Aufbruchstimmung am deutschen PE-Markt

Optimismus und Kaufbereitschaft nehmen wieder zu in der Private-Equity-Branche in Deutschland. Das starke Wirtschaftswachstum nach der Krise hat viele Unternehmen ertragsstärker und damit attraktiver für Beteiligungsgesellschaften gemacht. Diese haben zudem ihre Verkaufsaktivitäten deutlich verstärkt, der Sekundärmarkt für Beteiligungen ist kräftig angesprungen. Die Problemfälle in den Portfolios sind erheblich weniger geworden. Auch das Exit-Umfeld hat sich gegenüber 2009/2010 verbessert. Allerdings sind die Turbulenzen im Zusammenhang mit den Euro- und US-Schuldenproblemen nicht geeignet, Investoren in Sicherheit zu wiegen. Das Fundraising ist weiterhin schwierig.

Verkaufsstau aufgelöst

Der deutsche Private-Equity-Markt hat sich im ersten Halbjahr deutlich belebt und das Tief nach der Krise hinter sich gelassen. Viele Unternehmen sind für Kaufinteressenten wieder attraktiver geworden. Sie konnten im Konjunkturaufschwung ihre Ertragsbasis deutlich verbessern und Schulden abbauen. Der Markt wird weiterhin dominiert von kleinen und mittleren Transaktionen; große Buyouts sind weiterhin selten. Besonders lebhaft ist der Sekundärmarkt, weil viele Beteiligungsgesellschaften in den vergangenen Jahren Verkäufe hinausgeschoben haben und der Verkaufsstau nun aufgelöst wird. Zudem wollen Beteiligungsgesellschaften ihre Portfolios bereinigen, da die Laufzeiten einiger Fonds sich ihrem Ende zuneigen.

Keine Rückkehr zu Boomzeiten

Auch nach Einschätzung des Bundesverbands deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) hat der Aufschwung am PE-Markt an Breite gewonnen. „Im Small- und Mid-Cap-Bereich ist eine deutliche Erholung festzustellen“, sagt der BVK-Vorstandsvorsitzende Matthias Kues. Große Buyouts seien dagegen schwierig, da die Banken weiterhin nicht zu hohen Fremdfinanzierungen bereit seien. Die Leverages von 2008 würden jetzt und auf absehbare Zeit nicht mehr bezahlt. Banken finanzieren seit der Krise selten mehr als 50% der Kaufsumme bzw. kaum mehr als das 3- bis 4-Fache des EBITDA. Eine Rückkehr zum Rekordniveau der Boomjahre hält auch die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young in einer Studie für ausgeschlossen. Insgesamt aber scheine die Talsohle durchschritten, es gehe wieder aufwärts.

Höhere Erträge steigern die Preisbasis

Einen Aufwärtstrend verzeichnen auch die Preise – aber in erster Linie, weil die Ertragsbasis im Zuge des Aufschwungs deutlich zugenommen hat. Die Multiples sind dagegen kaum höher als im vergangenen Jahr; denn sie waren, wie Kues anmerkt, „erstaunlicherweise nach der Krise auch nicht wesentlich gesunken“. Das Potenzial für einen weiteren Anstieg der Preise erscheint aus heutiger Sicht aber begrenzt, denn die Ertragszahlen und Perspektiven in den meisten Branchen sind bereits sehr gut – die Kombination beider Faktoren dürfte sich nun nicht mehr deutlich verbessern. Das ist auch ein Argument dafür, dass sich manche Mittelständler nun verkaufsbereiter zeigen, während sie in der Vergangenheit noch gezögert und auf bessere Preise gewartet haben. In- und ausländische Investoren um die Attraktivität deutscher Mittelständler. Zudem benötigt der Mittelstand weiteres Kapital, um Investitionen finanzieren zu können. Das erhöht nicht nur die Kreditaufnahme bei den Banken, sondern auch die Bereitschaft zur Aufnahme von Beteiligungskapital.

