Zwischen Wert und Werten

Die Affäre Khashoggi um einen ermordeten saudischen Regimekritiker zeigt: Das Thema Compliance ist aktuell wie nie. Menschenrechte, Korruption und Arbeitsbedingungen in Drittländern finden heute im Mittelstand mehr Beachtung. Dabei wird klar: Nicht jedes Unternehmen kann alle Faktoren beeinflussen.

Freiheit in der Welt © Freedom Housee
Freiheit in der Welt © Freedom House

Zwischen Worten und Tagesgeschäft

Einen Eindruck, was deutsche Firmen im Ausland umtreibt, gibt der Exporttag Bayern im November. Die Messe wird von der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern organisiert. Hier bieten sich Erstkontakte zu neuen Märkten an. Die Außenhandelskammern haben Experten für 70 Länder geschickt, aufgereiht sitzen sie nebeneinander an Tischen. Sie beraten vertraulich, anonym fallen Einblicke leichter. Compliance-Themen spielen mal mehr, mal weniger eine Rolle. Ob er Fälle von Korruption kenne? Ein Vertreter der Außenhandelskammer wirkt nicht überrascht: „Wir raten es niemandem, aber die Versuchung ist manchmal groß.“ Ob es eine Rolle spiele, wenn Brasilien nun einen rechtsradikalen Präsidenten habe, der von der Restaurierung der Militärdiktatur träumt? Eine Unternehmerin schaut irritiert: „Nein. Wieso?“ Der Firmenvertreter, dessen Geschäftspartner verschwunden ist, sagt: „Wenn wir ehrlich sind, dürften wir alle auch mit China oder Russland keine Geschäfte machen.“

Christian Schmid mit dem saudischen Energieminister und zwei saudischen Geschäftspartnern im Oktober in Riad: Das Familienunternehmen ist an einem saudisch-deutschen Joint Venture mit einer Gesamtinvestition von 430 Mio. Euro beteiligt. © SCHMID SABIC
Christian Schmid mit dem saudischen Energieminister und zwei saudischen Geschäftspartnern im Oktober in Riad: Das Familienunternehmen ist an einem saudisch-deutschen Joint Venture mit einer Gesamtinvestition von 430 Mio. Euro beteiligt. © SCHMID SABIC

Ob gegen Umweltverschmutzung und Rassismus oder umgekehrt für Menschenrechte und Arbeiterschutz – Anlässe für Compliance-Regeln gibt es genug. Fast jeder größere Betrieb hat Leitsätze für sich formuliert, schöne Worte, von denen oft niemand weiß, wie viel Substanz dahintersteckt. Unternehmer lassen sich bei der Frage nach ihrer praktischen Haltung ungern in die Karten schauen. Das ist verständlich. Ein Imageschaden ist schnell angerichtet.

Christian Schmid ist so gesehen eine Ausnahme. Er steht weiter zu seiner Entscheidung, mit Saudi-Arabien Geschäfte zu machen. Seine Schmid Group aus Freudenstadt bietet System- und Prozesslösungen für die Elektronik-, Batterie- und Solarindustrie an. Trotz der Khashoggi-Affäre reiste Schmid nach Riad zu einem Wirtschaftsgipfel und schloss ein Joint Venture mit einem örtlichen Metall- und Chemieunternehmen ab – ein 450-Mio.-Dollar-Deal. Über die „widerliche Gräueltat“ an Khashoggi sei er genauso schockiert wie seine saudischen Geschäftspartner, sagte Schmid dem Handelsblatt. Eine Verschiebung des Projekts sei allerdings zu kritisch gewesen. Und: „Ich frage mich, mit welchen Ländern noch Geschäfte gemacht werden dürften, von denen ich mit meinen persönlichen Grundwerten überzeugt bin.“ Ähnlich formulierte es auch Siemens-CEO Joe Kaeser vor dem Wirtschaftsgipfel, sagte dann aber doch seine Teilnahme in Riad ab. Bei der nächsten saudischen Konferenz Anfang Dezember war er wieder dabei, Siemens fungierte laut Programm als Platinsponsor. Wenn selbst Großkonzerne auf bestimmte Aufträge nicht verzichten können, wie sollen es dann Mittelständler tun?

1
2
3
4
5
Vorheriger Artikel„Deutschland ist Glühwein-Nation Nummer eins“
Nächster ArtikelDie Reform der Globalisierung