Wir setzen auf „enkelfähige“ Investments

Interview mit Stefan Zobel, Investment Partner und Mitglied der Unternehmensführung, Haniel

Seit 266 Jahren befindet sich Haniels Stammsitz in Duisburg-Ruhrort. Das alte „Packhaus“ steht hier noch immer. Foto: © Franz Haniel & Cie.

Vom Packhaus für Kolonialwaren zur purposegetriebenen Investmentholding – die vor 266 Jahren gegründete Duisburger Franz Haniel & Cie. zählt zu den ältesten Familienunternehmen Deutschlands. Geprägt von Pioniergeist hat sie ihr Geschäftsmodell im Laufe der Jahrhunderte fortlaufend adaptiert und weiterentwickelt. 2019 wurde das Unternehmen unter neuer Führung neu aufgestellt. Wir sprachen mit Stefan Zobel, Investment Partner bei Haniel, über die neue Ausrichtung.

Unternehmeredition: Haniel startete vor 266 Jahren als „Packhaus“ für ­Kolonialwaren, heute sind Sie eine Investmentholding – wie kam es zu diesem radikalen Wandel?

Stefan Zobel: Kolonialwaren waren der Anfang, doch das Geschäft entwickelte sich schnell weiter: zunächst Richtung Bergbau und Stahlindustrie, dann Binnen­schifffahrt und zuletzt Einzelhandel. Wir waren immer Pioniere und haben eine Tradition der Transformation etabliert. Dieser stetige Wandel und mutiges Unternehmertum sind aus meiner Sicht das, was Haniel auszeichnet. Die heutige Aufstellung ist eine Fortsetzung davon – denn wir setzen mittlerweile konsequent auf „enkelfähige“ Investments, die Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Performance verbinden.

Das Unternehmen ist zu 100% in Fami­­lienbesitz, bereits seit 1917 hält sich die Familie aber komplett raus aus dem Management. Worin sehen Sie Ihre besonderen Charakteristika als Familienunternehmen?
Die erste weibliche CEO: Aletta Haniel (1742–1815) führte das Unternehmen nach dem Tod
ihres Mannes 27 Jahre lang. Auf ihr Wirken hin stieg Haniel früh in den Transport von Kohlen
und Eisenwaren im Ruhrgebiet ein. Foto: © Frank Haniel & Cie.

Die Familie Haniel ist eng mit dem Unternehmen verbunden, möchte mit der Trennung von Management und Kapital sicherstellen, dass unabhängig von Namen jederzeit die bestmögliche Mannschaft an der Spitze steht. Trotzdem sind wir auch ein typisches Familienunternehmen. Wir sind wertegetrieben, übernehmen Verantwortung für unser unternehmerisches Handeln und sind langfristig engagiert. Wir bauen Firmen mit dem Ziel auf, sie weiterzuentwickeln und zu verbessern – und nicht, um sie schnell wieder zu verkaufen. Das unterscheidet uns von anderen Investoren: Wir kaufen, um Werte langfristig zu entwickeln!

2018 markierte eines der verlust­reichsten Geschäftsjahre in Ihrer Firmengeschichte, wesentlich verursacht durch Ihre Beteiligungen an den Handelskonzernen Metro und Ceconomy. Wie haben Sie darauf reagiert?

Seit 2019 wurde eine umfangreiche Neu­strukturierung der Haniel Holding unter dem neuen CEO Thomas Schmidt vorgenommen. Es ging um die Frage, wie wir eine schlagkräftigere Aufstellung erreichen können, die insbesondere unseren bestehenden Portfoliounternehmen in der Entwicklung hilft und dafür sorgt, dass wir weitere interessante Unternehmen erwerben können.

Ein zentraler Schritt in der Transformation der Holding war der Aufbau eines professionellen Investmentteams. Dies hat die Aufgabe, interessante neue Oppor­tunitäten zu finden sowie Transaktionen umzusetzen, und verantwortet zudem die Weiterentwicklung der Portfoliounternehmen. Daneben wurde das sogenannte Haniel Operating Way (HOW) Team mit Zuständigkeit für Talentmanagement, Nachhaltigkeit und Leanmethoden etabliert. Der Haniel Operating Way ist unser gemeinsames Führungssystem, welches uns über die verschiedenen Portfoliounternehmen hinweg verbindet. Durch den Aufbau der Teams gelingt es uns, auf Holdingebene Mehrwerte für unsere Unternehmen zu schaffen. Wir halten unsere Beteiligungen nicht passiv, sondern steuern und unterstützen sie aktiv.

Was genau lief vorher schief und welches sind Ihre Lessons Learned?

