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Unverschuldet in die Krise – was nun?

Unverschuldet in die Krise – was nun?

Der Kreditversicherer EulerHermes rechnet in Folge der COVID-19-Pandemie mit einer weltweiten Pleitewelle im Herbst. Das Unternehmen schätzt, dass durch die Krise die globale Zahl der Insolvenzen im Jahr 2020 um bis zu 20% steigen könnte. VON ARWED KIRCHHOFF UND JAN-ERIK GÜRTNER

In den letzten Wochen hat die Bundesregierung unterschiedliche Maßnahmen ergriffen, um die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die deutsche Wirtschaft abzumildern und eine drohende Pleitewelle im Herbst zu vermeiden. Hierzu zählt u.a. die temporäre Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, welche im COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz
(COVInsAG) vom 27. März 2020 geregelt ist. Die Aufhebung der Insolvenzantragspflicht ist aktuell für den Zeitraum 01.03.2020 bis zum 30.09.2020 gesetzlich kodifiziert.

Aus der berechtigten Sorge vor Wettbewerbsverzerrungen findet das Gesetz, wie auch die meisten Förderprogramme, ausschließlich bei Unternehmen Anwendung, die durch die COVID-19-Krise in Schieflage geraten sind und die somit per 31.12.2019 nicht in finanziellen Schwierigkeiten waren.

Welche Symptome müssen attestiert werden?

Die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens muss zum 31.12.2019 attestiert werden
(§1 COVInsAG). Erst dann wird angenommen, dass die Insolvenzreife auch tatsächlich durch die COVID-19 Krise verursacht worden ist. Folglich muss eine Prüfung der Zahlungsfähigkeit (Liquiditätsstatus) zum Stichtag 31.12.2019 erfolgen. Zudem muss gewährleistet sein, dass die Zahlungsfähigkeit nach dem 30.09.2020 bzw. dem 31.03.2021 wiederhergestellt werden kann. Daraus leitet sich die Forderung nach einer möglichst klaren Vorstellung über den Sanierungspfad des Unternehmens ab. Darüber hinaus ist im Anschluss eine positive Fortbestehensprognose, die über den 01.10.2020 hinausgeht, notwendig. Es empfiehlt sich, diese Sachverhalte sorgfältig zu dokumentieren und die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit klar herauszustellen. So werden eine spätere Insolvenzverschleppung und deren Rechtsfolgen vermieden.

Eine bessere Verhandlungsposition für Unternehmen

Die Anfechtung von Zahlungen im Zuge einer Insolvenz war in den letzten Jahren häufig Thema. Finanzierer und Lieferanten müssen sich vielfach mit Insolvenzverwaltern auseinandersetzen und Zahlungen oder Sicherheiten, die den Anfechtungstatbestand, also die Benachteiligung anderer Gläubiger erfüllten, rückübertragen. Das neue Gesetz besagt, dass Zahlungen im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit im Sinne des § 64 Satz 2 GmbHG, Kredite zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit und eine damit einhergehende Nach- oder Neubesicherungen vorläufig nicht anfechtbar sein sollen. Hierdurch erhalten Unternehmen eine deutlich bessere Verhandlungsposition, um sich die dringend notwendige Liquidität zur Überwindung der pandemie-bedingten Krise zu beschaffen.

„Fresh Money“ – gute Kommunikation und eine schnelle Reaktion sind gefordert

Häufig ist einer akuten Krise nicht mit eigenen Bordmitteln beizukommen. Daher werden aktuell die Förderprogramme von KfW, Bund und Ländern vielfach diskutiert. Der Dschungel an Programmen und Zugangsvoraussetzungen, der die etablierten Unterstützungsinstrumente wie KfW-Unternehmer- oder ERP-Gründerkredite, Betriebsmittelfinanzierungen, Landesförderinstitute und auch Bürgschaften für Betriebsmittelkredite für Unternehmen mit unzureichenden Sicherheiten beinhaltet, ist teilweise sehr undurchsichtig.

Für größere und oder systemrelevante Unternehmen bietet sich zudem die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Bundes- oder Landesbürgschaften.

Zudem soll der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) die ökonomischen Auswirkungen der Pandemie auf Unternehmen abfedern, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort oder den Arbeitsmarkt in Deutschland hätte.

