Finanzmarktkrise: Bisher keine Auswirkungen

Staatliche Eingriffe sollen Schlimmeres abwenden

Da die Liquidität, die manche Banken horten, den übrigen Instituten fehlt, springen die Notenbanken wie die amerikanischen Währungshüter der Fed oder die Europäische Zentralbank (EZB) in die Bresche und stellen zusätzliche Mittel bereit. Auf diese Weise soll die Funktion des Finanzsystems gesichert werden. Vor allem in den USA setzt man darauf, mittels staatlicher Eingriffe die Dinge zum Besseren wenden zu können. Einerseits pumpt die Notenbank frisches Geld in die Wirtschaft. Andererseits haben Regierung und Kongress ein milliardenschweres Konjunkturpaket geschnürt, das dem privaten Konsum und der Investitionstätigkeit neuen Schwung verleihen soll. Zudem will der amerikanische Finanzminister Henry Paulson die Finanzaufsicht neu ordnen und die Kontrolle straffen. Die Notenbank Fed soll mehr Befugnisse bekommen. Glücklicherweise erwies sich die Realwirtschaft bislang als robust. Ob die Wirkungen der Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen ausreichen, um die Abwärtsspirale zu durchbrechen, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen. Das Eingreifen des Staates ist nicht unumstritten. So hatte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann, in der zweiten Märzhälfte eine hitzige Debatte ausgelöst. Er forderte einen kollektiven Schulterschluss zwischen Regierungen, Notenbanken, und Banken zur Bewältigung der Finanzkrise (in den USA). Bundesbankpräsident Axel Weber wies die Forderung zurück und erklärte, dass bei der Überwachung und Lösung der eigenen Schwierigkeiten zunächst die Banken selbst tätig werden müssten.

Bisher keine Kreditklemme im Mittelstand

Wie wirken sich die Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten nun auf den deutschen Mittelstand aus? Bislang kaum, geht aus einer Ende März veröffentlichten Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) hervor. Demnach sehen gut acht von zehn Unternehmen derzeit gar keine oder nur sehr geringe Auswirkungen auf ihre Geschäftsentwicklung. 90% der Befragten können sich bisher zu den gleichen Bedingungen finanzieren wie vor Beginn der Schwierigkeiten an den Finanzmärkten. Auch von einer Kreditverknappung sei wenig zu spüren. Allerdings hält sich der Mittelstand keineswegs für immun, sollte sich die Krise länger hinziehen. Entsprechend unterstützt eine deutliche Mehrheit der Befragten die Forderung nach staatlichen Interventionen zur Stabilisierung der Lage. “Ich stelle jedoch fest, dass die Kreditinstitute verstärkt auf die Einhaltung der bestehenden Kreditbedingungen achten. Eine Veränderung des Kreditumfeldes für mittelständische Unternehmen ist nicht ausgeschlossen”, sagt Prof. Dr. Norbert Winkeljohann, Leiter des Geschäftsbereichs Mittelstand bei PricewaterhouseCoopers. Auch der Bundesverband deutscher Banken (BdB) sieht keine Kreditklemme für Unternehmen. Im Januar seien 6,3% mehr Kredite als im Vorjahresmonat an Unternehmen und Selbständige vergeben worden. Dagegen warnte Deutsche Bank-Chef Ackermann zur gleichen Zeit in einem Aktionärsbrief vor den Folgen der Finanzkrise für die Gesamtwirtschaft: “Die Kredite für Privat- und Geschäftskunden werden auf absehbare Zeit knapper und teurer als vor Ausbruch der Krise sein”, so Ackermann.

Private Equity: Megadeals nicht mehr möglich, Mittelstandsgeschäft läuft

Für die zuletzt verwöhnte Beteiligungsbranche sind im Zuge der Finanzkrise härtere Zeiten angebrochen. In den vergangenen beiden Jahren waren Finanzinvestoren noch die Hechte im Karpfenteich des Übernahmegeschäfts. Mit viel Eigen- und wenig Fremdkapital ausgestattet (Leveraged Buyouts), trieben sie die Preise für die zum Verkauf stehenden Unternehmen nach oben. Dabei hatten die Banken den Finanzinvestoren immer lockerere Kreditbedingungen zugestanden. Jetzt erhalten die Beteiligungsgesellschaften keine Großkredite mehr, da die Banken diese mangels Nachfrage nicht mehr an Investoren weiterreichen können. Betroffen sind vor allem die internationalen Branchengrößen, wie Blackstone oder KKR, die ihre Megadeals überwiegend mit Fremdkapital finanziert hatten. “Der deutsche Buyout-Markt ist allerdings von kleinen und mittleren Buyouts geprägt. Hier läuft das Geschäft relativ unbeeindruckt von der aktuellen Finanzgeberkrise”, erklärt Dörte Höppner, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK). “Das Angebot an attraktiven Unternehmen im Mittelstand ist anhaltend groß. Auf der Finanzierungsseite können einzelne Banken hier die Finanzierungen alleine oder gemeinsam mit weiteren Banken stemmen, müssen also die Kredite nicht syndizieren und an die Märkte weitergeben. Diese Art der Finanzierung läuft deshalb praktisch unberührt weiter”, so Höppner. Nach einer Umfrage des Beratungsunternehmens KPMG dürfte sich der Wettbewerb um mittelgroße Übernahmeziele im Wert von bis zu 400 Mio. Euro in den nächsten anderthalb Jahren sogar verschärfen. Da die Banken nicht mehr bereit sind, Großübernahmen im Wert von mehreren Mrd. Euro zu finanzieren, würden sich mittelfristig auch die führenden Beteiligungsfonds den mittelgroßen Unternehmen zuwenden. Das dürfte den Private Equity-Deals im deutschen Mittelstand Auftrieb verleihen.

Zweigleisige Entwicklung bei Mezzanine:

Zweigleisig entwickelt sich dagegen das Geschäft mit Mezzanine-Kapital im Mittelstand, einer Mischform aus Fremd- und Eigenkapital. Während maßgeschneiderte, individuelle Lösungen nach wie vor laufen, gerieten Standardprogramme von zwei Seiten unter Druck: Einerseits durch die Krise auf den Finanzmärkten, die den Handel mit Kreditverbriefungen generell zum Erliegen brachte – schließlich werden mezzanine Standardprogramme der Banken gebündelt und an den Kapitalmarkt weitergereicht -; andererseits durch steigende Ausfallraten der Programme aufgrund von Insolvenzen, wie etwa des Schuhherstellers Rohde oder der Nici AG, die das Fußballmaskottchen Goleo produziert hatte. Aus diesen Gründen finden sich für neu aufgelegte Mezzanine-Darlehen keine Abnehmer mehr. So sehen Experten die Zukunft dieser Finanzierungsform eher in individuellen Lösungen als in standardisierten, auf dem Kapitalmarkt platzierten Produkten.

Fazit
Bisher ist der Mittelstand von der Kapitalmarktkrise kaum betroffen, die Finanzierungsinstrumente scheinen mit Ausnahme mezzaniner Standardprogramme noch in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stehen. Bisher konnten staatliche Aktionen die Funktionsweise des Finanzsystems sicherstellen und ein Übergreifen auf die Realwirtschaft verhindern. Allerdings besteht kein Grund zur Sorglosigkeit, so die Einschätzung von Klaus-Peter Müller, Präsident des Bundesverbands deutscher Banken: “Die Situation muss weiter als äußerst angespannt bezeichnet werden, und die Krise wird uns wohl noch eine ganze Zeit beschäftigen.”

 

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