Wachstum über die Börse finanzieren

Kapital für Innovationen und Wachstum zu beschaffen, das war die Grundidee der Unternehmensform Aktiengesellschaft. Sie manifestierte sich insbesondere während der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Börsen fungierten als Marktplätze, um Kapitalgeber und -nehmer fair und transparent zusammenzuführen. Heute ist der Börsengang für kleinere und mittlere Unternehmen fast versiegt. Wie sehr, zeigen schon die Bemühungen, einen neuen „neuen Markt“ zu gründen – als ob die Börsenabstinenz am fehlenden Segment liege und nicht an den steuerlichen Rahmenbedingungen und den Unwägbarkeiten der Kapitalmärkte in Folge der Finanzkrise. Erst in jüngster Zeit gibt es für Mittelständler die Alternative, Anleihen über den Kapitalmarkt aufzunehmen. Im Zuge einer breiteren Diversifizierung der Finanzierungsseite bilden diese Mittelstandsanleihen ein wichtiges Instrument für die Unternehmen. Etwa 80 Unternehmen „sammelten“ so in drei Jahren mit etwa 80 Anleihen ein Gesamtvolumen von fast 4 Mrd. EUR ein.

Anleihen als erster Schritt aufs Börsenparkett

Unternehmen wird auch bei Anleihen hohe Professionalität in Reporting und Kommunikation abverlangt, um Investoren zu überzeugen. Ein verhältnismäßig hoher Zinssatz, ein fester Rückzahlungstermin, die Möglichkeit der vorzeitigen Veräußerung über die Börse und ein durch Rating transparentes Risiko machen diese Mittelstandsanleihen für Investoren lukrativ. Viele Unternehmen nutzen sie zur Umschuldung und weniger für Investitionen in die Zukunft. Für vorsichtige Gläubiger kann dies trotzdem interessant sein, vor allem, wenn es sich um keine nachrangigen Anleihen handelt.

Bei so manchem auf Wachstum ausgerichteten Unternehmen mit den fast zwangsläufigen kurzfristigen Unwägbarkeiten stellt sich die Frage, ob nicht ein Börsengang die bessere Alternative wäre. Aktionäre sind in der Regel risikoaffiner und chancengetriebener. Immerhin wird das eine oder andere Unternehmen die Anleihe zu Recht als ersten Schritt an den Kapitalmarkt interpretieren – mit Bastei Lübbe gibt es den ersten Präzedenzfall. Kapitalmärkte sind sensibel und die Zeitfenster für erfolgreiche Emissionen von Mittelstandsanleihen kurz. Das führt bei einer wachsenden Anzahl an Emissionen zu einer harten Konkurrenzsituation. Nicht alle können voll platziert werden. Die Schere zwischen erwünschtem und tatsächlich erhaltenem Kapital wird immer größer. Aufgrund des relativ hohen, für den Börsenhandel notwendigen Mindestvolumens von 15 Mio. EUR stellen sie darüber hinaus eine hohe Einstiegshürde dar. Es gibt Angebote und Überlegungen, die niedrigere Volumen und eine Platzierungsgarantie mit einem Fondskonzept verbinden – richtig durchgesetzt haben sie sich wohl noch nicht. Die Spielregeln des Kapitalmarktes optimal nutzen – für die Finanzierung des Mittelstandes wäre es ein absoluter Gewinn.

Fazit

Im globalisierten Wettbewerb müssen Unternehmen innovativ sein und wachsen, das ist keine Frage des Wollens. Die Kapitalbeschaffung über Banken wird in Folge von Basel III und weiterer Regulierungsmaßnahmen mit Sicherheit nicht einfacher, auf jeden Fall teurer. Insofern werden, ja müssen sich eher mehr als weniger mittelständische Unternehmen hier breiter aufstellen.

Autorenprofil

Zur Person Andres Schmidt ist Vorstand der Bayerische Börse AG und Geschäftsführer der Börse München. Die Bayerische Börse AG betreibt die öffentlich-rechtliche Börse München, die mehr als 4.000 Kreditinstituten und Emittenten im deutschsprachigen Raum den Zugang zum Primär- und Sekundärmarkt gewährt. Hier werden etwa 14.500 Wertpapiere aus über 60 Ländern gehandelt. www.bayerische-boerse.de

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