„Wir wollen Herr im Haus bleiben“

„Dafür stehe ich mit meinem Namen“: Claus Hipps Versprechen ist schon fast so bekannt wie der von ihm seit Jahrzehnten geleitete Babynahrungshersteller selbst, dessen Ursprünge auf das Jahr 1899 zurückgehen und den der 73 Jahre alte Firmenchef in vierter Familiengeneration führt. Aus dem Werbeslogan klingt Hipps ganze Überzeugung heraus: Ein Familienunternehmen hat gegenüber Kapitalgesellschaften viele Vorteile. Das spiegelt sich auch in der Finanzierungsphilosophie wider.

Unternehmeredition: Herr Prof. Hipp, Sie sind ein Familienunternehmer mit Leib und Seele. Warum?

Hipp:
Mein persönliches Engagement ist so nur in einem Familienunternehmen möglich. Dabei war es sicher hilfreich, dass wir eine so starke Marktstellung erreicht haben. Marketing ist doch eigentlich nichts anderes als Kompetenz und Vertrauen. Kompetenz heißt, etwas ordentlich zu können. Vertrauen ist, das auch wirklich zu machen. Und meine Basis des Vertrauens ist die persönliche Haftung. Besonders wichtig ist ebenso die Möglichkeit, langfristig zu agieren, während Kapitalgesellschaften häufig von der Entwicklung ihrer Aktienkurse abhängig sind und auf sie kurzfristig reagieren müssen. Positiv sind auch die kürzeren Entscheidungswege.
Unternehmeredition: Wann ist es Ihrer Meinung nach nicht mehr sinnvoll, den Charakter eines Familienunternehmens aufrechtzuerhalten?

Hipp:
Wenn es in der Familie keine Mitglieder mehr gibt, die aktiv im operativen Geschäft tätig sind. Aber solange Familienmitglieder das tun, ist es besser, ein Familienunternehmen zu bleiben. Dazu gehört aber auch, dass man die nächste Generation für diese Arbeit begeistern muss. Viele Unternehmer machen den Fehler, dass sie dies nicht frühzeitig tun.
Unternehmeredition: Das Unternehmen Hipp ist unter Ihrer Führung – seit 1968 – deutlich gewachsen. Gibt es für Sie Grenzen des Wachstums?

Hipp:
Schon mein Vater hat das Wachstum eingeleitet. 1967, bevor ich die Leitung übernahm, hatten wir schon mehrere Hundert Mitarbeiter. Heute beschäftigen wir weltweit 2.500 Personen, davon in Deutschland weniger als 1.000. Der Personalstand ist aber nur ein Indiz. Wir investieren ordentlich und versuchen immer, technisch auf dem neuesten Stand zu sein. Wir wollen weiter wachsen, aber auf gesunde Art und Weise. Wichtig ist für uns eine gute Marktposition in den jeweiligen Regionen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in etlichen anderen Ländern sind wir Marktführer, so beispielsweise in England, Österreich und Ungarn. Das Auslandsgeschäft macht etwa die Hälfte unseres Umsatzes aus– und wir wollen überall wachsen.
Unternehmeredition: Wie sieht im Familienunternehmen Hipp die Finanzierung aus?

Hipp
: Wir wollen uns so weit wie möglich mit eigenen Mitteln finanzieren. Wir wollen Herr im Haus bleiben und keine Risiken eingehen. Aber wir arbeiten auch mit Banken zusammen. Wenn wir gute Ideen umsetzen wollen, brauchen wir auch eine Finanzierung über Banken. Es wäre auch auf anderem Weg möglich, aber das würde bedeuten, dass wir eine langsamere Entwicklung in Kauf nehmen müssten.
Unternehmeredition: Hipp steht wie ein Gattungsbegriff für Babynahrung. Kommen Produkte für Erwachsene für Sie nicht infrage?

Hipp
: Wir wenden uns an Kinder, wir machen keine Produkte für Erwachsene. Dennoch entfallen auf Erwachsene bis zu 20% der Umsätze. Es gibt sogar ein Kochbuch von Véronique Witzigmann, „Kochen ist hipp!“. Leistungssportler beispielsweise haben erkannt, dass Babynahrung den Körper weniger belastet. Auch für junge Mütter nach der Schwangerschaft sind unsere Produkte geeignet. Das ist für uns aber lediglich Zusatzumsatz.
Unternehmeredition: Wo, wenn nicht in einer Sortimentsausweitung über die Babynahrung hinaus, sehen Sie Wachstumschancen?

