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Basel III wirft Schatten voraus

Basel III, die Staatsschuldenkrise im Euroraum sowie konjunkturelle Unsicherheiten prägen das aktuelle Umfeld der Mittelstandsfinanzierung. Wie es aktuell um die Finanzierungssituation im Mittelstand bestellt ist, welche Trends den Markt in den nächsten zwölf Monaten prägen sowie welche Ziele die Gesellschaften selbst in dieser Zeit verfolgen, hat die Unternehmeredition bei verschiedenen Anbietern und Beratern nachgefragt.

1. Wie gestaltet sich aktuell die Finanzierungssituation im Mittelstand?

Christian Berkhoff, Geschäftsführer, Argonas Corporate Finance Advisors:
Der Markt unterscheidet derzeit deutlich zwischen Unternehmen mit Investment Grade Bonität und eher „einfachen“ Finanzierungsanlässen (Refinanzierung, Working Capital Finanzierung, Inlandsinvestitionen) auf der einen Seite sowie Unternehmen schlechterer Bonität und / oder ambitionierteren Finanzierungsvorhaben auf der anderen Seite. Der ersten Kategorie stehen sowohl das gesamte Spektrum klassischer Kreditprodukte als auch der öffentliche Fremdkapitalmarkt sowie nicht-öffentliche Privatplatzierungen zu sehr guten Konditionen offen – für die zweite sind zumindest Banken äußerst selektiv, insbesondere wenn die Finanzierungsstruktur deutliche Komplexitäten beinhaltet. Im Vergleich zum Bankenmarkt bieten Finanzierungsalternativen auf dem öffentlichen Fremdkapitalmarkt und nicht-öffentliche Privatplatzierungen auch bei anspruchsvolleren Finanzierungsanlässen vergleichsweise gute Konditionen, erlauben aber insbesondere auch eine strategische Optimierung des Finanzierungsmixes. Insgesamt wächst das Angebot an Finanzierungsmöglichen außerhalb des Bankenmarktes für individuelle Finanzierungslösungen und verschiedenste Risikoprofile.

Dr. Michael Bormann, Gründungspartner, bdp Bormann, Demant & Partner:
Vor dem Hintergrund von Basel III gestaltet sich die Kreditsituation bei Banken für den Mittelstand schwieriger und restriktiver. Das bedeutet, Unternehmen werden sich verstärkt mit alternativen Finanzierungsthemen beschäftigten müssen, auch wenn hier und da in einigen Regionen behauptet wird, es gäbe keine Kreditklemme. Daher wird eine zeitnahes Finanzreporting im Unternehmen und Transparenz im Finanzmanagement gegenüber allen Akteuren, wie Banken, Zulieferern, aber auch Mitarbeiter, eminent wichtig werden.

Richard Gritsch, Geschäftsführer, ECM Equity Capital Management:
Wir schätzen die aktuelle Finanzierungssituation für Mittelstandstransaktionen gegenwärtig gar nicht so schlecht ein. Die Bereitschaft der Banken, Private Equity-Transaktionen als Finanzierungspartner zu begleiten, hängt von zwei wichtigen Faktoren ab: Zum einen davon, ob die Zielunternehmen bestimmte Finanzkennzahlen einhalten. Zum anderen muss das Gesamtfinanzierungpakt so geschnürt werden, dass die Gesellschaft auch in einem Stressszenario die Finanzierung bedienen kann.

 

Wilhelm Mickerts, Managing Partner, Accuracy Deutschland GmbH:
Wir können aktuell keine Kreditklemme in der operativen Finanzierung bei den von uns betreuten Unternehmen erkennen, aber es kann sicher von einer Verschärfung der Vergaberichtlinien und Prüfungsanforderungen, insbesondere bei schwächeren Bonitäten, gesprochen werden. Vor dem Hintergrund der Ratinganforderungen der Banken existiert darüber hinaus bereits seit längerer Zeit der Druck zur Erhöhung der Eigenkapitalquote (Selbstfinanzierung). Bei den Kreditanbietern ist eine Verschiebung der Finanzierungsaktivitäten von Groß- und Auslandsbanken hin zu Sparkassenorganisationen mit Landesbanken sowie Kreditgenossenschaften mit ihren Zentralinstituten zu beobachten. Die positive wirtschaftliche Entwicklung im Mittelstand nach der Krise in den Jahren 2010 bis 2012 haben die Eigenkapitalbasis und Liquidität deutlich verbessert. Die Verhandlungsbasis für mittelständische Unternehmen(r) im Rahmen von Refinanzierungen, Investitions- oder Akquisitionsfinanzierung ist damit sicherlich gestärkt.

Simon Pfennigsdorf, Investment Direktor, Orlando Management AG:
Der Finanzierungsmarkt im Mittelstand ist weiterhin als herausfordernd zu bezeichnen. Selbst für Finanzierungspakete von limitierter Größe bedarf es meist größerer Banken Clubs, deren Koordination aufgrund unterschiedlicher Interessenslagen oftmals langwierig und komplex ist.


