Wettbewerbsnachteil Steuerlast

Warum der Mittelstand Reformen braucht – und was heute schon möglich ist

Mittelstand leidet unter hoher Steuerlast – Reformen nötig, doch viele nutzen bestehende Spielräume nicht aus.
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Er gilt als Rückgrat der deutschen Wirtschaft, findet sich in puncto Steuerbelastung aber oft im Nachteil. Im Vergleich mit Konzernen wie Amazon, Meta, Alphabet, Apple, Microsoft oder Netflix zahlt der Mittelstand hierzulande oft überproportional hohe Abgaben. Eine Schieflage, die angesichts steigender Kosten für Materialien sowie hoher Energie- und Transportpreise dringend Reformen erfordert. Kein Wunder, dass laut Unternehmensbarometer der DIHK 50 Prozent der Befragten angeben, dass die neue Bundesregierung bei der Unternehmensbesteuerung ansetzen muss. Dabei gibt es selbst innerhalb des aktuellen rechtlichen Rahmens Gestaltungsspielräume, die insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) noch zu selten nutzen.

Mittelständler zahlen überdurchschnittlich viel

Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass deutsche Unternehmen strukturell stärker belastet sind als Wettbewerber in anderen Ländern. Laut einer Analyse des ZEW Mannheim liegt die durchschnittliche effektive Steuerbelastung für KMU hierzulande bei 38 bis 39 Prozent. In vergleichbaren EU-Staaten beträgt sie dagegen meist nur rund 28 bis 30 Prozent. Besonders auffällig: Während Länder wie Belgien gezielt KMU steuerlich entlasten – mit einer Differenz von bis zu 12,8 Prozentpunkten gegenüber großen Kapitalgesellschaften –, fällt die entsprechende Entlastung in Deutschland mit nur 0,7 Prozentpunkten praktisch nicht ins Gewicht. Hinzu kommt, die steuerpolitischen Maßnahmen, die in der Vergangenheit eingeführt wurden, verfehlen ihre Wirkung häufig in der Breite oder erreichen relevante Mittelstandszweige wie das produzierende Gewerbe nur unzureichend.

Steueroptimierung als Konzernsache?

Nicht nur im EU-Vergleich offenbart sich die steuerliche Schieflage, sondern auch im Hinblick auf die Unternehmensgröße. Während multinationale Konzerne vielfach internationale Steuermodelle nutzen, um ihre Abgabenlast zu senken, sind KMU häufig auf rein inländische Rahmenbedingungen angewiesen. Laut OECD-Daten liegt die effektive Körperschaftsteuerbelastung einiger global tätiger Unternehmen bei gerade einmal 5 Prozent. Weniger international ausgerichtete Unternehmen hingegen zahlen in der Regel um die 30 Prozent.

Um dem internationalen Unterbietungswettbewerb bei Abgaben entgegenzuwirken, wurde auf Ebene der OECD und G20 ein Zwei-Säulen-Modell beschlossen. Ziel ist es unter anderem, besonders profitable Konzerne dort steuerlich zu erfassen, wo sie ihre Umsätze erzielen (Pillar One), sowie eine globale Mindestbesteuerung von 15 Prozent einzuführen (Pillar Two). Während die Mindeststeuer in Deutschland bereits Anfang 2024 eingeführt wurde, ist die Umsetzung von Pillar One ins Stocken geraten – nicht zuletzt durch jüngste politische Entwicklungen in den USA. Die langfristige Wirksamkeit dieser Maßnahmen bleibt daher abzuwarten.

KMU treffen auf die Struktur des Steuerrechts

Ein weiterer Aspekt, der kleinere Betriebe häufig ins Hintertreffen geraten lässt, ist die Grundstruktur des deutschen Steuerrechts. Kapitalgesellschaften zahlen in Deutschland auf ihre Gewinne Körperschaftsteuer (15 %), Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer. Die Gesamtbelastung liegt im Durchschnitt also bei rund 30 Prozent. Anders stellt sich die Lage für Personengesellschaften dar, die im Mittelstand noch weit verbreitet sind. Da deren Gewinne unmittelbar der Einkommensteuer ihrer Unternehmer unterliegen, wächst bei steigendem Gewinn auch die Steuerlast progressiv – bis zu einem Reichensteuersatz von 45 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag. Hinzu kommt die Gewerbesteuer, die je nach Kommune stark variiert(etwa 300 bis 500 Prozent). Damit können sich die Belastungen in Summe auf deutlich über 45 Prozent belaufen. Anders als Großkonzerne können KMU diese Belastung oft auch nicht durch konzerninterne Gestaltung, zum Beispiel über zentrale Beteiligungsgesellschaften, mildern.

