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„Der Weg zum Vermögenserhalt geht nur über Substanzwerte“

Foto: © AdobeStock_ fotogestoeber

Über Jahre leiteten sie das Family Office der Familie Quandt, Ende 2019 sind mehrere erfahrene Manager dann ausgestiegen, um ein Family Office als Fintech aufzubauen. Mit digitalen Innovationen soll die komplexe Vermögensverwaltung vereinfacht werden. Durch diese erhalten Kunden ein Cockpit, das ihr Gesamtvermögen intuitiv aufbereitet und ihnen Zugriff auf sämtliche Vermögenswerte ermöglicht. Wir sprachen mit Christian Neuhaus, Chief Client Officer bei FINVIA.

Unternehmeredition: Herr Neuhaus, was waren Ihre Beweggründe, ein Family Office als Fintech zu gründen?

Christian Neuhaus: Der größte Teil der Kollegen bei Finvia und der Mitgründer kommt aus dem klassischen Family Office Geschäft. Und was wir dort erlebt haben ist, dass viele Leute nicht wissen, was sich hinter dieser Dienstleistung überhaupt versteckt. Uns ist klar geworden, dass diese Family Office Services mit ihrer unabhängigen, ganzheitlichen und individuellen Beratung das sind, was alle Vermögenden suchen: eine effiziente, individuelle und unabhängige Orchestrierung ihres Gesamtvermögens. Aufgrund der technologischen Beschränkung war es jedoch lange Zeit nicht möglich, diese Dienstleistung einem großen Kreis von Menschen anzubieten. Jetzt kommt noch die Technologie ins Spiel: über die Digitalisierung lassen sich effizientere Prozesse schaffen und über diese kann man diese Dienstleistung auch mehr Leuten anbieten. Wir sind da tatsächlich Pionier. Es gibt zwar Family Offices auf der einen und Robo Advisors auf der anderen Seite, aber was das Zusammenspiel angeht, einerseits holistisch ganzheitliche Beratung und andererseits moderne Technik, das gibt es so noch nicht.

Welche Mehrwerte bietet ein Family Office im Vergleich zu einer Bank bei der Vermögensverwaltung?
Dem liegen zwei Entwicklungen zugrunde. Zum einen sind die Vermögen immer fragmentierter geworden. In den 60er oder 70er Jahren hatte man seine Hausbank und hat mit dieser in Aktien, Renten und Gold investiert, das war’s. Heutzutage besitzt der durchschnittliche Vermögende nicht nur eine Bankbeziehung, sondern er hat daneben geschlossene Fonds, Immobilien, Unternehmensbeteiligungen u.v.m., und diese Komplexität können eine Bank oder ein Vermögensverwalter allein nicht auflösen.

Zum anderen hat die Nachfrage nach Family Office Dienstleistungen spätestens seit der Finanzkrise noch einmal sehr stark zugenommen hat. Mit der Finanzkrise ist ein sehr großer Vertrauensbruch gegenüber den Banken erfolgt, da diesen oft vorgeworfen wurde, dass sie vor allem einen Produktvertrieb aus Eigeninteresse verfolgen. Hinzu kommt, dass medienweit bekannte Exzesse aus dem Investment Banking generalisiert auf die gesamte Bankenbranche projiziert wurden.

Das sind die zugrunde liegenden Tendenzen und hier kommt jetzt das Family Office ins Spiel. Das heißt, dass wir im Grunde die Dirigenten des Vermögens unserer Kunden sind. Wir bringen verschiedene Anlageoptionen oder Klanggebilde zu einer Sinfonie zusammen. Beim Family Office ist es so, dass man keine eigenen Produkte und einen möglichst breiten Instrumentenkasten hat. Und man setzt sich nun mit dem Kunden hin und ergründet, was das Anlageziel ist, was mit dem Vermögen erreicht werden soll und wie eine optimale Strategie aussehen kann.

Welche Anlagestrategie halten Sie in diesen schwierigen Zeiten für bestmöglich geeignet, um das Vermögen Ihrer Kunden auf Kurs zu halten?

Bei einem klassischen Anlageziel des Vermögenserhalts und der Vermögenssicherung kann der Weg nur über Substanzwerte, also Aktien, Immobilien, Private Equity und Gold, gehen. Eher Geldmarkt als Renten. Das heißt Rentenanlagen haben in einem solchen Vermögen eigentlich keinen Platz.

