„Schon wieder so ein Schreiben. Ich will doch gar nicht verkaufen.“ Viele Unternehmer reagieren überrascht oder skeptisch, wenn sie unerwartet angeschrieben werden; manchmal drei, vier, fünf Mal pro Woche. Lästig! Doch hier geht es nicht um Nachfolge im klassischen Sinn. Oft steckt ein strategischer Ansatz dahinter, bei dem echter Mehrwert entstehen kann.
„Was, mich will jemand kaufen?“ Viele mittelständische Unternehmer denken bei M&A zunächst an Verkauf, Rückzug oder kühle Investoren im schwarzen Dreiteiler, besonders dann, wenn die Anfrage überraschend kommt. Und oft hören wir zuerst: „Ich will doch gar nicht verkaufen.“ Im zweiten Moment folgt dann das Erstaunen: „Warum gerade wir?“
Doch das Interesse kommt nicht aus dem Nichts. Es ist das Ergebnis intensiver Marktanalyse, struktureller Überlegungen und echtem Branchenverständnis. Es geht nicht um eine klassische Nachfolge, sondern um die Frage: Wo entsteht ein größerer Zusammenhang, wenn sich zwei passende Einheiten verbinden?
Wenn wir als M&A-Berater einen solchen Prozess begleiten, steht der Verkauf nicht an erster Stelle. Es geht um einen Impuls, um neue Optionen sichtbar zu machen. Unternehmer spüren, wenn sich jemand ernsthaft mit ihrem Geschäftsmodell beschäftigt hat und konkrete Antworten auf die Herausforderungen ihrer Branche mitbringt. Die entscheidende Frage ist dann nicht: „Was bekomme ich für mein Unternehmen?“, sondern: „Was können wir gemeinsam noch erreichen?“
Wir führen jedes Jahr Dutzende solcher Gespräche. Unsere Erfahrung zeigt: Die besten Gespräche entstehen, wenn ein Unternehmer erkennt, dass der potenzielle Käufer nicht irgendwer ist. In Family Offices schließen sich zum Beispiel oft erfahrene Unternehmer zusammen, die bereits ähnliche Unternehmen erfolgreich geführt haben, in angrenzenden Märkten aktiv sind oder gezielt nach einer Erweiterung suchen. Solche Fälle sind kein Zufall. Sie sind das Ergebnis strukturierter Suche, sorgfältiger Ansprache und der Bereitschaft, offen und auf Augenhöhe zu sprechen.
M&A als Hebel für etwas Größeres
Der Mittelstand steht unter Handlungsdruck. Neue Technologien, Fachkräftemangel, wachsender Konsolidierungsbedarf. Vorausschauende Unternehmer suchen nicht den Ausstieg, sondern neue Spielräume für Wachstum und Entwicklung.
In Gesprächen mit Unternehmern sagen diese oft: „M&A ist doch nur etwas für Konzerne.“ Tatsächlich ist M&A längst ein strategisches Werkzeug auch für den Mittelstand geworden – und zwar für die Unternehmer, die ihre Zukunft aktiv gestalten wollen, bevor es andere tun. Ob als Plattform, als Ergänzung oder als Integration in ein stärkeres Ganzes: Der richtige Deal beginnt nicht mit der Entscheidung zu verkaufen, sondern mit der Entscheidung, weiterzukommen.
Gerade das zeichnet den deutschen Mittelstand doch aus – Optionen schaffen, Ideen wecken, Kräfte bündeln und vor allem: Kontinuität sichern. Und genau hier liegt die Chance strategischer Partnerschaften. Ein passender Investor bringt nicht nur Kapital mit, sondern meist auch Know-how, operative Ergänzungen, Marktzugänge oder digitale Hebel, die allein nur schwer umzusetzen wären. Entscheidend ist, dass es nicht um die kurzfristige Rendite geht, sondern um einen gemeinsamen Weg.
Ein starker und bewährter Trend in vielen Branchen sind sogenannte Group Builder oder Plattformstrategien, also Investoren, die gezielt Unternehmen zu schlagkräftigen Gruppen verbinden. Dabei geht es nicht nur um Größe, sondern um Substanz. Wer verschiedene Wertschöpfungsstufen, regionale Anbieter oder spezialisierte Betriebe unter einem strategischen Dach vereint, kann Synergien heben, Einkauf bündeln, Digitalisierung ermöglichen und ist äußerst attraktiv für Fachkräfte. Was in der Industrie längst Praxis ist, kommt zunehmend auch im Handwerk an – eben dort, wo viele starke Einzelbetriebe mehr erreichen könnten, wenn sie sich nicht mehr allein behaupten müssten.
Nicht verkaufen – entscheiden
Wenn der Fit stimmt, kulturell, strategisch und menschlich, entsteht kein klassischer Deal, sondern für den Unternehmer der Einstieg in ein neues Kapitel unternehmerischer Gestaltung. Gerade Unternehmer, die sonst alles aus eigener Kraft aufgebaut haben, erleben strategisches M&A als echte Erweiterung ihrer Möglichkeiten. Wer den richtigen Partner findet, sichert nicht nur den Status quo, sondern bringt sich selbst und sein Unternehmen auf ein neues Niveau.
Wie erkenne ich echtes Interesse?
Für viele mittelständische Unternehmer wirkt M&A wie eine fremde Welt voller Fachbegriffe, Pitchdecks und PowerPoint-Folien. Aber eigentlich ist es ganz einfach: Wer echtes Interesse hat, spricht konkret, erläutert seine Ideen, stellt klare Fragen und kennt Ihr Unternehmen besser, als Sie es erwarten. Dieses Vorgehen ist weder neu noch M&A-typisch, es ist unternehmerisch und gehört fest zum Mittelstand. Genau wie Sie prüfen würden, ob ein neuer Kunde, Lieferant oder Partner zu Ihnen passt, dürfen Sie dasselbe auch vom Käufer verlangen.
FAZIT
Wenn Sie als Unternehmer wieder einmal Post von einem möglichen Käufer oder M&A-Berater erhalten, prüfen Sie die Nachricht ruhig kritisch. Sie könnte von jemandem stammen, der sich ernsthaft mit Ihrem Unternehmen und Ihrer Branche beschäftigt hat und echten Mehrwert für Ihre unternehmerischen Herausforderungen mitbringt. Fragen Sie von Anfang an konkret nach: Wer steckt dahinter? Was ist der Plan? Bleiben die Antworten vage, ist es meist nur Marketing. Wenn es aber der richtige Partner mit einem klaren Plan ist, kann daraus ein guter Deal und gemeinsam etwas richtig Großes entstehen. Auch zu Ihrem ganz persönlichen Vorteil.
👉 Dieser Beitrag ist auch in der Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2025 erschienen.