Wir sind deutlich näher an die Unternehmen herangerückt und stärker involviert – als aktive Gesellschafter. Wir beteiligen uns an den unternehmerischen Entscheidungen und wollen einen echten Mehrwert schaffen. Vorher war es anders – und daraus haben wir gelernt.

Ihr neuer Ansatz ist mit „enkelfähig: Wert schaffen für Generationen“ überschrieben. Welche Ziele ver­binden Sie damit?

Unser Ziel ist es, Europas führender pur-posegetriebener Investor zu werden. Enkelfähigkeit zielt entsprechend darauf ab, heute und in Zukunft wirtschaft­lichen Erfolg und Nachhaltigkeit mit­einander zu verbinden. Der klare Fokus und die konsequente Ausrichtung des Handelns entlang dieses Ansatzes sind für Haniel neu. Die Idee und der Begriff existieren aber schon sehr lange bei uns: Über viele Jahre hieß zum Beispiel unser Unternehmensmagazin „enkelfähig“.

Wie finden Sie die passenden „enkelfähigen“ Unternehmen?

Pioniergeist und verantwortungsvolles Unterneh­mertum: Franz Haniel (1779–1868) expandierte das Unternehmen weiter in Richtung Berg- und Maschinenbau. Früh ließ er eine ­betriebliche Krankenkasse einrichten sowie die Arbeitersiedlung Eisenheim in Oberhausen bauen. Foto: © Franz Haniel & Cie.

Unsere Investmentstrategie ist themenbezogen und setzt sich aus drei Ps zusammen: People – das steht für gesunde und zufriedene Menschen, hier geht es um die Bereiche Healthcare, Safety und Security sowie Bildung; Planet – dabei geht es um die Erhaltung unseres Plane­ten für zukünftige Generationen, wichti­ge Stichworte sind Ressourceneffizienz und Zirkularität; Progress – dahinter stehen Themen wie technischer Fortschritt, industrielle Automatisierung und Robotics. Alle drei Säulen werden enkelfähig ausgerichtet. Um das sicherzustellen, haben wir ein internes Rating auf Basis der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen entwickelt. Unser eigenständiges Expertenteam bewertet potenzielle Zukäufe. Ist das Rating zu niedrig, investieren wir nicht. Das Team macht außerdem bereits vor dem Einstieg Vorschläge, wie man die Unterneh­men nachhaltig weiterentwickeln kann.

Was sind die wichtigsten Stellschrauben bei der Weiterentwicklung Ihrer Portfoliounternehmen?

Nachhaltigkeit sehen wir als einen großen Werttreiber in jedem unserer Unter­nehmen. Ein langfristig entscheidendes Thema ist dabei, aus linearen Geschäften zirkuläre Geschäftsmodelle zu machen. Es geht darum, heute noch nicht im Kreislauf agierende Unternehmen idea­ler­weise mehr in Richtung Kreislaufwirtschaft zu entwickeln. Das wird nicht von heute auf morgen funktionieren, aber da­rin sehen wir einen ganz großen Werthebel. Darüber hinaus nutzen wir Leanmethoden, führen konsequentes Talent- und Per­formancemanagement als Teil unseres Haniel Operating Way ein und unterstützen beispielsweise bei der Strategieentwicklung und M&A-­Trans­aktionen.

Was können Sie heute schon? Wo haben Sie bereits Werte gehoben?

Die CWS bietet bereits heute Hygienelösungen und Berufskleidung im Kreislaufmodell an. Wei­tere Portfoliounternehmen sollen in Richtung Kreislaufwirtschaft weiterentwickelt werden. Foto: © CWS

Unsere Portfoliounternehmen arbeiten bereits erfolgreich mit neuen, nachhalti­gen Produkten und Services. Beispielsweise hat die CWS, ein Unternehmen, das Hygienelösungen und Berufskleidung anbietet, Textilstoffe durch nachhaltige Baumwolle ersetzt. Ratioform, eine Tochter der Takkt-Gruppe, vertreibt sehr erfolgreich eine nachhaltige Verpackungslinie. Nachhaltigkeit allein ver­kauft sich jedoch nicht. Kunden erwarten gleichzeitig ein gutes Produkt – nur dann wird Nachhaltigkeit zum Erfolgsfaktor.

Können Sie uns anhand eines Beispiels aufzeigen, wie ein „enkelfähiges“ Invest­ment bei Ihnen aussieht?

