Die gestaltende Sanierung als Werkzeug zur langfristigen Resilienz

Restrukturierung als Chance zur echten Neuausrichtung

© Blue Planet Studio – stock.adobe.com
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Spätestens seitdem durch die US-Handelspolitik und der damit verbundene Versuch, die Ordnung der Weltwirtschaft neu zu definieren, ein weiterer Risikofaktor besteht, müssen alte Strukturen und Denkmuster neu gedacht werden. Bereits die Zeiten vor den jüngsten zollpolitischen Entwicklungen waren von einer Vielzahl von Unsicherheitsfaktoren geprägt, für die sich in bestimmten Branchen das Wort „Poly-Krise“ oder „Stapelkrise“ etabliert hat.

Wann beginnt die Existenzsicherung? Werkzeuge zur Krisenfrüherkennung

Die verschiedenen Krisenstadien eines Unternehmens sind aus der Literatur gut bekannt. Mit der Bezeichnung der „Liquiditätskrise“ verbinden die meisten – zu Recht – eine Existenzbedrohung. Doch Existenzbedrohung ist nicht mit Existenzsicherung gleichzusetzen. Die Existenzsicherung beginnt bereits deutlich früher – idealerweise weit vor einer Liquiditätskrise. Um echte Existenzsicherung zu betreiben, braucht ein Unternehmen ein funktionierendes und effektives Krisenfrühwarnsystem. Dies wird aktuell von den meisten Unternehmen „stiefmütterlich“ gehandhabt.

Spätestens seitdem durch die US-Handelspolitik, ein weiterer Risikofaktorbesteht, brauchen alte Strukturen und Denkmuster Sanierung.
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Dabei hat auch der Gesetzgeber die Notwendigkeit des Krisenfrühwarnsystems erkannt und mit Inkrafttreten des StaRUG zum 01. Januar 2021 ein solches im §1 für alle Unternehmen verpflichtend vorgeschrieben. Da allerdings die Ausgestaltung des Systems im Gesetz nur
sehr wage umrissen wird, hat das Institut der deutschen Wirtschaftsprüfer (IDW) am 2. Februar 2025 einen Entwurfsstandard 16 (IDW ES 16) veröffentlicht, der die Kernelemente eines Krisenfrühwarnsystems wie folgt umschreibt:

■ Aufbau einer strukturierten Liquiditätsplanung

■ Rollierendes Update (mindestens) der Liquiditätsplanung unter Berücksichtigung kurz-, mittel- sowie langfristige Perspektiven

■ Etablierung eines effizienten Planungsprozesses

■ Abbildung von verschiedenen Szenarien unter Berücksichtigung von quantifizierten Risikofaktoren – insbesondere von echten „Worst-Case“ Betrachtungen

■ Entwicklung von geeigneten Maßnahmen zur Risikominimierung in Abhängigkeit des Szenarios

Unternehmer und Geschäftsleiter, die die Implementierung von Krisenfrühwarnsystemen weiterhin vor sich herschieben, riskieren nicht nur „böse Überraschungen“ sondern sehen sich im Worst-Case auch mit Haftungsrisiken konfrontiert.

Welche Analytik schafft echte Erkenntnis?

Neben der bereits beschriebenen Liquiditätsplanung sollte eine integrierte Unternehmensplanung aufgebaut werden. Um allerdings eine belastbare und erkenntnisgewinnende Unternehmensplanung inkl. verschiedener Szenarien aufbauen zu können, muss das Geschäftsmodell und die Unternehmensstrategie regelmäßig überprüft werden. Denn eine reine Optimierung der Kostenstruktur und somit eine Performance Optimierung, ohne die Geschäftsmechanik zu überprüfen, reicht in der Dynamik der aktuellen wirtschaftlichen Situation nicht mehr aus.

Deshalb müssen potenzielle Risikofaktoren dahingehend bewertet werden, ob diese Ursache oder Treiber einer Krise sein können. Dabei sollte nicht nur der Blick
auf externe Faktoren gelegt werden, sondern der Mut aufgebracht werden, auch interne Strukturen und Faktoren, schonungslos und ehrlich zu bewerten.

