„Beim Wechsel in die nächste Generation wird oft das Kerngeschäft vergessen“

Der Anthroposoph Rudolf Steiner stand gewissermaßen Pate, als Margret und Karl Voelkel in den 1920er Jahren im niedersächsischen Wendland mit „biologisch-dynamischem Anbau“ begannen. Die von Steiner beeinflussten Grundgedanken, an denen sich gerade die Mitglieder der Demeter-Organisation orientieren, prägen bis heute den Saftproduzenten Voelkel, der auf seinem Gebiet in der Naturkost- und Biobranche mit mehr als 150 verschiedenen Produkten eine führende Marktposition einnimmt.

An der Schwelle von der dritten zur vierten Familiengeneration haben Gründerenkel Stefan Voelkel und seine Schwester ihr nach wie vor in Pevestorf nahe der Elbe ansässiges Unternehmen in eine Stiftung eingebracht. Im Interview spricht Stefan Voelkel über die Hintergründe, seine Skepsis gegenüber einer Abkehr vom Kerngeschäft und die Bedeutung einer durchdachten Nachfolgeregelung.

Unternehmeredition: Herr Voelkel, was hat Sie bewogen, als Vertreter der dritten Familiengeneration für die Nachfolge eine Stiftungslösung zu wählen?

Voelkel: Das hängt eng mit dem Urgedanken des Unternehmens zusammen. In den 1920er Jahren sind meine Großeltern Karl und Margret Voelkel in der Wandervogel-Bewegung von Hannover auf den Höhbeck gezogen. Sie haben alles Hab und Gut hinter sich gelassen, mit Lehmziegeln ihr erstes Haus gebaut, im Garten Obst angebaut und 1936 eine Mosterei gegründet. 1921 hatten sie eine Abschrift von Rudolf Steiners berühmtem „Koberwitzer Kurs“ über eine Landwirtschaft ohne chemische Einsätze bekommen. Das waren die ersten Gedanken der Demeter-Bewegung und des Unternehmens Voelkel. Diesen Urgedanken möchte ich fortführen in die nächsten Generationen. Das ist auch der Grund für die Stiftung.

Unternehmeredition: Wie genau kann das mit Hilfe der Stiftung erreicht werden?

Voelkel: In der unternehmensnahen Stiftung, in die meine Schwester und ich 90% der Anteile gegeben haben, haben wir konkrete Ziele festgelegt: Das Unternehmen kann nicht verkauft werden, Bio- und Demeter-Früchte sind immer die Grundlage für die Rohware. Wir haben ausgeschlossen, dass konventionelle Säfte hergestellt werden können. Auch andere Geschäftsfelder sollten so weit wie möglich ausgeschlossen sein. Außerdem ist immer ein sozialer Gedanke dabei. Das reicht von einer Zusammenarbeit mit dem Kinderhilfswerk Plan bis zu eigenen Anbauprojekten in etlichen Ländern, die künftig immer mit sozialen Initiativen verbunden werden sollen. Dafür haben wir mit unseren restlichen 10% eine weitere gemeinnützige Stiftung gegründet.

Unternehmeredition: Hätten Sie für das Unternehmen im Fall einer anderen Nachfolgelösung Gefahren gesehen?

Voelkel: Wenn ein Unternehmen in die nächste Generation wechselt, werden oft Fehler gemacht. Firmen werden zugekauft, plötzlich hat man sich übernommen, sein Kerngeschäft vergessen. Nicht selten, gerade im Bio-Bereich, sind Sortimente, Ideale und Belegschaften zusammengestrichen worden. Dass Anteile rausbrechen aus dem Unternehmen, möchte ich verhindern. Deshalb habe ich das klassische Erben unterbunden. Ich habe vier erwachsene Söhne und einen weiteren, der ein Jahr alt ist. Eine Teilung durch vier oder fünf ist nun nicht mehr möglich.

Unternehmeredition: Darüber bestand in der Familie aber sicher nicht von vornherein Einigkeit, oder?

Voelkel: Ja, das war nicht unumstritten. Es hat viele Gespräche erfordert. Heute sagen meine Jungs aber: Das ist der richtige Weg. Sie dürfen auch immer mit an erster Stelle sein, gehören unserem Stiftungskuratorium an, können über die Geschäftsführung wachen, sie bestellen und abberufen. Voraussetzung ist aber immer die fachliche Qualifikation. Das Unternehmen hat so interessante Felder, das kann man gut im Trio oder Quartett fortführen. Wir meinen, dass das Firmeneigentum letztlich kein persönliches Eigentum ist. Das Geld soll im Urgedanken für das Unternehmen zur Verfügung stehen. In der Satzung steht, dass die Gewinne im Unternehmen reinvestiert werden müssen. Die Familie lebt davon, dass sie mitarbeitet und in einem kleinen, bescheidenen Bereich beteiligt ist.

