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Zukauf im Ausland

Bei Zukäufen geht es in der Regel nicht um schiere Größe, sondern um das Schließen von strategischen Lücken. Die richtige strategische Suche und Beurteilung von Targets ist daher erfolgskritisch.

Ein Unternehmen wie Trumpf akquiriert mit Jiangsu Jinfangyuan einen chinesischen Werkzeugmaschinenbauer. Wie ist das zu beurteilen – hat Trumpf keine organischen Wachstumsmöglichkeiten in China? Nutzt es lediglich eine günstige Gelegenheit? Warum geht Trumpf ein hohes Risiko in dem fernen Land ein?

Strategische Akquisitionen: Lückenschließung

Akquisitionen sind das wichtigste Instrument zur Umsetzung einer definierten Strategie. Mit kaum einem anderen Instrument lassen sich angestrebte Ziel-Marktpositionen, Technologien, Zugang zu Käufergruppen, Markenloyalitäten, eingespielte Organisationen, Talente, Prozesse und Cashflow so schnell aufbauen wie mit Akquisitionen – vorausgesetzt, die passenden Targets existieren und sind erwerbbar.

Apple beispielsweise entwickelt selten eigene Technologien. Stattdessen hat Apple einen kontinuierlichen und systematischen Screening-Prozess eingerichtet, um passende Technologien zu identifizieren und zu erwerben. Apples bekanntere Zukäufe sind z.B. Spracherkennung und Fingerabdruckerkennung.

Strategischer Fit der Targets

Strategisches Akquisitionsmanagement hat immer den eindeutig von einer definierten Unternehmensstrategie abzuleitenden „Fit“ von Targets im Fokus. Gefragt ist daher weniger die Corporate-Finance-, sondern eher die Strategieperspektive bei der Beurteilung der möglichen Synergien. Und: Für die tatsächlich realistischen Synergien sollte auf Erfahrungswerte hinsichtlich der Umsetzungsfähigkeit von Plänen zurückgegriffen werden, damit der Kaufpreis des Targets nicht zu hoch ausfällt.

Bei Zukäufen geht es in der Regel nicht um schiere Größe, sondern um das Schließen von strategischen Lücken. Die richtige strategische Suche und Beurteilung von Targets ist daher erfolgskritisch. 

Die globale Dimension – auch zur Risikoabwehr

Nicht nur multinationale Konzerne, auch größere Familienunternehmen akquirieren zunehmend global. Denn: Marktchancen sind schnell zu realisieren, internationale Wettbewerber auch aus aufstrebenden Nationen wie China machen sich an die Eroberung lukrativer Märkte der Welt.

Dabei werden mit Akquisitionen nicht nur Chancen realisiert, sondern auch Risiken entgegengesteuert. In Märkten wie China beispielweise wachsen lokale Anbieter mit den dortigen Märkten zum Teil dynamisch. Ohne Wettbewerb vor Ort und in den „angestammten“ Marktsegmenten können sehr große Wettbewerber mit hoher Ressourcenstärke entstehen, die zukünftig globalisieren. Mit anderen Worten: Ohne das Risiko einer Akquisition auf sich zu nehmen kann ein – mittelfristig – existenzielles Risiko entstehen.

Zukäufe in mittleren Segmenten in China

Europäische Unternehmen bearbeiten in China häufig die Top-Segmente hinsichtlich Leistungskriterien und Preisen. Die Top-Segmente sind aufgrund des gigantischen Gesamtmarktes oft sehr groß, so dass ein beträchtliches Geschäftsvolumen entstehen kann (die deutsche Kfz-Industrie ist dafür ein klassisches Beispiel).

Lokale chinesische Unternehmen bedienen dabei häufig mittlere und niedrige Leistungs- und Preissegmente. In B2B-Branchen gehören oftmals lokale Abnehmer zu diesen Segmenten. Europäische Unternehmen können diese Käufergruppen in der Regel nur schwer erschließen. Automobilzulieferer etwa liefern in der Regel an die Tochterunternehmen internationaler OEM in China und nicht an die lokalen Automobilbauer.

Die mittleren Segmente wachsen jedoch überproportional: Zum einen werden die Leistungen (Qualität, Technologie, Service) kontinuierlich verbessert. Zum anderen zielen auch lokale Abnehmer immer mehr auf Produktivität und Gesamtkosten (Total Cost of Ownership, kurz TCO) und verlassen damit das „Billig-Segment“. Effekt: Lokale Unternehmen, die im mittleren Segment gut positioniert sind, wachsen überproportional.

Trifft dieses Szenario zu, sollte eine strategische Akquisition von lokalen chinesischen Unternehmen, die das mittlere Segment bedienen, überprüft werden. Die Marktposition des Targets kann genutzt und ausgebaut werden. Mit der Verbesserung von Qualität und Leistung kann das Unternehmen langfristig voll integriert werden – nachdem jedoch zunächst das chinesisch geprägte Geschäftsmodell und die Marke beibehalten wurden.

So ist die Akquisition von Trumpf aus unserer Sicht zu interpretieren: langfristig, wohlüberlegt und mit hohem strategischen Sachverstand.


Zur Person

Frank-Christian Raffel ist Mitgründer und geschäftsführender Gesellschafter von Raffel GmbH in München und MelchersRaffel Ltd. mit Standorten in Hongkong, Shanghai und Singapur. MelchersRaffel berät bei Strategie- und M&A-Vorhaben in den wesentlichen Regionen Asiens und in deutschsprachigen Ländern. www.melchersraffel.com.

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