Die wirtschaftliche Lage in Deutschland verschlechtert sich weiter. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) stieg die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen im Juli 2025 um 19,2 % gegenüber dem Vorjahresmonat. Damit erreicht die Insolvenzquote einen neuen Höchststand der vergangenen zwei Jahrzehnte. Auch das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) bestätigt diesen Trend. Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften sei im Juli so hoch gewesen wie seit dem Rekordmonat April 2025 nicht mehr. Im gesamten ersten Halbjahr 2025 lag die Zahl der Unternehmensinsolvenzen laut der Creditreform Wirtschaftsforschung mit 11.900 Fällen 9,4 % über dem Vorjahreszeitraum. Bereits 2024 hatte es einen deutlichen Anstieg um 28,5 % gegenüber dem Vorjahr gegeben. Diese Entwicklung lasse sich laut Experten nicht mehr allein mit pandemiebedingten Nachholeffekten erklären.
Wirtschaftliche Schwäche trifft Unternehmen
Die wirtschaftliche Gesamtlage bleibt angespannt. Laut Volker Treier, Chefanalyst der Deutschen Industrie- und Handelskammer, nagen zwei Jahre Rezession zunehmend an der Liquidität vieler Betriebe. Bereits im Juni wiesen 43 % der Unternehmen auf eine problematische Finanzlage hin. Das sei der höchste Wert seit Ende der Corona-Pandemie und dem Beginn des Ukraine-Kriegs. Schwache Nachfrage, steigende Kosten für Energie, Arbeit und Bürokratie sowie allgemeine Unsicherheit belasten Unternehmen zunehmend. Viele Betriebe stoßen an die Grenzen ihrer finanziellen Belastbarkeit. Infolge dieser Entwicklungen steigt nicht nur die Zahl der Insolvenzen, sondern auch die Zahl der Unternehmensschließungen.
Eine gemeinsame Untersuchung von Creditreform und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zeigt, dass im Jahr 2024 rund 196.100 Unternehmen in Deutschland ihre Geschäftstätigkeit eingestellt haben. Das entspricht einem Anstieg um 16 % im Vergleich zum Vorjahr und stellt den höchsten Wert seit 2011 dar. Besonders betroffen sind technologieintensive Dienstleister. In den Bereichen IT, Umwelttechnik, Produktentwicklung und Diagnostik stieg die Zahl der Schließungen um 24%. Auch wirtschaftlich aktive und größere Unternehmen sind verstärkt betroffen. Im Jahr 2024 wurden über 4.000 dieser Unternehmen abgemeldet – fast doppelt so viele wie in einem durchschnittlichen Jahr.
Leichte Entspannung im August
Nach einem besonders belastenden Juli ist die Zahl der Insolvenzen im August laut IWH-Insolvenztrend wieder gesunken. Mit 1.409 Fällen lag sie 11% unter dem Vormonat, aber weiterhin 11% über dem Vorjahresmonat und 51% über dem Durchschnittswert der Jahre 2016 bis 2019. Gleichzeitig liegt die Zahl der betroffenen Beschäftigten auf hohem Niveau. Im August 2025 waren in den größten 10 % der insolventen Unternehmen über 12.000 Arbeitsplätze betroffen. Das sind 30 % mehr als im Juli und 56 % mehr als im August-Durchschnitt der Vor-Corona-Jahre.Zahlungsverhalten verschärft Liquiditätsprobleme
Die angespannte Wirtschaftslage wirkt sich auch auf das Zahlungsverhalten im B2B-Bereich aus. Laut dem Creditreform Zahlungsindikator Deutschland sind die Zahlungsziele im ersten Halbjahr 2025 weiter gestiegen. Im Durchschnitt warten Unternehmen nun 31,46 Tage auf ihre Zahlungen – bei großen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten sogar 33,97 Tage. Vor zwei Jahren lag der Durchschnitt noch bei 29,93 Tagen. Zwar ging die durchschnittliche Verzugsdauer überfälliger Rechnungen auf 7,89 Tage zurück – der niedrigste Wert seit zehn Jahren –, doch dies täuscht nicht über die wachsenden Risiken hinweg. Denn viele Unternehmen gewähren aus Liquiditätsgründen längere Zahlungsfristen und geraten dadurch selbst unter Druck. Im Durchschnitt vergehen derzeit 39,35 Tage bis zur Begleichung einer Forderung. Zwischen 2016 und 2021 lag dieser Wert noch bei über 42 Tagen.
Anteil säumiger Zahler steigt deutlich
Besonders alarmierend sei die Entwicklung bei der Zahl säumiger Zahler. Exklusive Auswertungen von Creditreform zeigen, dass die Zahl der Unternehmen mit Zahlungsverzug deutlich zunimmt. Besonders betroffen ist die öffentliche Verwaltung: Die Zahl der säumigen Kommunen stieg um knapp 36%. Auch im Gesundheitswesen, bei unternehmensnahen Dienstleistungen, im Kfz-Handel und im Einzelhandel nahm die Zahl der verspäteten Zahler deutlich zu. Diese Entwicklung erhöht das Risiko für alle Betriebe im B2B-Geschäft. Unternehmen sind daher gut beraten, ihre Bonitätsprüfung zu intensivieren und Zahlungsziele risikobasiert zu vergeben. Lange Zahlungsziele sollten nur bei hoher Zahlungssicherheit gewährt werden. Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten ist ein professionelles Forderungsmanagement entscheidend für die eigene Stabilität.
Verhaltene Hoffnung auf Erholung
Trotz der angespannten Lage gibt es auch vorsichtige Signale der Entspannung. Der jüngste KfW-Konjunkturkompass vom August 2025 rechnet zwar nur mit einem geringen Wachstum im laufenden Quartal, hebt jedoch die Prognose für das preisbereinigte Wirtschaftswachstum 2025 auf 0,2% an. Für 2026 wird ein Anstieg um 1, % erwartet. Ob diese Entwicklung jedoch ausreicht, um den Trend steigender Insolvenzen und Unternehmensschließungen zu brechen, bleibt offen. Die kommenden Monate dürften zeigen, ob sich die deutsche Wirtschaft stabilisieren kann oder ob weitere Einschnitte bevorstehen.





