Vorbei der Boom: Wegen schwankender Rohstoffpreise und ineffizienter Produktion müssen zahlreiche Biogas-Anlagen veräußert oder restrukturiert werden. Die Bewertung ist herausfordernd.
Die atemberaubende Entwicklung auf dem Markt für Biogasanlagen ist zu einem Stillstand gekommen. Aufgrund der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2014 und der Gesetzesnovelle, die noch 2016 in Kraft treten soll, haben viele Investoren den Rückzug angetreten – ein Zubau an Neuanlagen ist kaum noch wahrzunehmen. Auch die Bestandsanlagen, deren Anzahl der Fachverband Biogas für 2015 auf über 8.000 Anlagen prognostizierte, geraten mehr und mehr unter Druck. Erhebliche Verteuerungen bei den Rohstoffpreisen sowie technische Mängel und neue gesetzliche Auflagen, die Sanierungsmaßnahmen wie auch Ersatzinvestitionen erforderlich machen, haben bei den Betreibern teilweise zu merklichen Zusatzkosten geführt und aus zahlreichen Anlagen Restrukturierungsfälle gemacht. Wurden in der Vergangenheit Bewertungen von Biogasanlagen zumeist für Gesellschafterwechsel oder zur Klärung steuerlicher Aspekte bei Erbschaften und Familienstreitigkeiten benötigt, ist heute vermehrt die Krisensituation der Anlage – bis hin zur Zahlungsunfähigkeit des Betreibers – Anlass für ein durch Banken, Insolvenzverwalter und Investoren getriebenes Bewertungsgutachten.
Bewertungsmethodiken für Biogas-Anlagen
Aktuell existiert noch kein einheitlicher Leitfaden für die Bewertung von Biogasanlagen. Sachverständigen, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern wird ein erhebliches Maß an Expertise bei der Bewertung von Biogasanlagen abverlangt – vor allem technische, aber auch rechtliche Kenntnisse der Biogasproduktion sind hierfür maßgeblich. Gängige Bewertungsverfahren sind:Vorbei der Boom: Wegen schwankender Rohstoffpreise und ineffizienter Produktion müssen zahlreiche Biogas-Anlagen veräußert oder restrukturiert werden. Die Bewertung ist herausfordernd.
- Substanzwertverfahren: Der Wert der Anlage ergibt sich hier aus den Liquidationserlösen abzüglich der Schulden und der Liquidationskosten. Als „Nicht-Going-Concern-Ansatz“ führt das Verfahren meistens zu Schrotterlöswerten, da die Auf- und Abbaukosten der Anlage den Substanzwert überschreiten.
- Bewertung nach dem HypZert Standard: Die Studie „Bewertung von Biogasnlagen“ (2015) der HypZert GmbH bewertet eine Biogasanlage prinzipiell als Immobilie, da sie als wesentlicher Bestandteil des Grundstückes zu verstehen ist. Für Biogasanlagen als Spezialobjekte mit höherem Risiko werden Diskontierungszinssätze von 6,5–9,5 Prozent als marktgerecht erachtet. Die Bewertung des operativen Betriebes der Anlage, der im primären Interesse potenzieller Investoren steht, wird folglich sehr pauschal und stark vereinfacht erfasst.
- Steuerliche Bewertungsverfahren: Hier wird ein durchschnittlicher Jahresertrag auf Basis von Vergangenheitswerten ermittelt. Betriebswirtschaftlich ist eine Bewertung aufbauend auf Vergangenheitswerten wenig sinnvoll, da gerade die zukünftigen Erträge für potenzielle Investoren von Biogasanlagen von Interesse sind.
- Ertragswert- oder DCF-Verfahren: Die beiden Gesamtwertverfahren haben gemeinsam, dass sie zukunftsorientiert sind und zu erwartende Erträge bzw. Cashflows diskontieren. Im Gegensatz zum Ertragswertverfahren berücksichtigt der DCF-Ansatz einen gewichteten Kapitalkostensatz als Diskontierungsrate, der auch die tatsächliche Finanzierungsstruktur der Biogasanlage und Risikozuschläge berücksichtigt. Für die Verwendung eines dieser Verfahren spricht vor allem die Tatsache, dass sich aufgrund einer festen, gesetzlichen Einspeisevergütung der Anlage zukünftige Umsätze sehr gut planen lassen.
Vorbei der Boom: Wegen schwankender Rohstoffpreise und ineffizienter Produktion müssen zahlreiche Biogas-Anlagen veräußert oder restrukturiert werden. Die Bewertung ist herausfordernd.
Voraussetzung für die Investitionsentscheidung
Die Wahl des optimalen Bewertungsverfahrens ist stark von dem Bewertungsanlass abhängig. Sicher ist auch, dass die Bewertung von Biogasanlagen höchste Ansprüche an die Expertise des Gutachters stellt. Im Vergleich zu einer Unternehmensbewertung gibt es weniger Parameter, die geplant werden müssen. Allerdings sind die entscheidenden Bewertungsstellhebel wie z.B. die langfristige Entwicklung der Rohstoffkosten oder die möglichen Nutzungsoptionen nach Ablauf der EEG-Vergütung mit erheblichen Planungsunsicherheiten behaftet. Aufgrund der Relevanz der zukünftigen Ertragsstärke der Anlage kann für eine sinnvolle Investitionsentscheidung nur das Ertragswert- oder DCF-Verfahren empfohlen werden.
Fazit
Die Zukunft zahlreicher Biogasanlagen in Deutschland bleibt unsicher. Volatile Märkte sowie geostrategische Risiken werden weiterhin zu erheblichen Schwankungen bei den Rohstoffpreisen führen. Trotz derzeit günstiger Finanzierungslage stehen zahlreiche Betreiberunternehmen vor immensen Herausforderungen. Restrukturierungsfälle und Veräußerungen aus der Insolvenz von Biogasanlagen werden daher zunehmen und somit auch der Bedarf nach Bewertungen von Biogasanlagen. Die kapitalwertorientierten Verfahren in Form des Ertragswert- oder DCF-Verfahrens verbleiben unter dem Gesichtspunkt der Fortführung in der Regel als einzig maßgebliche Verfahren.
Zu den Personen
Wolfgang Hentschel ist Partner, Frederik Blümm Consultant der Angermann Consult GmbH. Das Unternehmen ist der auf Krisensituationen spezialisierte Bereich der Angermann Gruppe mit den Schwerpunkten Restrukturierungsberatung, Distressed M&A und Distressed Real Estate. www.angermann.de