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„Im Vermögensaufbau ist Aktien- oder Fondssparen ein Muss“

Vermögensaufbau Interview

Bildquelle: Adobe Stock; © Andrey Popov

Sowohl Privat- als auch Unternehmervermögen drohen durch Negativzinsen und Inflation geradezu ruinöse Entwicklungen für die angesparten Kapitalstöcke. Muss das wirklich sein? – die Unternehmeredition sprach ein weiteres Mal mit DJE-Experte Christian Janas, dem Leiter der Vermögensverwaltung zum Thema Vermögensaufbau. 

Unternehmeredition: Herr Janas, wir sprachen zuletzt vor fast genau einem Jahr, zwischen Lockdown 1.0 und 2.0 – damals wussten wir nicht, was noch auf uns wartet. Wie lautet Ihre Bestandsaufnahme zur Wirtschaft und zum aktuellen Stand der Dinge?

Janas: Herausfordernde Zeiten liegen hinter uns und stehen uns zugleich bevor. Die Notenbanken könnten das Zünglein an der Waage spielen. Werden Zinsen aufgrund der anziehenden Inflation erhöht, reagieren Technologietitel sofort äußerst sensibel, da sie ausschließlich von Kurssteigerungsphantasie leben, nicht von Dividenden. So kommt es zu gewissen Branchenrotationen. Das geht teilweise so schnell, dass normale Investoren praktisch gar nicht mehr darauf reagieren können.

Wo sind denn die Leitzinsen gestiegen? – bisher war es doch nur die bekannte Verbalakrobatik, wie man sie von Alan Greenspan kannte.

Janas: Das ist richtig: Bisher blieb es bei Andeutungen, abgesehen vielleicht von Norwegen. Und vergessen Sie nicht, dass Notenbanken über verschiedene Werkzeuge verfügen, an den Kapitalmärkten zu intervenieren, wenn ihnen gewisse Entwicklungen nicht gefallen. Eine etwas weichere Maßnahme als eine Leitzinserhöhung wäre, zunächst einmal weniger Anleiheaufkäufe zu tätigen.

„Was in China passiert oder auch nicht passiert, ist weltwirtschaftlich gesehen erheblich wichtiger als die Bundestagswahl in Deutschland“

Muss man denn jedem Trend “hinterherhecheln”?

Janas: Nein, das sollte man nicht tun. Eine gewisse Gelassenheit sollte bei Investitionsentscheidungen stets gegeben sein. Zumal wir international denken und international anlegen mit zum Teil dem MSCI World als Benchmark. Entwicklungen in einzelnen Ländern nehmen wir zur Kenntnis, jedoch kann z.B. eine Bundestagswahl wie Ende September in Deutschland nicht gleich unseren gesamten Kosmos über den Haufen werfen. Was in China passiert oder auch nicht passiert, ist weltwirtschaftlich gesehen erheblich wichtiger – z.B. grundsätzliche Dinge, wie die Chinesen mit Evergrande zu verfahren gedenken.

In Deutschland wurde mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds, kurz WSF, ja die finanzielle ‚Bazooka‘ ausgelobt – im Mittelstand kam derweil nur wenig an…

Janas: Tatsächlich gab es ja trotz des Schweregrads der Coronakrise vergleichsweise wenige Insolvenzen – aus bekannten Gründen wie Verlängerung der Insolvenzantragspflicht etc. Was aber untergeht, sind die vielen Geschäftsaufgaben bei Selbstständigen und generell im Mittelstand. Die sieht man in der Statistik nicht. Die vielen Beschäftigten, z.B. im Bereich Messe, sind komplett verschwunden, und sie werden wahrscheinlich auch nicht zurückkommen. Womöglich arbeiten sie derzeit eher im Baugewerbe. Kurz gesagt: Die Politik hat mit Lufthansa oder TUI das Geld erst einmal dort eingeschossen, wo die meisten unzufriedenen Arbeitslosen zu befürchten waren – sie sind schließlich auch Wähler. Im Bereich Kleinstbetriebe mit vier oder fünf Mitarbeitern wären meiner Einschätzung nach eher die Industrie- und Handelskammern gefordert gewesen.

„Die Politik hat mit Lufthansa oder TUI das Geld erst einmal dort eingeschossen, wo die meisten unzufriedenen Arbeitslosen zu befürchten waren.“

Nun hatten wir gerade besagte Bundestagswahl. Ist das für Ihre DJE-Fondsmanager ein Non-Event oder verfolgt man die Koalitionsgespräche mit Argusaugen? Es könnte sich ja noch eine Weile hinziehen, ähnlich 2017…

Janas: Politische Börsen haben bekanntlich kurze Beine. Rot-Rot-Grün hätte wahrscheinlich die Märkte kurzfristig belastet, aber dann wäre es auch wieder gut gewesen. Von einer Ampel-Koalition erwartet sich niemand irgendeine wie auch immer geartete gravierende Änderung der deutschen Politik, und genau das spiegelt ja auch die Entwicklung der Finanzmärkte seit Ende September wider. Unsere Fondsmanager schauen dann schon doch mal detaillierter in die Branchen, aber das sind Einzelheiten.

Also Blick wie gewohnt aufs große Ganze – und da gibt es weltwirtschaftlich betrachtet schon einige Baustellen, oder nicht?