Erste Ansprechpartner für die Unterstützungsinstrumente sind die aktuell finanzierenden Hausbanken. Sie prüfen, ob die entsprechenden Voraussetzungen z.B. für KfW-Förderkredite erfüllt werden. In diesen unsicheren Zeiten und vor dem Hintergrund der verschärften Auflagen für Banken, als Resultat der letzten Finanzkrise, ist mehr und mehr zu erkennen, dass sich einige Banken bei der Kreditvergabe zögerlich verhalten.

Das Aus oder freiwillig in die Insolvenz?
Photo by Evan Wise on Unsplash

Das Aus oder freiwillig in die Insolvenz?

Wenn die eigenen Bordmittel nicht ausreichen und es keine Aussichten auf frisches Kapital gibt oder der daraus entstehende Kapitaldienst (Zins und Tilgung) das Geschäftsmodell überfordert, kann die freiwillige Insolvenzantragstellung eine adäquate Lösung sein. Karstadt, Kaufhof und Esprit beispielsweise, haben diesen Schritt gewagt und proaktiv einen Insolvenzantrag gestellt.

Auf Grund der großen Individualität von Unternehmen ist hierbei jedoch Vorsicht geboten. Neben den juristischen Stolpersteinen kommt es bei der Beurteilung der Insolvenzeffekte auf wesentliche betriebswirtschaftliche Aspekte an. Insbesondere sind dabei die Kundenstruktur, die Wertschöpfungstiefe, die Bilanzstruktur und die vertraglichen Dauerschuldverhältnisse des Unternehmens zu berücksichtigen.

Das sogenannte Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO ist ein überlegenswertes Sanierungsinstrument. Hiermit ist es möglich, in Eigenverwaltung und unter der Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters binnen drei Monaten einen Insolvenzplan mit finanzwirtschaftlichen und operativen Maßnahmen zu erarbeiten, um so eine Sanierung zu ermöglichen.

Mit neuen Geschäftsmodellen gestärkt aus der Krise

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist kein Allheilmittel, vor allem nicht für Unternehmen mit ohnehin geringer Kapitalausstattung, operativen Schwierigkeiten oder ungelösten strategischen Herausforderungen. Der Gesetzgeber hat denn auch mit dem COVInsAG kein neues Sanierungsinstrument geschaffen. Vielmehr will er damit den Unternehmen Zeit geben, um in Krisenzeiten besonnene Entscheidungen treffen zu können und neue Kredite zu beantragen.

Die mittel- und langfristigen wirtschaftlichen Folgen der Förderkredite und Gesetzesänderungen sind noch nicht absehbar. Historisch hat es sich gezeigt, dass das Außerkraftsetzen von Marktmechanismen z.B. durch die Subventionspolitik zu weiteren Missständen bzw. zu s.g. Butterbergen führen kann. Folglich könnten Unternehmen mit z.B. fehlendem zukunftsfähigem Geschäftsmodell und/oder geringer Kapitalausstattung die Krise überleben. Auch wenn sie schon vor der COVID-19-Krise schwer angeschlagen waren. In ihrem Überlebenskampf haben sie jedoch wichtige Ressourcen für sich vereinnahmt. Somit wandeln sie auch weiterhin als potenziell gefährliche „Zombie-Unternehmen“ umher.
Diese tickenden Zeitbomben könnten schon nach Auslauf des Gesetzes im Herbst explodieren.

Bei allen Unsicherheiten, die diese Krise ausgelöst hat ist eines sicher, die Geschäftswelt nach der Corona-Krise folgt neuen Regeln. Und noch eines ist offenkundig, digitale Angebote Lösungen und Services sind künftig unerlässlich. Unternehmen, die diese Herausforderungen erkennen und die Zeit jetzt nutzen, ihr Geschäftsmodell in Richtung Zukunft zu transformieren, werden als Gewinner aus der Krise hervorgehen.

Quelle: Adobe Stock; © Chan2545

 

 

 


ZU DEN AUTOREN

Arwed Kirchhoff ist Senior Manager bei Helbling Business Advisors in Düsseldorf. Sein Beratungsfokus liegt auf der Neuausrichtung von Unternehmen mit Schwerpunkt Vertrieb, Einkauf und Controlling.
www.helbling.de

Jan-Erik Gürtner ist Geschäftsführer der Helbling Business Advisors in Deutschland und Partner der Helbling Gruppe. Er berät mittelständische Unternehmen und Konzerndivisionen bei allen strategisch entscheidenden Fragestellungen. www.helbling.de

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