Hipp
: Wir müssen im Ausland und mit neuen Zielgruppen wachsen. Gleichzeitig müssen wir beim Sortiment in der Babynahrung so breit aufgestellt sein, dass wir für jede Ernährungsform der Mütter eine Lösung bieten können. Aber das Sortiment darf auch nicht so groß sein, dass die Umschlagsgeschwindigkeit zu stark reduziert wird. Wir brauchen auch einen schnellen Abverkauf, damit die Mindesthaltbarkeit von zwei Jahren garantiert werden kann. Bei der Expansion unterscheiden wir zwischen der Expansion des Sortiments und des Vertriebswegs. Die Expansion des Vertriebswegs ist eine natürliche Folge des Geburtenrückgangs im Inland, den wir sehr stark spüren. Deshalb müssen wir unser Wachstum im Ausland erzielen. Wir werden aus diesem Grund weitere neue Märkte angehen.
Unternehmeredition: Bei all dem bleiben Sie mit auffallender Konsequenz dem biologischen Landbau treu.

Hipp
: Ja, wir betreiben ihn seit mehr als 50 Jahren, aber nicht aus Marketingüberlegungen heraus, sondern wegen der Überzeugung, dass wir leichter saubere Lebensmittel herstellen können, wenn wir unmittelbar die Produktion mit steuern können. Als wir damit angefangen haben, gab es die Umweltbewegung noch gar nicht. Am Anfang hatten wir stark zu kämpfen. Die offizielle Landwirtschaft hat uns belächelt, die Politik, die Großindustrie und die Agrarwissenschaft waren dagegen. Wir sind als Spinner abgetan worden. Wir haben erst mit einigen Landwirten angefangen, dann haben immer mehr Bauern mitgemacht, die sich dann in einem Bioverband zusammengeschlossen haben. Wir brauchen für Bioprodukte zuverlässige Lieferanten. Ich bin ja selbst Bauer. Wenn es in der Nacht im Stall eine Geburt gibt, bin ich da. Die Landwirte, die für uns arbeiten, und ich, wir sprechen die gleiche Sprache. In unserem Bauernhof arbeiten wir zurzeit an einem Projekt zur Artenvielfalt in der eigenen Landwirtschaft.
Unternehmeredition: Sie verfolgen Ihre Überzeugungen auch bei Widerständen recht unbeirrt. Welche Werte sind Ihnen wichtig?

Hipp
: Wir wollen unsere Geschäfte als ehrbare Kaufleute betreiben. Das bedeutet: beste Qualität zu möglichst günstigen Preisen im Einklang mit der Natur. Die größte Herausforderung ist es, all die Dinge, die ein Familienunternehmen auszeichnen, zu bewahren und zu stärken: wertebewusstes Handeln mit allen, mit denen man in Verbindung ist, mit den Lieferanten, mit den Mitarbeitern, mit dem Handel und mit den Endverbrauchern. Die Gleichrangigkeit von Ökonomie, Ökologie und Sozialem habe ich als Erster gefordert. Ich freue mich, dass das Allgemeingut geworden ist.
Unternehmeredition: Quasi im zweiten Hauptberuf sind Sie Maler. Sie unterrichten an der georgischen Kunstakademie in Tiflis. Außerdem spielen Sie Oboe und Englischhorn. Ganz schön viele Aktivitäten neben der Führung eines Unternehmens…

Hipp
: Ich arbeite gern unter einem gewissen Druck. Das trainiert meine Entscheidungsfreudigkeit. Die Kunst beflügelt mich. Für die neue Oper „Der Brandner Kasper“, die in Gut Immling aufgeführt wird, habe ich mit meinen Studenten das Bühnenbild entworfen. Lithografie mache ich auch. Ich bin auch viel im In- und Ausland unterwegs, zum Beispiel für Vorträge. Es ist von besonderer Bedeutung, dass sich die aktiv im Unternehmerleben Tätigen äußern, nicht nur die Verbände. Was direkt von den Unternehmern kommt, ist besonders glaubwürdig.
Unternehmeredition: Herr Prof. Hipp, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Lorenz Goslich
redaktion@unternehmeredition.de


Zur Person: Prof. Claus Hipp
Prof. Claus Hipp ist geschäftsführender Gesellschafter der Hipp GmbH & Co. Vertriebs KG (www.hipp.de). Das Unternehmen, mit Sitz im bayerischen Pfaffenhofen, produziert und vertreibt Babynahrung und ist damit Marktführer in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Im vergangenen Jahr lag der Umsatz von Hipp bei 500 Mio. EUR.

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