Abschied von der Klangkonsole

Dem früheren Autoradiohersteller Schaidt Innovations gelang es während der Insolvenz, mit einem anderen Geschäftsmodell einen neuen Eigentümer zu finden. Unter dem Namen Webasto Mechatronics werden in Schaidt jetzt unter anderem Ladestationen produziert.

Neuer Innovationsvirus

Bereits wenige Wochen nach dem Insolvenzantrag startete die Ideensuche nach dem neuen Geschäftsmodell. Bähr und Rasenberger setzten sich das Ziel , den potenziellen Investoren nicht nur die klassischen Assets, sondern einen völlig neuen Businessplan anzubieten. Sachwalter Bähr, Geschäftsführer Beuse, Berater Rasenberger, die IG Metall sowie der Restrukturierungsanwalt wählten 16 Mitarbeiter aus, die sich vierzehn Tage lang quasi abschotteten und annähernd 200 Ideen für neue Geschäftsfelder entwickelten. Am Ende blieben vier Geschäftsmodelle übrig – darunter die Produktion von Prototypen und Kleinserien für Entwicklungen von Start-ups und der Bau von Ladestationen für Elektromobile.

„Es ist uns gelungen, die beteiligten Mitarbeiter von Schaidt mit einem Innovationsvirus zu infizieren und so die Masse an Ideen zu entwickeln“, freut sich Rasenberger. Für Biner Bähr ist diese Vorgehensweise auch für Insolvenzverwalter ein Modell der Zukunft: „Vor dem Hintergrund, dass Produktzyklen immer schneller ablaufen, kann Business Model Innovation in vielen Branchen angewandt werden.“

Parallel zum Ideenwettbewerb begannen Bähr und Rasenberger, rund 100 Investoren anzusprechen, darunter auch die familiengeführte Webasto-Gruppe. „Mit ihnen hatten wir bereits 2015 schon einmal gesprochen, haben damals aber nicht zusammengefunden“, erinnert sich Geschäftsführer Beuse. Doch mit dem neuen Anlauf klappte es, weil sich Webasto seit 2016 stärker auf den Ausbau der Elektronikkompetenz fokussiert und das Unternehmen entsprechend in Batteriesysteme und Ladestationen investiert. Die Idee der Ladestationen sowie die Elektronikfertigung bei Schaidt passen da nun zum Konzept.


„Das Insolvenzverfahren wurde von positiven Nachrichten begleitet“

Interview mit Ralf Beuse, Geschäftsführer Webasto Mechatronics GmbH

Unternehmeredition: Herr Beuse, weshalb haben Sie sich für Business Model Innovation entschieden?

Beuse: Es ging uns darum, festzustellen, wofür das Unternehmen steht und wo wir herausragende Fähigkeiten haben, um Investoren zielgerichtet ansprechen zu können. Es gibt schließlich Tausende Insolvenzen pro Jahr, da muss ein Unternehmen interessant für einen Investor sein.

Wie wurde dieser Prozess von den Mitarbeitern angenommen?

Es hatte über einen längeren Zeitraum durchaus eine gedrückte Stimmung bei Schaidt Innovations geherrscht, weil die Mitarbeiter spürten, dass viel versprochen und wenig gehalten wurde. Zukunftsängste waren an der Tagesordnung. Mit Business Model Innovation kam wieder Enthusiasmus in die Belegschaft, sodass das Insolvenzverfahren insgesamt von positiven Nachrichten begleitet wurde – obwohl wir im Zuge der Restrukturierung mehr als zwei Drittel der Mitarbeiter entlassen mussten. Insgesamt konnten wir 170 Arbeitsplätze erhalten.

Wie geht es jetzt am Standort Schaidt weiter?

Wir etablieren uns als Elektronikkompetenz-Center von Webasto. Dazu wird zukünftig mehr gehören als nur die Entwicklung und Produktion von Ladestationen. Der Geschäftsbereich E-Solutions bietet noch ein großes Potenzial.


Kurzprofil Webasto Mechatronics GmbH

Gründungsjahr 22017
Branche Elektronik/Automotive-Zulieferer
Unternehmenssitz Schaidt/Rheinland-Pfalz
Umsatz 2017
k.A.
Mitarbeiterzahl 170

www.webasto.de

 

Autorenprofil

Torsten Holler ist Gastautor.

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