Aus dieser Bewertung müssen im ersten Schritt die „Negativauswirkungen“ quantifiziert und in das „Worst- Case“ Szenario aufgenommen werden und im zweiten Schritt geeignete, strategische Gegenmaßnahmen definiert und eingeplant werden. Diese Maßnahmen können – in Abhängigkeit zum potenziellen Bedrohungsgrad – in die Substanz des Unternehmens gehen und somit zu einer harten aber ggfs. notwendigen Neuausrichtung des Geschäfts führen.

Auch wenn dabei voraussichtlich harte Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden müssen, so sichern diese Maßnahmen am Ende die Existenz und können deshalb unabdingbar sein.

„Weil nicht sein kann, was nicht sein darf“ – die Psychologie der Krise bzw. der Sanierung

Liegen erste Anzeichen einer Unternehmenskrise vor – sei es im Bereich der Stakeholderkrise, der Strategiekrise, der Produkt- und Absatzkrise oder der Ergebniskrise – schlägt meist die „Psychologie der Krise“ zu. Krisenanzeichen werden „schöngeredet“, Krisensymptome und Krisentreiber negiert oder ignoriert. Die aktuelle wirtschaftliche Situation wird mit dem Prinzip „Hoffnung“ in einen „gesunden Zukunftszustand“ projiziert – nach dem Motto „in 3 Monaten sieht die Lage schon viel besser aus“.

Dieser psychologische Effekt ist absolut normal und man ist vor diesem auch zu keinem Zeitpunkt sicher. Insbesondere in Familienunternehmen, die auf eine lange Tradition zurückblicken, weiß man aus der Vergangenheit, dass es immer wieder Krisen und „Täler“ gegeben hat. Man weiß aber auch, dass man diese immer auch überstanden hat. Was allerdings bei dieser historischen Bewertung oft vergessen wird, sind die Maßnahmen, die
ergriff en wurden, um ein solche Krise in der Vergangenheit zu überwinden.

In einem höchstdynamischen Umfeld, wie es aktuell herrscht, muss man allerdings auch zur Erkenntnis kommen, dass Konzepte der Vergangenheit oft keine Lösung für die Zukunft sind. Deshalb muss man Lösungen neu denken und neue Lösungen entwickeln. Dabei ist es
wichtig, nicht in der „Inside-Out“ Perspektive zu verharren, sondern in die „Outside-In“ Perspektive zu wechseln. Die Anforderungen und Regularien von außen bestimmen die Neuausrichtung – nur Unternehmen, die sich auf darauf ausrichten, werden langfristig an Resilienz gewinnen.

FAZIT

Um rechtzeitig eine Neuausrichtung im Rahmen einer Unternehmenssanierung einzuleiten, kommt es auf den Zeitpunkt und den damit verbundenen Handlungsspielraum an. Deshalb ist es von elementarer Bedeutung, diesen zu jedem Zeitpunkt zu kennen und die richtigen – vielleicht auch harten – Schlüsse daraus zu ziehen. Je länger man „zuwartet“, desto geringer wird der Handlungsspielraum, der sich maßgeblich durch die Liquidität bestimmt.

Autorenprofil
Daniel Emmrich

Daniel Emmrichist Partner für Restrukturierung und Sanierung bei der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH und Geschäftsführer der Management Link GmbH. Er berät seit mehr als zehn Jahren Unternehmen in Sonder- und Krisensituationen – vom Konzept bis zur Umsetzung. Durch das Tochterunternehmen Management Link GmbH werden zielgerichtet Interimsmanager – meist CROs – zur Sicherstellung der Umsetzung zur Verfügung gestellt. Herr Emmrich hat insgesamt über 80 Restrukturierungs- und Sanierungsprojekte begleitet und verantwortet. Über 90% der Kunden wurden zu einem erfolgreichen Turnaround geführt.

 

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