Starke Belebung bei Exits

Besonders auffällig aber ist im Markt der starke Anstieg der Exits. Laut Ernst & Young hat sich die Zahl der Unternehmensverkäufe aus dem Portfolio von Finanzinvestoren im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2010 mehr als verdoppelt, der Transaktionswert sogar vervierfacht. Hauptgründe seien das verbesserte Börsenumfeld und das wiedererwachte Interesse strategischer Käufer. Hinzu kommt eine starke Belebung des Secondary-Markts. „Es gibt viele Secondaries, weil etliche Portfolio-Unternehmen in den Jahren 2009 und 2010 nicht verkauft werden konnten – und die kommen jetzt auf den Markt“, erklärt Dr. Andreas Kogler, Vorstand der auf den Mittelstand fokussierten Beteiligungsgesellschaft Capiton AG. „Man hat zwei Jahre lang quasi einen Pfropfen in der Exit-Pipeline gehabt. Nachdem dieser nun raus ist, werden die Exits nachgeholt.“

Buy-and-Build-Strategien gefragt

Kogler rechnet deshalb ebenso wie BVK-Vorstand Kues und andere Branchenexperten im Secondary-Markt mit einer weiteren Zunahme in den kommenden Monaten. Kues: „Ein Verkauf ist jetzt wieder zu vernünftigen Preisen möglich – dem kommt entgegen, dass manche Beteiligungsfonds einen gewissen Investitionsdruck haben.“ PE-Gesellschaften müssen heute, statt wie vor der Krise mit „financial engineering“ die Rendite aufzupeppen, über unternehmerische Wertschöpfung zum Erfolg kommen. Viele gehen Kogler zufolge dazu über, Buy-and-Build-Strategien zu verfolgen. Auf diesem Weg sowie mit klassischen Wachstumsstrategien versuchten sie, Rendite zu erzielen. Die Zeiten, über den Leverage-Effekt Geld zu verdienen, seien vorbei.

Viel Anlagekapital steht bereit

Für gute Exit-Aussichten allgemein sprechen aus Sicht von Richard Gritsch, Geschäftsführer der ECM Equity Capital Management, mehrere Gründe. „Erstens steht noch ausreichend Eigenkapital bei Finanzinvestoren in Deutschland zur Verfügung. Zweitens interessieren sich zunehmend strategische Investoren aus dem In- und Ausland für die Unternehmen. Und drittens gibt es ansteigendes Interesse ausländischer Beteiligungsgesellschaften am deutschen Markt, vor allem aufgrund der starken Performance des Wirtschaftsstandorts Deutschland.“ Dass es allerdings immer noch an einer größeren Zahl klassischer Buyouts fehle, sieht Capiton-Vorstand Kogler zum einen darin begründet, dass Konzern-Spin-offs seltener geworden seien, weil sich viele Konzerne bereits verschlankt und ihre Portfolios bereinigt hätten. Zudem stünden nicht so viele Familienunternehmen zum Verkauf, wie für eine breite Marktbelebung wünschenswert wäre – zumal die Preiserwartungen teilweise recht ambitioniert seien. Auf der anderen Seite seien Strategen zwar durchaus kaufwillig, aber auch sehr wählerisch. Kogler: „Strategen sind häufig nur interessiert, wenn sie sich ein Alleinstellungsmerkmal einkaufen können bzw. ein Unternehmen mit einer technologisch guten Marktposition – oder eines, das ihnen einen neuen regionalen Marktzutritt eröffnet.“ Sie ließen sich viel Zeit im Entscheidungsprozess; Trade Sales (Verkauf von PE-Beteiligungen an Strategen) seien deshalb – im Gegensatz zu den Secondaries – noch nicht kräftig angesprungen.

Kaufkonkurrenz um attraktiven Mittelstand

ECM-Geschäftsführer Richard Gritsch stellt fest, „dass sich das Wettbewerbsumfeld insbesondere bei Transaktionen zwischen 50 und 250 Mio. EUR intensiviert hat.“ Ein Überhang an Eigenkapital und der Druck zu Investitionen führe dazu, dass einige PE-Häuser sich im Markt „äußerst preisaggressiv“ bewegten. Die aktuellen Bewertungen für interessante Unternehmen hätten bereits das Niveau vor der Finanzkrise erreicht, eine Abkühlung sei nicht in Sicht. Laut einer Studie der Beratungsgesellschaft Rödl & Partner gehen rund 60% von 100 befragten und überwiegend auf den Mittelstand fokussierten Beteiligungsgesellschaften davon aus, dass das Preisniveau weiter anziehen wird. 84% rechnen generell mit einer weiteren Verbesserung des PE-Marktes, 79% planen Exits in diesem Jahr. Fast alle (98%) wollen 2011 neue Beteiligungen eingehen, 60% der Befragten sogar drei bis vier Beteiligungen. „Das steigende Interesse strategischer Investoren und internationaler PE-Gesellschaften am deutschen Mittelstand treibt die Unternehmenspreise nach oben und verschärft die Konkurrenz um attraktive Investments“, so Rödl & Partner. Wichtigste Gründe für die Aufnahme von Beteiligungskapital seien Wachstumsfinanzierungen und Nachfolgeregelungen.