Gestaltungsoptionen im internationalen Umfeld

Während Reformen auf sich warten lassen, können auch kleine, international tätige Unternehmen vorhandene Spielräume nutzen. Dazu zählen Niederlassungen oder Tochtergesellschaften in Ländern mit moderaten Steuersätzen wie Irland oder den Niederlanden. Neben attraktiven Körperschaftsteuersätzen bieten viele dieser Standorte Vorteile bei der Behandlung von Lizenzgebühren oder durch steuerliche Anreize für Forschung und Entwicklung (F&E). Hinzu kommt, dass Deutschland mit einer Vielzahl an Staaten Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen hat, die unter bestimmten Voraussetzungen steuerliche Entlastungen ermöglichen.

Zudem kann die gezielte Verwaltung von immateriellem Vermögen – insbesondere geistiges Eigentum – dazu beitragen, Lizenz- und Nutzungserlöse in günstigeren Jurisdiktionen zu versteuern. Solche Maßnahmen setzen allerdings eine vorausschauende Planung, detaillierte Risikoabwägung und die Einhaltung komplexer Compliance-Vorgaben voraus.

Spielräume im Inland nutzen

Auch für inländisch agierende Unternehmen bestehen Gestaltungsspielräume. Der Investitionsabzugsbetrag (IAB) erlaubt es beispielsweise, bis zu 50 Prozent der Kosten geplanter Investitionen bereits vor der Anschaffung steuerlich als Betriebsausgabe geltend zu machen. Dies bietet Liquiditätsvorteile – insbesondere für Unternehmen mit Investitionsbedarf im Maschinenpark oder Fuhrpark. Die Regelung richtet sich an Betriebe mit einem maximalen Gewinn von 200.000 Euro und ist damit besonders für kleinere Mittelständler interessant.

Eine weitere Option ist die Gewinnthesaurierung in Kapitalgesellschaften. Hierbei werden Gewinne im Unternehmen belassen, wodurch sich die sofort fällige Kapitalertragsteuer vermeiden lässt. So kann Liquidität im Betrieb gehalten werden – ein Vorteil etwa bei Expansionsvorhaben oder Kapitalbedarf für Innovationen. Auch Personengesellschaften können durch die sogenannte Thesaurierungsbegünstigung oder die Option zur Körperschaftsbesteuerung ähnliche Effekte erzielen.

Hinzu kommt: Die Wahl oder Änderung der Rechtsform kann – strategisch geplant – zu erheblichen Steuerentlastungen führen. Eine Umstrukturierung zum Beispiel in eine Holdinggesellschaft kann sich lohnen, sollte aber stets mit steuerlicher und rechtlicher Expertise begleitet werden.

Steuerpolitik braucht Reform, Unternehmen brauchen Handlungskompetenz

Die steuerliche Belastung mittelständischer Unternehmen in Deutschland ist hoch. Während auf politischer Ebene über Entlastungen noch diskutiert wird, sind konkrete Reformen bislang weitgehend ausgeblieben. Gleichzeitig bietet das Steuerrecht – national wie international – Gestaltungsmöglichkeiten, die bisher zu wenig ausgeschöpft werden. Entsprechend wichtig ist es, sich nicht erst im Rahmen des Jahresabschlusses mit Steuerfragen auseinanderzusetzen. Wer sich frühzeitig mit dem Thema Optimierung beschäftigt, kann neben der Reduzierung der Abgabenlast auch für die Verbesserung der strategischen Handlungsfähigkeit des eigenen Unternehmens sorgen. Steuerplanung ist also nicht nur eine Frage der Bilanz, sondern auch ein Baustein für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg.

Autorenprofil
Prof. Dr. Christoph Juhn
Geschäftsführender Partner at  | Website

Prof. Dr. Christoph Juhn ist Professor für Steuerrecht an der FOM Hochschule und geschäftsführender Partner der Kanzlei Juhn Partner.

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