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Einstieg in die Kapitalmarktfinanzierung

Schuldscheindarlehen eignen sich zur langfristigen Kapitalbeschaffung, sind unbürokratisch in der Handhabung und flexibel in der Ausgestaltung. Bei großen Firmen boomen Schuldscheindarlehen schon lange, mittlerweile ziehen immer mehr mittelständische Unternehmen nach. 

 Noch vor wenigen Jahren betrachteten viele mittelständische Unternehmen den Gang an den Kapitalmarkt als eher exotisches Unterfangen. Für die Unternehmensfinanzierung wurden Kredite bevorzugt, und nur wenige große Mittelständler nutzten die Fremdkapitalaufnahme per Schuldscheindarlehen oder Anleihe. Entsprechend niedrig war etwa das Emissionsvolumen dieser Emittenten am Schuldscheinmarkt. Im Jahr 2007 lag es bei 800 Mio. Euro. Zum Vergleich: Das Gesamtvolumen am Corporate-Schuldscheinmarkt betrug im gleichen Jahr etwa 5,5 Mrd. Euro.

Im Jahr 2016 hatte sich das Emissionsvolumen mittelständischer Schuldscheine mehr als versechsfacht und lag bei 5,1 Mrd. Euro. Im gleichen Zeitraum wuchs auch die Nachfrage nach Corporate-Schuldscheindarlehen stark an und erreichte einen neuen Rekord: Mit einem Brutto-Neuemissionsvolumen in Höhe von 26,7 Mrd. Euro konnte die bisherige Bestmarke aus dem Vorjahr (19,3 Mrd. Euro) deutlich übertroffen werden.

Schuldscheindarlehen liegen im Trend

Die Gründe für die zunehmende Aufnahme von Schuldscheindarlehen in den Finanzierungsmix sind vielfältig: Mittelständische Unternehmen können dadurch ihre Kapitalbasis verbreitern, die Abhängigkeit von Bankkrediten verringern oder erste Schritte in Richtung Kapitalmarkt gehen. Zudem sind Schuldscheindarlehen in der Regel unbesichert, d.h., Sicherheiten können anderweitig eingesetzt werden.

Die Ausgestaltung der Schuldscheindarlehen bietet ein hohes Maß an Flexibilität: Emissionen können in Tranchen mit fixen und variablen Kupons aufgeteilt werden. Fremdwährungen, auch in Teilbeträgen, sind ebenfalls möglich. Das erzielbare Volumen kann von kleinen Größen (20 bis 30 Mio. Euro) bis zu Volumina im Milliardenbereich variieren. Die Laufzeiten können unterschiedlich gestaltet werden, von Kurzläufern (zwei bis drei Jahre) bis hin zu zehnjährigen Emissionen. Bei Emittenten mit guten Bonitäten sind sogar noch längere Laufzeiten möglich.

Schuldscheindarlehen eignen sich zur langfristigen Kapitalbeschaffung, sind unbürokratisch in der Handhabung und flexibel in der Ausgestaltung. Bei großen Firmen boomen Schuldscheindarlehen schon lange, mittlerweile ziehen immer mehr mittelständische Unternehmen nach. 

Schuldscheindarlehen sind nicht öffentliche, nicht gelistete bilaterale Darlehensverträge zwischen Emittent und Investor. Investoren sind meist Banken und Sparkassen sowie Versicherungsgesellschaften, Pensionskassen oder mittlerweile vermehrt internationale Investoren. Viele Emittenten profitieren davon, dass Schuldscheine die unternehmerische Unabhängigkeit stärken, da eine breite Investorenbasis an die Stelle eines einzelnen Kreditgebers tritt.

Anders als bei Anleihen gibt es keinen liquiden Sekundärmarkt, die Investoren halten in der Regel ihr Investment über die gesamte Laufzeit („Buy and Hold“). Die Vertragsdokumentation ist denkbar schlank: In der Regel hat sie einen Umfang von nicht mehr als 20 Seiten, und es ist auch kein externes Rating erforderlich. Für den Mittelstand kann die Emission eines Schuldscheines also eine interessante Alternative oder Ergänzung zum Kredit darstellen. Der bürokratische Aufwand ist überschaubar, und im derzeitigen Niedrigzinsumfeld ist die Nachfrage der Investoren nach besser verzinsten Anlagen bei überschaubarem Risiko sehr hoch.

Reif für den Kapitalmarkt?

Unternehmen, die Schuldscheine begeben wollen, sollten einen Mindestumsatz von etwa 300 Mio. Euro haben, damit die Bilanz die entsprechende Kreditaufnahme verkraften kann. Die Finanzabteilung muss über ausreichende Ressourcen verfügen, um die Kommunikation mit den Anlegern („Investor Relations“) nachhaltig gestalten zu können. Anders als bei Anleihen ist ein externes Rating nicht erforderlich, dennoch sind bislang fast alle Emittenten nahe dem Investment Grade einzuordnen. Typische Emittenten sind beispielsweise nicht börsennotierte und nicht geratete Unternehmen aus dem Bereich des (gehobenen) Mittelstands sowie Small- und Mid-Cap-Unternehmen. Eine wichtige Rolle für den Erfolg einer Schuldscheinemission spielt die Auswahl der arrangierenden Banken. Für einen erfahrenen Arrangeur spricht beispielsweise ein überzeugender Track Rekord. Belegt die nachweisbare Erfolgsbilanz doch die Strukturierungskompetenz.


Zur Person

Ralf Woitschig gehört seit Oktober 2014 dem Vorstand der Bayerischen Landesbank an und verantwortet dort das Kapitalmarktgeschäft, die Treasury und das Asset Management.
www.bayernlb.de

 

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