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Crowdfunding für den Mittelstand

Kleine und mittelständische Unternehmen gelten als Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Nichtsdestotrotz haben sie in Deutschland, wie auch im Rest Europas, in der Vergangenheit und Gegenwart oft mit Schwierigkeiten zu kämpfen, ihre Projekte oder Wachstumsstrategien ausreichend finanziert zu bekommen. Kann Crowdsourcing eine Lösung sein? 

Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) zählen zu den Gründen, weshalb die Krise an Deutschland beinahe spurlos vorbei gezogen ist. Andere Länder schauen deshalb oft beneidenswert auf die Anzahl und Zusammensetzung der in Deutschland beheimateten KMU und wünschen sich ebenfalls eine solche. Doch vor allem in der Seed-Phase, die für den ersten Abschnitt im Lebenszyklus eines Unternehmens steht, ist es für KMU kein leichtes Unterfangen, genügend Kapital zu beschaffen. In dieser Phase stellen zumeist Venture-Capital-Geber dem Unternehmen sogenanntes Risikokapital zur Verfügung. Im Ländervergleich spielen in Deutschland klassische Venture-Capital-Geber bei der Finanzierung von Projekten kaum eine bedeutende Rolle. Diese Entwicklung trägt mittelfristig zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil für deutsche und europäische KMU bei.

Ein Blick auf die in den letzten Jahren im Bereich der Informationstechnologie gegründeten Unternehmen zeigt einen klaren Trend in Richtung USA und Israel. Im direkten Vergleich der europäischen IT-Cluster mit dem Silicon Valley weisen diese anhand einer Studie des FraunhoferInstituts von 2013 entscheidende Schwächen auf. Unter anderem ist die Mobilisierung von Venture Capital kaum existent. Um die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und der hier ansässigen KMU nicht zu gefährden, ist es erforderlich, dass diesen ein erleichterter Zugang zu Kapital und vor allem Risikokapital bereitsteht. Eine Möglichkeit könnte Crowdfunding sein, als neuartige und alternative Form der Kapitalbeschaffung.

Wie und wann ist Crowdfunding sinnvoll?

Crowdfunding für den Mittelstand muss eigenkapitalstärkend sein. Gerade bei der Wachstumsfinanzierung und wenig stark belastbaren Cash-Flow-Konstellationen ist eine Finanzierungsalternative durch den Schwarm zielführend. Typischerweise sinkt bei wachsenden Unternehmen die Eigenkapitalquote, weil Gewinne in der Regel zuerst erwirtschaftet werden müssen, bevor sie wirksam auf das Eigenkapital einzahlen. In dieser Situation verschlechtert sich die statische Bonität des Unternehmens, obwohl das Geschäftsmodell intakt ist. Banken kommen also an ihre Kreditvergabegrenzen.Kleine und mittelständische Unternehmen gelten als Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Nichtsdestotrotz haben sie in Deutschland, wie auch im Rest Europas, in der Vergangenheit und Gegenwart oft mit Schwierigkeiten zu kämpfen, ihre Projekte oder Wachstumsstrategien ausreichend finanziert zu bekommen. Kann Crowdsourcing eine Lösung sein? 

Hier hilft Crowdfunding, wobei das Thema dort bisher noch nicht wirklich angekommen scheint. Aber auch gerade dort sind die Risiken wesentlich kalkulierbarer als im Start-up-Segment. Auch der zu adressierende Markt ist um ein Vielfaches größer.

Einer der wichtigsten Determinanten in der Vorbereitung ist die Bereitschaft zu Transparenz, abgestimmtem Marketing und moderner und medienadäquater Kommunikation. Oft sind Mittelständler bevorzugt im B2B-Bereich aktiv und stellen ein für den Branchenfremden eher erklärungsbedürftiges Produkt her. Darum sollte in der Vorbereitung der Kampagne besonders viel Wert auf das „sich Erklären“ im wahrsten Wortsinn für die potenziellen Anleger gelegt werden. Ohne radikal transparente Prozesse wird ein Zugang zur Crowd schwer zu finden sein – während der Finanzierungkampagne, der laufenden Anlegerbetreuung und im regelmäßigen Reporting.

Wann finanziert der Schwarm und wann nicht?

Beim Anbieter Bankless24 hat die Crowd einem Anbieter von Verlagssoftware, der bereits seit 20 Jahren am Markt ist, aus einem Finanzierungsengpass helfen können. Bei der Berliner Crowdfunding-Plattform Zencap konnte ein Maschinenbauer mit 90 Jahren Familientradition und nahezu 8 Mio. Euro Umsatz über zwei Kreditprojekte über 300.000 Euro sichern. Weitere 500.000 Euro wurden in Folge von seiner Hausbank als Darlehen für ein großes Wachstumsprojekt genehmigt.

Aber die Finanzierung über den Schwarm ist beileibe kein immer sicheres Unterfangen. Auf Bankless24 hatte im vergangenen Jahr ein Unternehmen ein Finanzierungsprojekt gestartet, wobei nur knapp 30.000 Euro eingesammelt werden konnten und damit die Funding-Schwelle von 50.000 Euro verfehlt wurde. Das Unternehmen selbst hatte ein durchaus attraktives Chancen-Risiko-Profil, aber ein B2B-Geschäftsmodell ohne eigene Fanbasis oder Crowd. Hier wurde deutlich die Herausforderung der Vermarktung des eigenen Projekts verkannt. Letztlich ist das Projekt daran gescheitert, dass zu wenige Investoren aus dem Unternehmensumfeld zu einem frühen Zeitpunkt gewonnen werden konnten und die Crowd sich daher auch zurückgehalten hat. Nur wenige Unternehmen schaffen es final als Finanzierungsprojekt auf einer Plattform gelistet zu werden. Die durchschnittliche Ablehnquote ist mit knapp 70 Prozent hoch.


Zur Person

(© Crowd Mentor Network)

Dr. Michael Gebert ist Vorstand und Gründungsmitglied beim Crowdsourcing Verband sowie berufenes Mitglied in der Crowdfunding Stakeholder Gruppe der EU-Kommission. Er organisiert den Crowd Dialog, die größte deutschsprachige Konferenz zum Thema Crowdsourcing, Crowdfunding und Crowdinnovation. Außerdem ist er Mitautor der Delphi-Studie Crowdfunding 2020 der Universität St. Gallen. www.crowdsourcing.de

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