu spüren und welche Empfehlungen geben Sie grundsätzlich im Hinblick auf Nachfolgen?

Die Diskussionen um eine mögliche Reform der Erbschaftsteuer werden in der Mandantschaft wahrgenommen und führen zu Fragen über den richtigen Zeitpunkt für eine Nachfolge aus steuerlichen Gesichtspunkten. Wir raten dazu, die Erbschaft- und Schenkungsteuer zwar als wichtigen Aspekt, aber nicht als einzigen entscheidenden Faktor für die Nachfolgeregelung zu betrachten. Die aktuellen Diskussionen machen jedoch deutlich, dass es eher zu Verschärfungen, u. a. zu einer Reduzierung der Begünstigungen bei der Übertragung von Betriebsvermögen kommen wird.

Mit einer steuerlichen Verbesserung ist keinesfalls zu rechnen, eher mit weiteren Verschärfungen. Deshalb kann man aus steuerlicher Sicht durchaus sagen: Wenn nicht jetzt, wann dann. Es ist aber sehr wichtig, die unternehmerische Nachfolge strukturiert und mit Bedacht vorzubereiten und sich insbesondere aufgrund der aktuellen Entwicklungen mit dem Thema auseinanderzusetzen. Deshalb sollte man die Zeit nutzen, um steueroptimale Übertragungsmöglichkeiten auf die nächste Generation zu schaffen, um nicht überstürzt Nachfolgregelungen treffen zu müssen.

Wie sollte man eine Nachfolge im unternehmerischen Bereich vor dem Hintergrund eines gewissen Zeitdrucks dann angehen?

Es ist zu berücksichtigen, dass eine sorgfältig geplante Unternehmensnachfolge einen gewissen zeitlichen Vorlauf erfordert. Besonders im Hinblick auf die steuerliche Optimierung der Nachfolge ist es notwendig, die Unternehmensanteile zu bewerten und gegebenenfalls das Vermögen des Unternehmers vorab zu strukturieren. In der Regel beträgt die dafür benötigte Vorbereitungszeit mindestens sechs Monate. Durch ein frühzeitiges Nachdenken über die Vermögensnachfolge können derzeit noch bestehende steuerliche Vergünstigungen optimal genutzt werden. Unternehmern, die ohnehin in den kommenden Jahren eine Unternehmensnachfolge angestrebt hatten, ist daher zu empfehlen, sich umgehend mit einer möglichen Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer auseinandersetzen und die zeitliche Umsetzung zu überdenken.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Eva Rathgeber.


ZUM INTERVIEWPARTNER

Nadja Kuner ist Rechtsanwältin, Steuerberaterin und Partnerin bei RSM Ebner Stolz in Stuttgart. Sie berät seit vielen Jahren mittelständische und familiengeführte Unternehmen in steuerrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Fragen, insbesondere zur Unternehmensnachfolge und Vermögensstrukturierung.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen.

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