„Wir wollen verstärkt andere europäische Finanzquellen erschließen“

1992 gegründet, hat sich die Investitionsbank des Landes Brandenburg zu einer festen Größe der Unternehmensfinanzierung in dem ostdeutschen Bundesland entwickelt. Seit Januar 2013 ist Tillmann Stenger neuer Vorstandsvorsitzender der Förderbank. Im Interview spricht er über die Schwerpunkte seiner Amtszeit, die aktuellen Herausforderungen für Förderbanken und über Chancen des Unternehmensstandorts Berlin-Brandenburg.

Unternehmeredition: Herr Stenger, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Position als Vorstandsvorsitzender der ILB. Was haben Sie sich für Ihre Amtszeit vorgenommen?

Stenger: Für die kommenden Jahre gibt es drei Schwerpunkte, auf die wir uns als Förderbank des Landes konzentrieren wollen: Wir wollen erstens ein verlässlicher Partner des Landes bei der Umsetzung der EU-Strukturfonds bleiben, zweitens das ILB-eigene Förderkreditgeschäft bei rückläufigen Haushaltsmitteln ausbauen und drittens den als Bank notwendigen weiteren Eigenkapitalaufbau aus eigener Kraft umsetzen. Da wir voraussichtlich weniger Mittel aus den Strukturfonds erhalten, wollen wir als ILB verstärkt andere europäische Finanzquellen für Brandenburg erschließen.

Unternehmeredition: Was ist Ihre Vision für den Unternehmensstandort Brandenburg im Jahr 2020? Was sind die Branchen mit dem größten Wachstumspotenzial?

Stenger: Ich wünsche mir, dass Brandenburg in zehn Jahren noch mehr Unternehmerland ist. Wir müssen das Unternehmertum in der Breite der Gesellschaft verankern. Das fängt in der Schule an und endet bei der Etablierung stabiler mittelständischer Strukturen. Ich hoffe auch, dass Forschung und Entwicklung sowie Exportorientierung Anfang der 20er Jahre eine noch größere Rolle spielen als heute. Die Voraussetzungen hierfür sind gut, denn Brandenburg hat sich in den letzten 20 Jahren sehr dynamisch entwickelt. Unser Ziel ist es, auf den vorhandenen Strukturen aufzubauen. Daher hat der Wirtschaftsminister Branchencluster definiert, die ein besonders großes Wachstumspotenzial haben und in Zukunft verstärkt gefördert werden sollen. Zu den Wachstumsfeldern zählen insbesondere die Bio- und Medizintechnologie sowie die IKT- und Medienwirtschaft, aber auch die Energie-, Tourismus- und Ernährungswirtschaft.

Unternehmeredition: Welche Bedeutung hat in dieser Hinsicht die Eröffnung des Flughafens Berlin Brandenburg „Willy Brandt“?

Stenger: Beim BER kommt es jetzt darauf an, durch eine neue Organisationsstruktur und eine konsequente Umsetzung der Baumaßnahmen das Projekt aus der öffentlichen Diskussion zu bringen. Unabhängig vom Fertigstellungstermin wird der neue Flughafen für die Brandenburger Wirtschaft eine Schlüsselrolle einnehmen. Er wird Wachstumsimpulse setzen, Arbeitsplätze schaffen und die Infrastrukturbedingungen für die Unternehmen der Region entscheidend verbessern.

Unternehmeredition: Die ILB stellt Unternehmen u.a. zinsgünstige Darlehen, Zuschüsse, Bürgschaften sowie Risiko- und Beteiligungskapital aus Fördermitteln zur Verfügung. Welche Neuerungen werden sich durch den Beginn der EU-Fördermittelperiode 2014–2020 für den Standort Brandenburg ergeben?

