Die Nachfolgezentrale MV bringt Unternehmer und Nachfolger zusammen

v.l.n.r.: Fred Schneider (IHK Rostock), Frank Witt (IHK Schwerin), Wilfried Dobbertin (HWK Schwerin), Anne-Cathrin Lüttke (Nachfolgezentrale MV), Volker Hirchert (IHK Neubrandenburg), Andreas Weber (HWK Ostmecklenburg-Vorpommern), Frank Bartelsen (Nachfolgezentrale MV).

Mecklenburg-Vorpommern hat eine relativ junge Geschichte, was mittelständische Familienunternehmen betrifft. Dennoch wurde vor Ort mit der „Nachfolgezentrale MV“ eine der ersten Matchingplattformen speziell für ein Bundesland geschaffen. Mit Erfolg!
DAS INTERVIEW FÜHRTE MATHIAS RENZ

Unternehmeredition: Wie kam es zur Gründung der Nachfolgezentrale MV?
Lüttke: Die Akteure unseres Projekts, also Wirtschaftskammern, das Land MV selbst und die Bürgschaftsbank MV, haben im Jahr 2015 erkannt, dass es mehr braucht als öffentliche, sich selbst regulierende Plattformen, um eine Unternehmensnachfolge langfristig erfolgreich zu meistern. Vielen Unternehmern ist die Vertraulichkeit sehr wichtig und gleichzeitig ist die Nachfolgersuche die größte Herausforderung. Deshalb haben wir uns entschlossen, eine eigene nicht-öffentliche Plattform besonders für diese Bedürfnisse zu schaffen, die übrigens für Verkäufer und Käufer kostenfrei ist.

Im Vergleich zur bundesweiten Plattform nexxt-change, die mit Chiffreanzeigen arbeitet, läuft Ihre Datenbank im Hintergrund, ist also nicht öffentlich einsehbar. Wie gelingt Ihnen ein „Match“?
Mit der Synergie von Mensch und Maschine, sozusagen. Wir haben eine eigene Matchingsoftware entwickelt, die kriterienbasiert eine Vorauswahl trifft, wer zu wem passen könnte. Unsere Aufgabe ist es dann, erste Gespräche mit den Interessenten zu führen und die Unterlagen zu prüfen, um herauszufinden, ob es sich tatsächlich um ein vielversprechendes Match handelt.

Wie verläuft der weitere Prozess?
Sobald wir ein Match haben, stellen wir dem Nachfolgeinteressenten das Unternehmen mit anonymen Rahmendaten vor. Besteht dann Interesse, bekommt der Unternehmer die Unterlagen, also den Lebenslauf, ein Motivationsschreiben, ähnlich wie bei einer klassischen Bewerbung. Äußert der Unternehmer – bei uns auch Übergeber genannt – dann den Wunsch nach einem Erstgespräch, informieren wir den Nachfolger und organisieren ein erstes Treffen. Dieses kann auf Wunsch durch uns begleitet werden. Verläuft es positiv, werden die Gespräche fortgesetzt, die wir gern koordinativ unterstützen. Für rechtliche und steuerliche Fragen braucht es gegebenenfalls Unterstützung der jeweiligen Experten, die bei uns auch Netzwerkpartner werden können. Sie können sich ihren eigenen Account anlegen und ihre Mandanten/Kunden damit eintragen und bleiben für uns Ansprechpartner im Prozess.

Wie viele Nachfolgeprobleme konnten mithilfe Ihrer Plattform inzwischen gelöst werden?
Das Nachfolgeportal MV ist nun seit über einem Jahr online und wir haben im Moment knapp 20 Mandate auf der Zielgeraden, heißt: in Basis- und Abschlussverhandlungen zur Übernahme. Davor konnten bereits über 30 externe Übergaben sowie 14 interne/familiäre Übergaben erfolgreich begleitet werden. Im Schnitt ist ein Mandant bei uns mindestens ein Jahr registriert. Wenn dann ein Match gefunden ist, beanspruchen die Verhandlungen naturgemäß auch ihre Zeit. Daher vergehen bis zur finalen Übernahme nicht selten ein bis zwei Jahre.

