Der Immobilienanteil an der Bilanzsumme deutscher Industrieunternehmen dürfte im Durchschnitt bei etwa 15% bis 20% liegen. Infolge der wirtschaftlichen Abkühlung und der veränderten Arbeitswelt durch Homeoffice schwankt der Bedarf produktiver und administrativer Flächen der Unternehmen. Bestand früher noch eine rege Investorennachfrage nach solchen nicht mehr betriebsnotwendigen Grundstücken und Gebäuden, so müssen heutzutage die Industrieunternehmen die Hebung vorhandener Wertpotenziale immer häufiger selbst anstoßen.
Werte richtig einordnen
Im Rahmen betriebsnotwendiger Immobilien ist der Wert deutlich über den Geschäftszweck für den Mieter definiert. Werden jedoch beispielsweise Verlagerung von Produktionskapazitäten oder strategische Neuausrichtungen im Unternehmen vollzogen, verbleiben nicht mehr betriebsnotwendige Assets auf der Bilanz und werfen Fragen zur Verwertung und Liquiditätssteigerung auf. Dies betrifft unter anderem Produktionsstätten, Lager, Büros wie auch Grundstücksreserven gleichermaßen. Sobald der ursprüngliche Nutzungszweck entfällt oder sich ändert, gelten häufig die bisherigen Annahmen zum Wert nicht mehr und sind mit einem spärlichen Käuferumfeld konfrontiert. Durch die veränderten Marktbedingungen und gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen zeigen vor allem energieintensive Sektoren, aber auch der Automotive-Bereich, dass der Investorenappetit deutlich vermindert ist. Verwertungsinstrumente wie Sale & Lease Back und Sale & Rent Back kommen nicht mehr in der Häufigkeit zur Anwendung wie bis 2020. Vielmehr sind aktuelle Transaktionen deutlich geprägt durch hohe Anforderungen an die Drittverwendungsfähigkeit sowie Nutzungsflexibilität – diese Faktoren fallen in den meisten Beständen aufgrund der bisherigen Nutzungsspezifika sehr gering aus und bewirken deutliche Abwertungen der Immobilie.
Potenziale erkennen
Um Werterhalt oder sogar Wertsteigerung zu erzielen, sind eine tiefgehende Analyse der aktuellen Rahmenbedingungen und die Einordnung in das spezifische Marktumfeld von wesentlicher Bedeutung. Hierbei ist es wichtig, dass stets das gesamte Portfolio in die übergeordneten Planungen und Maßnahmen einfließt. Wie verändert sich mein Flächenbedarf? Habe ich die Möglichkeit, zu konsolidieren? Kann ich durch Prozessanpassungen Immobilienwerte freisetzen und dadurch eine höhere Flexibilität erreichen?
Neben diesen allgemeinen, strategischen Einflüssen sind vor allem die aktuellen bauordnungs- und bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten sowie die Objektqualität wichtige Potenzialtreiber. Eine umfassende Betrachtung eines räumlich naheliegenden Nachnutzerkreises gibt bereits erste Hinweise, ob eine potenzielle Nachnutzung mit ähnlichem Flächenanforderungsprofil überhaupt realistisch erscheint. Vielmehr muss die Frage lauten, ob das Objekt für die umliegende Nutzerlandschaft die Nachfrage bedienen kann. Sofern dies nicht der Fall ist, muss unweigerlich das Augenmerk in die Bereiche Drittverwendungsfähigkeit und Flächenflexibilität fallen. Ist das Objekt/Grundstück teilbar? Ermöglicht der Bebauungsplan weitere Nutzungsarten, die eine bessere Nachfragesituation vorweisen? Wie ist der technische und energetische Stand et cetera? Durch die marktorientierte Analyse erhält man das Bild der besten Nachfragesituation und kann das eigene Asset am maximal erzielbaren Verwertungserfolg messen und hieraus Maßnahmen schnüren.
Werte steigern
Die vorangehenden Betrachtungen zu einem ideal verwertbaren Produkt im aktuellen Marktumfeld helfen, für die weiterführenden Entscheidungen einen wirtschaftlich sinnvollen Rahmen zu stecken und den Wert im Bestand oder auch in Vorbereitung einer Transaktion zu sichern oder zu verbessern. Da Investoren im aktuellen Marktumfeld mit geringer Risikobereitschaft solchen opportunistischen Ankaufsmöglichkeiten gegenüberstehen, liegt ein Großteil des Hebelwegs bei den Eigentümern. So kann gegebenenfalls durch einen geringen Kapitaleinsatz die potenzielle Teilbarkeit des Objekts in eine Multi-Tenant-Struktur vorbereitet, alternative Nutzungsmöglichkeiten durch Einbindung der Verwaltungen eruiert sowie die Entwicklung effizienterer Flächenkonzepte angestoßen werden. So können beispielsweise bei weit gefassten Nutzungsmöglichkeiten gemäß B-Plan bereits erste Konzepte und Ideen in eine weitere Verwertungsstrategie einfließen. Sofern der Nutzen in wirtschaftlichem Verhältnis steht, können diese Maßnahmen bis hin zu strukturellen Eingriffen, Baurechtsschaffung und weiteren Maßnahmen führen. Mit steigender Drittverwendungsfähigkeit und Flächenflexibilität steigt auch der Kreis potenzieller Interessenten auf Nutzer- und Investorenebene, wodurch der aktuelle Wert gesichert und gegebenenfalls gesteigert werden kann.
FAZIT
Die aktuellen Marktgegebenheiten mit sinkender Nachfrage bringen Werte von Immobilienbeständen ins Wanken. Mit Wegfall des ursprünglichen Nutzungszwecks verfällt häufig ein wesentlicher Teil des bisher stabilen Werts. Dies trifft nicht nur die Bestände im Bereich der Corporates – auch bei Bestandshaltern, Family Offices und Portfoliostrukturen sind diese Abwertungen bereits durchgedrungen oder kündigen sich an. Mit einem schnellen Überblick lassen sich im Rahmen eines Quick-Checks die wesentlichen Stellschrauben erkennen und eine Entscheidungsgrundlage bilden, wie weit an den Schrauben gedreht wird, um weiteren Abwertungen zu entgegnen.
👉 Dieser Beitrag ist in der Unternehmeredition-Magazinausgabe 4/2024 mit Schwerpunkt “Unternehmervermögen” erschienen.