Stenger: Wir müssen mit den knapperen EU-Mitteln wirtschaftlicher umgehen. Wir sollten da, wo es möglich ist, anstelle von Zuschüssen zinsgünstige Darlehen, Bürgschaften oder Risiko- und Beteiligungskapital einsetzen. Bei erfolgreicher Umsetzung der geförderten Projekte können wir aus den Rückflüssen einen Kapitalstock aufbauen, aus dem dann in der Zukunft Förderprogramme finanziert werden können. Inhaltlich werden die Schwerpunkte bei der Finanzierung von Innovationen und Projekten der Energiewende sowie bei der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen und der Fachkräftesicherung liegen. Ferner werden wir unsere eigene Brandenburgkredit-Familie erweitern und uns hierbei auf die Clusterbereiche der brandenburgischen Wirtschaftspolitik konzentrieren. Wir sind auch bereit, uns bei der Unternehmensfinanzierung Risiken mit den Banken und Sparkassen zu teilen, sofern diese dies wünschen.

Unternehmeredition: Durch den BFB Wachstumsfonds können kleine und mittelständische Unternehmen Eigenkapital durch Mittel des EFRE-Fonds in Anspruch nehmen. Wie offen sind brandenburgische Unternehmen gegenüber dieser Finanzierungsform? Welche Voraussetzungen müssen sie mitbringen, um als Investitionsziele in Frage zu kommen?

Stenger: Es besteht auf Unternehmerseite seit vielen Jahren ein zunehmendes Interesse an eigenkapitalstärkenden Finanzierungsinstrumenten. Dies gilt nicht nur für Unternehmen, die aufgrund ihrer Branche oder Entwicklungsphase nur beschränkten oder sogar keinen Zugang zu Bankkrediten haben, wie z.B. Biotech-Unternehmen, sondern in besonderen Situationen auch für den klassischen Mittelständler, der seine Bilanzstruktur verbessern und zusätzliche Handlungsmöglichkeiten schaffen möchte. Sichtbar wird die insgesamt gestiegene Akzeptanz dieses Finanzierungsinstrumentes an der zunehmenden Zahl der Anfragen und den inzwischen über 100 Beteiligungen, die wir eingegangen sind. Wesentliche Voraussetzungen für z.B. eine Risikokapitalbeteiligung durch einen unserer Fonds sind neben den formalen Anforderungen insbesondere ein belastbarer Businessplan, ein nachvollziehbares Geschäftsmodell und ein überzeugendes Management.

Unternehmeredition: Gemeinsam mit der IBB Berlin ist die ILB Gesellschafterin des Medienboards Berlin-Brandenburg, das sich an Akteure der Medienbranche richtet und Filmförderung für beide Länder betreibt. Welche Rolle spielt die Kreativwirtschaft für Brandenburg?

Stenger:
Die IKT- sowie Medien- und Kreativwirtschaft ist eines der länderübergreifend definierten Wachstumscluster der Hauptstadtregion. Dabei umfasst allein die Kreativwirtschaft elf Branchen, von darstellenden Künsten bis zur Softwareprogrammierung. Die Film- und TV-Branche ist für das Land Brandenburg mit dem international renommierten Standort Babelsberg von zentraler Bedeutung. Aber auch die IKT-Branche mit HPI, ebay, SAP Innovation Center stellt für Brandenburg ein wichtiges Wachstumsfeld dar.

Unternehmeredition: Zuletzt noch eine persönliche Frage: Was macht für Sie den Reiz der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg aus?

Stenger: Eben dass es sich um eine bunte Metropolregion handelt. Eine dynamische Wirtschaft – Brandenburg ist erneut Sieger im Dynamikranking der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und der WirtschaftsWoche geworden – bietet gute Arbeitsbedingungen. Und die Region ist zugleich ein guter Ort zum Leben. Die unmittelbare Nähe von pulsierender Hauptstadt, familienfreundlichem Umfeld, vielfältiger Kultur und abwechslungsreicher Natur macht den besonderen Reiz aus.

Unternehmeredition: Herr Stenger, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Verena Wenzelis.
verena.wenzelis@unternehmeredition.de


Zur Person: Tillmann Stenger
Tillmann Stenger ist seit 1. Januar 2013 Vorstandsvorsitzender der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) (www.ilb.de). Im Bereich Wirtschaft unterstützt die ILB gewerbliche Unternehmen, Existenzgründer und Freiberufler sowie Agrar- und Medienunternehmen.

Autorenprofil

Verena Wenzelis war bis Juli 2016 Redakteurin bei der Unternehmeredition.

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