Wenn ich ein Anlageziel von fünf Jahren verfolge, brauche ich nicht in Immobilien oder Private Equity zu investieren, weil diese Investments eine deutlich längere Laufzeit bedingen. Da aber die meisten Kunden generationsübergreifend oder zumindest sehr langfristig denken, gehören in ein solches Vermögen Illiquidität beziehungsweise alternative Anlagen. Denn dadurch kann ich robustere Vermögen konstruieren und einen Mehrertrag erwirtschaften. Private Equity als Beispiel hat in den vergangenen Jahrzehnten einen jährlichen Mehrertrag von zwischen 2-5% erwirtschaftet. Und wenn ich einen langfristigen Anlagehorizont habe, dann gehört das einfach mit hinein, um diesen Mehrertrag erwirtschaften zu können.

Welche Assets werden zurzeit verstärkt nachgefragt und warum?

Von der Relevanz für ein Vermögen sind bei den alternativen Investments Immobilien und Private Equity auf jeden Fall die wichtigsten. Private Debt ist noch ein Mauerblümchen. Infrastruktur ist für Privatvermögen schwierig, weil die Laufzeiten, wenn man es richtig machen möchte, nochmals länger sind als in vergleichbaren alternativen Investments. Private Equity und Immobilien, das sind die Anlageklassen, die zuletzt einen starken Zulauf erhalten haben und im Bewusstsein deutlich stärker verankert sind als noch vor zehn Jahren.

Welche Vorteile bietet die Nutzung digitaler Technologien in der Vermögensverwaltung?

Wir sind erst durch digitale Technik in die Lage gekommen, dass wir für jeden Kunden eine individuelle Anlagestrategie (Strategische Asset Allokation) berechnen können und nicht auf Schubladen zurückgreifen müssen. Der zweite Punkt ist, dass wir über ein sehr effizientes Portfoliomanagement die Umsetzung der verschiedenen Vermögensverwalter steuern können: So bieten wir digitale Vertragsstrecken an, was für unseren Kunden Zeit spart. Außerdem bieten wir mit unserem FINVIA Cockpit eine intuitive Lösung an, die selbst die komplexesten Vermögen nachvollziehbar in Echtzeit abbildet – per App und auch als Desktop-Anwendung. Ein innovatives Dokumentenmanagementsystem vervollständigt unseren Ansatz: Kunden können ihre Dokumente und Vertragsdaten in einem hochsicheren, digitalen Tresor ablegen und erhalten somit eine „One-Stop-Shop-Lösung“ für ihre wichtigsten Belange.

Dank schlanker, digitaler Investmentprozesse, die bei vergleichbaren Anbietern aufwendig und zeitintensiv sind, können wir außerdem Zugang zu Private Equity Fonds zu anderen Konditionen anbieten. Im Grunde geben wir die digitale Dividende in Form von vergünstigten Gebühren weiter.

Wie sieht Ihr Ausblick aus?

Die Stimmung an den Kapitalmärkten ist sehr pessimistisch, da viele Anleger eine Rezession erwarten. Wir sind allerdings positiv gestimmt, denn unserer Erfahrung nach sollte sich in den nächsten Monaten ein positiver Trend zur Rückkehr an die Kapitalmärkte abzeichnen. Man sieht bereits in sehr vielen Erzeugerpreisen oder vorlaufenden Indikatoren, dass der Inflationsdruck sinkt. Eine Rezession wird kommen, ja, aber der Aktienmarkt ist ein vorlaufender Indikator, das heißt die Rezession folgt dem Aktienmarkt und nicht andersherum, und insofern sind wir guten Mutes, dass uns spannende Jahre bevorstehen und kein „Doom and Gloom“, sondern wir glauben, dass sich wieder viele Chancen ergeben werden. Und die sollte man auch nutzen, wenn man eine entsprechende Anlagestrategie hat und die Leitplanken festgelegt hat, in denen sich das Vermögensmanagement bewegen darf.

Sehr geehrter Herr Neuhaus, vielen Dank für diese interessanten Informationen.


ZUR PERSON

Christian Neuhaus ist einer der Gründer von FINVIA. Als Chief Client Officer (CCO) verantwortet er die Kundenzufriedenheit. Nach ersten beruflichen Erfahrungen bei der UBS Sauerborn, wo er Mitglied des Investmentkomitees war, wechselte der diplomierte Kaufmann 2011 gemeinsam mit einigen der heutigen FINVIA-Gründer zur HQ Trust GmbH, dem Multi-Family Office der Familie Harald Quandt. Hier beriet er bis 2016 komplexe Großvermögen zur Vermögensstrukturierung. Anschließend war er am Aufbau des digitalen Vermögensverwalters LIQID beteiligt.

www.finvia.fo

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