Voelkel Apfelsaft im Wandel der Zeit. Bild: Voelkel GmbH

 

Unternehmeredition: Sehen Sie kein Problem darin, dass so letztlich eine Diversifikation, wie immer sie geartet sein mag, ausgeschlossen wird?

Voelkel: Ich finde das absolut richtig. In den meisten Fällen ist das schief gegangen, nehmen Sie nur das Beispiel Mercedes. Meist sind die eigentlichen Produkte dadurch geschwächt worden. Wenn einer meiner Söhne eines Tages etwas ganz anderes machen will, kann er ja ein eigenes Unternehmen gründen. Wenn es aber um Voelkel geht, kann es nur um die Dinge gehen, die in der Satzung festgeschrieben sind. Naturkostsäfte und Fruchtsirupe für den Naturkost-Bereich – das ist ein breites Feld. Wir stellen auch Biolimonaden her, unter dem Namen „BioZisch“. Das sind ja Riesenfelder.

Unternehmeredition: Sie sehen also weitere Wachstumschancen? Bisher bringt es der Bio-Markt ja nur auf kleine Marktanteile.

Voelkel: Gemessen am Gesamtmarkt haben Bioprodukte tatsächlich nur 4 bis 6% Anteil. Aber es geht nicht um die Größe. Ich sehe Riesenpotenziale in der Naturkost, wo wir Marktführer bei Säften sind, und auch im Limonadenbereich, wo wir ebenfalls stark sind. Ich vermute, dass der Markt noch auf einen Anteil von 10 bis 12% wachsen wird. Natürlich muss dafür investiert werden. Entscheidend ist aber, dass die Anbauflächen nachwachsen. Dafür engagieren wir uns.

Unternehmeredition: Wie sieht es bei all diesen hohen Ansprüchen mit dem Ertrag aus?

Voelkel: Die Ertragslage ist verbesserungswürdig. Das ist ein Branchenproblem. Der ganze Saftmarkt steht stark unter Preisdruck – und Voelkel ist aufgrund der Rohware noch mal ein Drittel bis 50% teurer. Wir können die Preise, die wir haben müssten, nicht adäquat umsetzen. Die Rohware, die bei uns einen hohen Anteil hat, ist sehr hochpreisig. Der Landwirt muss den Mehrpreis bekommen, denn er hat einen hohen Aufwand. Beispielsweise beim Möhrenanbau, da wird das Unkraut zum Teil noch mit der Hand rausgezupft, während woanders einfach mit einem Traktor und einer Spritze drüber gefahren wird.

Unternehmeredition: Ist Ihr Firmensitz bei Gorleben – ein Synonym für Atommüll – nicht imagebelastend für so ein Unternehmen, das stark mit Bio und Natur argumentiert?

Voelkel: Ja, aber die Menschen gucken heute genau hin. Unten im Salzstock befindet sich ja noch kein Atommüll, obwohl das manche denken. Es sind keine Belastungen festzustellen. Die Früchte kommen im Wesentlichen von außerhalb. Und der Widerstand gegen das Endlager, an dem wir uns kräftig beteiligen, hat Erfolg, wie der Erkundungsstopp beweist. Wenn wir uns auf die Straße setzen, ist die halbe, manchmal sogar die ganze Firma dabei. Das gehört hier in der Region mit dazu. Vor Ort sind fast alle Politiker dagegen, wenn man mal richtig hinhört. Landesweit sieht es ein bisschen anders aus. Leider sind es oft Lippenbekenntnisse, wenn von Umwelt und Nachhaltigkeit gesprochen wird.

Unternehmeredition: Herr Voelkel, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Lorenz Goslich.
redaktion@unternehmeredition.de


Kurzprofil: Voelkel GmbH

Gründungsjahr: 1936
Branche: Naturkost
Unternehmenssitz: Höhbeck, Ortsteil Pevestorf
Mitarbeiterzahl: 150
Umsatz 2012: ca. 42 Mio. EUR
Internet: www.voelkeljuice.de

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