2. Welche Finanzierungs-Trends werden die nächsten 12 Monate bestimmen?

Christian Berkhoff:
Bei bonitätsstarken Unternehmen beobachten wir derzeit ein recht aktives Management der Finanzierungsstruktur, das insbesondere auf die Diversifikation des Finanzierungsmixes bei gleichzeitiger Optimierung der Konditionen abzielt. Instrumente sind hier insbesondere Anleihen und Schuldscheine, aber auch Privatplatzierungen mit ausgewählten Finanzierungspartnern. Mittelständische Unternehmen mit eher schwächerem Finanzprofil und / oder ambitionierten Finanzierungszielen stoßen im Bankenmarkt zunehmend an Grenzen. Hier ist die Notwendigkeit zur Diversifikation über Finanzierungspartner und -instrumente einer der wesentlichen Trends. In diesem Zusammenhang beobachten wir eine steigende Bereitschaft von mittelständischen Unternehmen, neue Finanzierungsalternativen seriös zu prüfen und dabei auch offen Finanzzahlen und Unternehmensziele zu kommunizieren.

Dr. Michael Bormann:
Es ist klar, daß Finanzierungen im Mittelstand nicht mehr nur über die Banken erfolgen können. Daher werden sowohl Anleihethemen, als auch die Suche nach Eigenkapitalpartnern im Vordergrund stehen. Mittelstandsanleihen und Mini-Bonds werden wieder stark nachgefragt werden, auch in Branchen, in denen man so etwas weniger vermutet. Das können etwa private Bildungsanbieter sein oder eine Autohausketten. Einen weiteren Trend sehen wir auch darin, dass das seit März 2012 geltende neue Insolvenzrecht (ESUG) ermöglich, Unternehmen im Falle einer Insolvenz in Gänze zu erhalten und somit attraktiv für Investoren bleiben. Dazu muss allerdings die nötige Professionalität bei der Stellung des Insolvenzantrages gewährleistet werden.

Richard Gritsch:
In den nächsten 12 Monaten werden sicherlich die Mittelstandsanleihen und mögliche Ausfälle ein Gesprächsthema bilden. Das Bewertungsniveau bewerten wir bei abgeschlossenen Transaktionen weiter als hoch, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass mehr Eigenkapital zu Verfügung steht als nachgefragt wird.

Wilhelm Mickerts:
Aufgrund der Zinssituation werden die Bondmärkte weiterhin eine hohe Attraktivität im Finanzierungsumfeld haben. Höhermargige Produkte wie Mezzanine Finanzierungen haben aktuell das Nachsehen, obwohl es hierfür durchaus interessante Angebote gibt. Aufgrund der verhaltenen Konjunkturentwicklung und weiterhin bestehender Unsicherheit im Euro Raum erwarten wir nicht, dass es zu einem signifikanten Anstieg der mittelständischen M&A Transaktion kommen wird, obwohl sich das Preisniveau weiterhin auf einem relativ hohem Niveau bewegt. Finanzinvestoren werden auch 2013 weiterhin sehr am Markt aktiv sein, auch aufgrund ihrer zunehmenden Bereitschaft, sich als Minderheitsgesellschafter aktiv an der Umsetzung der Wachstumsstrategie von mittelständischen Unternehmen zu beteiligen. Wir gehen auch davon aus, dass strategis
che Investoren – insbesondere auch aus dem Ausland (USA, Japan, China) – eine wichtige Rolle bei Unternehmensübernahmen einnehmen.

Simon Pfennigsdorf:
In Folge der Marktverwerfungen auf den Finanzierungsmärkten wird sich der Trend hin zu alternativen Finanzierungsquellen weiter fortsetzen. Zum einen werden Direct Lending Funds aus dem angelsächsischen Raum weiter Marktanteile gewinnen, zum anderen stellen in manchen Situationen Mittelstandsanleihen ein adäquates Mittel zu Refinanzierungszwecken dar. Das Zeitfenster für letztere dürfte jedoch limitiert sein.

 

3. Welche Themen stehen diesbezüglich in Ihrem Unternehmen für die nächsten 12 Monate ganz oben auf der Agenda? Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Christian Berkhoff:
Wesentliches Thema für viele unserer Kunden ist die Schaffung von Handlungsoptionen. Dies setzt bei mittelständischen Kunden regelmäßig bei der Schaffung der notwendigen Transparenz bzgl. des Finanzprofils an, die eine aktive Prüfung und Etablierung präferierter Finanzierungsalternativen erst ermöglicht. Zur Deckung konkreter Finanzierungsbedarfe liegt der Fokus derzeit meist auf der Optimierung der Gesamtfinanzierungsstruktur und Erschließung neuer Finanzierungspartner.


Dr. Michael Bormann:
Wir wollen unseren Mandanten einen hochprofessionellen Service zur Kapitalbeschaffung – auch jenseits der Bankenwelt im Bereich der alternativen Finanzierungen, wie etwa Anleihen – bieten. Im Bereich der Restrukturierung und Sanierung ist unser Ziel, durch das rechtzeitige Stellen eines Insolvenzantrages möglichst viele Assets und Unternehmenswerte bei krisengeschüttelten Unternehmen zu erhalten, damit rasch der Zufluss frischen Kapitals durch neue Investoren erfolgen kann und so mittelständische Unternehmen mit Tradition erhalten bleiben – und damit auch weitestgehend die Arbeitsplätze in diesen Unternehmen.

Richard Gritsch:

Unsere Ziele für die nächsten 12 Monate sind klar definiert. Wir wollen Mittelstandstransaktionen strukturieren, die solide finanziert und auf nachhaltigen Geschäftskonzepten aufgebaut sind. Die Unternehmensbewertung sollte dabei „gesunde Niveaus“ nicht überschreiten.

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