Janas: Ein Ölpreis, der Richtung 100 USD marschiert, bedeutet sicherlich alles andere als Rückenwind. Die Rohstoffpreise steigen praktisch durch die Bank, dazu kommen Lieferengpässe bei Chips, die heute fast überall verbaut werden. Diese Gemengelage wird das Weltwirtschaftswachstum im laufenden Jahr bremsen, also die Nachholeffekte nach dem Coronaschock. Gerade wurde die Schätzung nach unten revidiert. Der Wiederaufholeffekt gehe aber nicht verloren, er sei nur ins Jahr 2022 verschoben, so Wirtschaftsminister Altmaier.

Der Gold & Stabilitätsfonds entwickelt sich solide, wenn auch nicht überschwänglich. Gibt es eine plausible Erklärung, warum Gold trotz massivster staatlicher Interventionsmaßnahmen derzeit praktisch überhaupt nicht profitiert?

Janas: An guten Erklärungen beißen sich aktuell viele die Zähne aus. Eigentlich müssten persistierende Negativzinsen ganz klar Rückenwind für Edelmetalle bedeuten. Allerdings muss man sich dann auch wieder in Erinnerung rufen, woher die größte Nachfrage nach Gold kommt: aus China und Indien. Und China macht sich derzeit primär Sorge um seine Konjunkturankurbelung – da steht die Aufstockung der eigenen Goldbestände hinten an. Zudem ist der US-Dollar, in dem Gold gehandelt wird, stärker geworden bzw. hält sich vergleichsweise stark.

Und warum kann sich der US-Dollar so stark behaupten? – in den USA läuft ja auch nicht wirklich alles nach Plan.

Janas: Nein, das tut es nicht. Wir haben aber weiterhin eine Zinsdifferenz: Hier in Europa haben wir minus 0,1% für zehnjährige Staatsanleihen, in den USA plus 1,5%. Anlagekapital verlagert sich also dorthin, wo man ein klein wenig mehr Rendite erzielt. Das fördert die Nachfrage nach dem Dollar. Diesen Renditevorsprung darf man nicht unterschätzen.

Nun stehen die europäischen Indizes, aber auch weltweit – Ausnahmen bestätigen die Regel – auf oder nahe ihren Allzeithöchstständen. Ist das in der Vermögensanlage eigentlich ein Argument Pro oder Contra für einen aktuellen Neueinsteiger?

Janas: Vorwegschicken möchte ich, dass wir eine Investition, egal ob privat oder institutionell, stets für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren empfehlen. Insofern tritt die Timing-Frage in den Hintergrund. Die wirtschaftliche Situation in Deutschland, aber auch allgemein in der Welt, ist nach Corona doch wieder recht gut – sie könnte aber noch besser sein, das hatten wir zuvor ja angeschnitten. Das heißt, Unternehmen erwirtschaften auskömmliche Gewinne, von denen ein gewisser Prozentsatz über Dividenden auch beim Anleger ankommen. Sowohl dieser Umstand wie auch die Höhe der prognostizierten Ausschüttungen spricht derzeit ganz klar für eine Anlage in Sachtitel, wozu Aktien als Beteiligungen an Unternehmen zählen.

„Werden die vielen Neubörsianer des vergangenen Jahres im Falle eines Crashs wie 2008 ihren Neobrokern, Robo Advisors oder Index-ETFs treu bleiben oder gleich wieder hinschmeissen?

Eine knifflige Frage zum Abschluss: Gibt es in der Vermögensanlage noch so etwas wie ‚Innovationen‘ – falls ja, was könnte das sein? Ich denke hier u.a. an den Einsatz von KI oder Robo Advisors.

Janas: Von der Produktseite her auf jeden Fall. Zertifikateanbieter kommen stets mit neuen Ideen. Und Robo Advisors würde ich auch als Innovation verstehen. Der Deutsche per se verfügt nicht über tiefes Finanz-Knowhow, also ist das Mittel der Wahl, Anlageentscheidungen in Expertenhände zu geben. Ein Robo Advisor kann durchaus die richtige Wahl sein. Ich frage mich aber auch, was passiert, wenn wir wirklich mal wieder einen Crash und eine längere Baisse haben wie zuletzt in der Finanzkrise 2008. Werden die vielen Neubörsianer des vergangenen Jahres dann ihren Neobrokern, Robo Advisors oder Index-ETFs treu bleiben oder gleich wieder hinschmeißen? Eine klare Strategie zum Start der Anlage und die Umsetzung im richtigen Risikoprofil ist die entscheidende Basis für langfristige Erfolge. Das Motto hier: Zeit bringt Rendite.

„Ich wünsche mir mindestens einen Volkswirtschaftler, noch besser einen Betriebswirtschaftler in nennenswerter Position oder Funktion in der neuen Regierungskonstellation – gerne auch mehrere!“

Nun ja, mit einer neuen Bundesregierung könnte ja endlich jemand an die Oberfläche gespült werden, der oder die gewisse Aspekte und Erfordernisse des Kapitalmarkts versteht und sie auch vertritt. Sind sie zuversichtlich?

Janas: Zumindest würde ich mir diese Konstellation wünschen. Was wir definitiv brauchen für die Altersvorsorge, ist Aktiensparen oder Fondssparen – egal, wie das Konstrukt am Ende heißen mag. Daran führt kein Weg vorbei. Und es muss staatlich gefördert werden, einfach sein – also auch gewollt werden. Ja, und deshalb würde ich mir mindestens einen Volkswirtschaftler, noch besser einen Betriebswirtschaftler in nennenswerter Position oder Funktion in der neuen Regierungskonstellation wünschen. Gerne auch mehrere!

Herr Janas, ganz herzlichen Dank an Sie für die aufschlussreichen Einblicke!

 


ZUR PERSON

Christian Janas ist Leiter der Vermögensverwaltung der DJE Kapital AG.

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