MBGen im Aufwärtstrend

Auch die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften (MBGen) befinden sich im Aufwärtstrend. Im ersten Quartal lagen sie bei der Zahl der Finanzierungen um 16% und beim Volumen um 29% über dem Vorjahr. „Bei den Bewilligungen sahen wir einen noch stärkeren Anstieg, so dass sich der Trend der ersten Monate fortsetzen dürfte“, sagt Dr. Gerd-Rüdiger Steffen, Geschäftsführer der MBG Schleswig-Holstein und zugleich derzeit Vertreter aller MBGen im BVK-Vorstand. „Sowohl Handel als auch Industrie investieren wieder stärker und müssen ihr Wachstum finanzieren. Viele Unternehmen stocken zudem ihre Warenbestände weiter auf.“ Steffen sieht in den anziehenden Bewertungen bei den PE-Transaktionen eher eine normale Entwicklung und noch keine Überhitzung. Allerdings verweist er auch auf Gefahren und Unsicherheiten für den Markt: „Insbesondere die weltweiten Schuldenrisiken werfen einen Schatten auf die positive Entwicklung.“ Probleme sieht er zudem nach wie vor im Fundraising. An dem schwachen Mittelzufluss, der 2010 für ein Minus im Fundraising-Volumen von 13% gegenüber 2009 gesorgt hatte, habe sich bislang wenig geändert. International dagegen laufe das Fundraising schon wieder besser.

Schwieriges Fundraising

Wer ins Fundraising geht, muss den Nachweis erfolgreicher Exits erbringen. Dies ist zurzeit auch ein wesentlicher Antriebsfaktor für die Bereinigung von Portfolios. Grundsätzlich aber, so Capiton-Vorstand Kogler, seien Investoren bereit, in Private Equity zu investieren. Denn generell gehe der Zug in Richtung Realwerte, wie der Rohstoffboom gezeigt habe. Angesichts der anhaltend niedrigen Zinsen und des gestiegenen Risikos bei Staatsanleihen haben sich nach Ansicht Koglers die Rahmendaten für Private Equity sogar relativ gesehen verbessert. Eine ähnliche Einschätzung vertritt auch BVK-Vorstand Kues: „Mittelfristig denke ich angesichts des sehr niedrigen Zinsniveaus, dass beispielsweise Versicherungen gar nicht umhin kommen, Private Equity in ihre Kapitalanlagen beizumischen.“ Hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen wird mit der AIFM-Richtlinie immerhin mehr Klarheit geschaffen, auch wenn die Bedingungen nach Ansicht von BVK-Geschäftsführerin Ulrike Hinrichs nach wie vor verbesserungswürdig sind. „Innerhalb der kommenden zwei Jahre steht die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht an“, so Hinrichs. „Die Regulierung wird von uns begrüßt, wenngleich die Umsetzung nicht dazu führen darf, dass Deutschland international nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Wir sind da aber zuversichtlich.“
Ausblick:
Die Stimmung ist gut, zu Euphorie besteht aber kein Anlass. Erst einmal muss sich der Optimismus in einer weiter wachsenden Zahl von Deals – nicht nur bei den Secondaries – niederschlagen. Um attraktive Targets konkurrieren PE-Gesellschaften mit strategischen Investoren, die durch den Aufschwung wieder viel Geld in ihre Kassen bekommen und oft die Nase vorn haben. Bleibt zu hoffen, dass die Unsicherheiten im Zusammenhang mit den Schuldenproblemen vieler Staaten nicht die Finanzmärkte in noch größere Turbulenzen stürzen und das Umfeld für den PE-Markt nicht stärker eintrüben.

Bernd Frank
redaktion@unternehmeredition.de

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