Zuletzt ging Haniel eine Partnerschaft mit das kinderzimmer ein – einem Anbieter von frühkind­licher Bildung. Unternehmen, die Antworten bie­ten auf gesellschaftliche und ökologische Herausforderungen, sollen künftig im Fokus stehen. Foto: © das Kinderzimmer

Ein gutes Beispiel ist „das kinderzimmer“ in Hamburg und München, ein dynamisch wachsender Bildungsträger für frühkindliche Erziehung. Als privater ­Trä­ger unterstützt das kinderzimmer Städte und Kommunen auf Grundlage der öffent­lich-rechtlichen Rahmenbedingungen, den staatlich zugesicherten und gesellschaftlich relevanten Anspruch auf früh­kindliche Bildung sicherzustellen. Wir adressieren mit der Beteiligung und der aktiven Weiterentwicklung des Unternehmens also die Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft. Aktuell ist das kinderzimmer noch verhältnismäßig klein. Perspektivisch wollen wir weiter expandieren und das Modell auch auf andere Bundesländer ausdehnen. Unser Ziel ist es, auch zukünftig weitere Talente für das Unternehmen zu gewinnen sowie die Struk­turen und Prozesse gemeinsam mit dem Management zu professionalisieren.

Soll Ihr aktuelles Portfolio wachsen?

Wir haben momentan acht Portfoliounter­nehmen und eine Finanzbeteiligung an Ceconomy. Zu unserem Portfolio gehören BauWatch, BekaertDeslee, CWS, Emma – The Sleep Company, das kinder­zimmer, Optimar, Rovema und Takkt. Es gibt keine harte Zahl, auf die wir ­zusteuern. Aber wenn wir darüber nachdenken, wo wir in fünf Jahren sein wollen, dann reden wir über ein Portfolio von etwa zwölf bis 15 unabhängigen Unternehmen innerhalb der Haniel Gruppe. Wir werden also sicherlich noch in eine Reihe weiterer Unternehmen investieren.

Wie wird bei Ihnen die Unter­nehmensnachfolge geregelt?

Unternehmensnachfolge im klassischen Sinne ist bei Haniel kein Thema. Die derzeit 720 Familiengesellschafter geben ihre Anteile innerhalb der Familie weiter.

Welches waren Ihre jüngsten Akquisi­tionen und Verkäufe und wo geht der Zug hin?

Seit 2021 ist BauWatch im Portfolio von Haniel. Das Unternehmen bietet videobasierte Sicherheitslösungen für Bau- und Infrastrukturprojekte an. Foto: © BauWatch

2021 haben wir BauWatch, einen Anbieter videobasierter Sicherheitslösungen vornehmlich für Bau- und Infrastruktur­projekte, und das kinderzimmer erworben. Die ELG, ein Spezialist für Handel, Aufbereitung und Recycling von Rohstoffen für die Edelstahlindustrie sowie von Hochleistungswerkstoffen wie Super­legierungen und Titan, wurde veräußert. In allen drei Bereichen (People, Planet, Progress) sind weitere Akquisitionen geplant. Das Thema Planet steht dabei im Mittelpunkt. Hier wollen wir uns ganz besonders positionieren, da Aspekte wie Zirkularität und Ressourceneffizienz am stärksten auf unsere enkelfähige Kernstrategie einzahlen.

Wie sehen Ihre nächsten Pläne aus?

In der Regel investieren wir in Unterneh­men mit einem Unternehmenswert zwi­schen 200 Mio. und 1 Mrd. EUR. Wir haben allerdings festgestellt, dass es ­gerade in den Bereichen Ressourceneffi­zienz und Zirkularität zahlreiche spannende Unternehmen gibt, die sich aktuell noch in einer frühen Wachstumsphase befinden. Deshalb haben wir gerade hier auch Start-up-Unternehmen im Blick, um dort pro Beteiligung 10 Mio. bis 20 Mio. EUR im Rahmen von Series-A- und Series-­B-Runden zu investieren. Dabei wird beispielsweise der Bereich Dekarbonisierung eine große Rolle spielen.

Wir danken Ihnen für das interessante Gespräch.

rathgeber@unternehmeredition.de


ZUR PERSON

Stefan Zobel; Foto: © Franz Haniel & Cie.

Stefan Zobel ist seit 2020 Investment Partner und Mitglied des Operating & Investment Committee von Haniel. Zuvor war er als Partner bei Montagu Private Equity tätig, einem britischen Finanzinvestor.

 

 

 


KURZPROFIL

Franz Haniel & Cie.

Gründungsjahr: 1756

Branche: Mischkonzern

Unternehmenssitz: Duisburg

Umsatz 2020: 3,105 Mrd. EUR

Mitarbeiterzahl 2020: 20.400

www.haniel.de

 

Das Interview ist in der Unternehmeredition 1/2022 erschienen.
Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

Vorheriger ArtikelKrisenmodus!
Nächster ArtikelUkrainekrieg lässt ifo-Index abstürzen