Sie haben inzwischen Anfragen aus anderen norddeutschen Bundesländern, die Ihr Plattformmodell ebenfalls etablieren wollen. Wie läuft die Zusammenarbeit?
Sehr gut. Wir freuen uns über das vielseitige Interesse an unserem Projektkonzept und befinden uns mit mehreren anderen Bundesländern in ersten Gesprächen zur Adaption. Personelle Ressourcen sind jedoch notwendig, um strategisch erfolgreich sein zu können. Das ist für einige Institutionen aktuell noch die Herausforderung, denn es braucht ein eigenes Projektteam, welches sich ausschließlich der Nachfolge widmet. Der Wunsch zur Übertragung in andere Bundesländer ist jedoch vorhanden und wird perspektivisch sicherlich auch realisiert werden.

Anne-Cathrin Lüttke und Frank Bartelsen von der Nachfolgezentrale MV

Wenn Verkäufer und Käufer Interesse aneinander gefunden haben, aber noch offene Fragen bestehen – inwiefern helfen Sie bei rechtlichen Fragen, bei der Kaufpreisfindung oder gegebenenfalls als Mediator?
Für die Kaufpreisfindung haben wir einen eigenen kostenfreien Unternehmenswertrechner auf unserer Website entwickelt, der auf Ertragswertbasis einen ersten indikativen Unternehmenswert errechnet. Dieser wird mittlerweile bundesweit von allen Bürgschaftsbanken verwendet. Mediatoren sind wir zusätzlich recht oft, denn Emotionen sind ein großer Faktor in der Nachfolge. Bei rechtlichen und steuerlichen Fragen sind die Wirtschaftskammern und externe Berater die richtigen Ansprechpartner; unser Fokus liegt auf der Vermittlung und Koordination.

Sie sind eine Aktivität des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Wie wichtig ist für Sie der Verbleib des Unternehmensstandorts im Bundesland?
Unser Projekt wird mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) über das Land MV gefördert – jedoch sind wir kein landeseigenes Projekt, denn Wirtschaftskammern, also IHKs und HWKs im Land sowie die Bürgschaftsbank MV als unsere Projektträgerin unterstützen uns finanziell wie auch strategisch. Es geht um den Erhalt der Betriebe und Unternehmen innerhalb der Landesgrenzen. Interessenten, also auch andere Firmen, können aus anderen Bundesländern oder auch dem Ausland kommen. Wichtig ist nur, dass der Firmenstandort in MV erhalten bleibt und der Investor auch vor Ort agiert und sich damit geografisch erweitert.

Wann sollte ein Unternehmer in Ihren Augen die Nachfolgethematik anpacken und wie viel Zeit sollte er einplanen?
Die magische Zahl, die wir stets nennen, ist 55. Ab 55 sollte sich ein Unternehmer Gedanken darüber machen, wer nach ihm kommen könnte. Das heißt, noch nicht aktiv extern zu suchen, aber gedanklich erste Planungen vorzunehmen und mit Familienangehörigen zu sprechen – besonders, wenn ein Kind zur Nachfolge infrage kommt. Bei externer Nachfolgersuche sollten mindestens ein, eher zwei Jahre eingeplant werden, denn selten ist der erste Kandidat der Volltreffer, meist braucht es mehrere Gespräche, und dafür ist Zeit die wichtigste Ressource.

Vielen Dank für das Interview!


ZUR PERSON

Anne-Cathrin Lüttke hat unter anderem einen Masterabschluss im Bereich Unternehmens-kommunikation. Nach Controlling- und Marketingtätigkeiten entwickelte sie im Jahr 2018 gemeinsam mit Frank Bartelsen das Konzept zur Nachfolgezentrale MV weiter.

 

Der Beitrag ist in der Ausgabe 1/2020 – Unternehmensnachfolge erschienen.

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