Die wirtschaftliche Lage Deutschlands bleibt angespannt. Die Bundesregierung erwartet nach der heute veröffentlichten Prognose für das Jahr 2025 eine Stagnation des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts (BIP), nachdem bereits die beiden Vorjahre durch rückläufige Wachstumsraten geprägt waren. Ursprünglich hatte das Wirtschaftsministerium ein leichtes Plus von 0,3 Prozent prognostiziert – bereits eine deutliche Abwärtskorrektur gegenüber früheren Erwartungen. Doch angesichts globaler Unsicherheiten, insbesondere durch die protektionistische US-Handelspolitik, wurde auch diese Schätzung revidiert. Als zentraler Belastungsfaktor gilt die von US-Präsident Donald Trump initiierte Zollpolitik. Sie sorgt für erhebliche Verunsicherung an den Finanzmärkten und in den Unternehmen. Insbesondere die exportabhängige deutsche Industrie leidet unter der daraus resultierenden Eintrübung der globalen Nachfrage.
Handelspolitische Risiken
Die Bundesregierung sieht in der wirtschaftspolitischen Ungewissheit sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene einen wesentlichen Grund für die enttäuschende Konjunkturentwicklung. Die instabile politische Lage nach dem Zusammenbruch der Ampel-Koalition im November 2024 hat Maßnahmen zur Wachstumsförderung verzögert. Investitionen wurden vielfach zurückgestellt, und der private Konsum litt unter der daraus folgenden Unsicherheit. Wirtschaftsminister Robert Habeck verwies bei der Vorstellung der Frühjahrsprojektion auf die Schwierigkeiten, denen sich die Politik gegenübersieht: „Geld allein löst kein Problem.“ Ein historisches Schuldenpaket, das im März 2025 beschlossen wurde, soll nun mittelfristig Impulse liefern. Die tatsächliche Wirksamkeit dieser Maßnahmen bleibt jedoch abzuwarten.
Binnenwirtschaftliche Stabilisierung schwach
Positiv vermerkt wird im Frühjahrsgutachten ein gewisser Stabilisierungseffekt auf den Binnenkonsum. Sinkende Inflationsraten – von +2,2 % im Vorjahr auf voraussichtlich +2,0 % in diesem Jahr – sowie steigende Realeinkommen könnten den privaten Verbrauch stützen. Dennoch dürften Investitionen wegen unsicherer Finanzierungsbedingungen und trüber Geschäftserwartungen nur langsam wieder anziehen. Auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich ein gemischtes Bild. Zwar ging die Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe weiter zurück, im Dienstleistungssektor wurden hingegen neue Stellen geschaffen – so viele wie zuletzt im Mai 2024. Die Arbeitslosenquote wird dennoch steigen und 2025 voraussichtlich bei 6,3 Prozent liegen.
Uneinheitliche Signale
Aktuelle Frühindikatoren wie der HCOB Flash Deutschland Composite PMI zeigen ein uneinheitliches Bild. Mit einem Rückgang auf 49,7 Punkte im April ist die deutsche Wirtschaft erneut in den rezessiven Bereich abgerutscht. Während die Industrieproduktion zum zweiten Mal in Folge leicht zulegte, trübte sich die Lage im Dienstleistungssektor deutlich ein. Hier sank die Geschäftstätigkeit so stark wie seit Februar 2024 nicht mehr. Gleichzeitig steigen dort die Einkaufspreise, was auf neue Preisdynamiken hinweist. Dagegen profitieren Industrieunternehmen derzeit von gesunkenen Energiekosten und konnten ihre Verkaufspreise erstmals seit fast einem Jahr wieder anheben – ein Hinweis auf mögliche Erholungstendenzen im verarbeitenden Gewerbe.
Ifo-Index liefert Hoffnungsschimmer
Entgegen den negativen Konjunktursignalen überraschte der Ifo-Geschäftsklimaindex im April mit einem leichten Anstieg. Der Indexwert verbesserte sich zum vierten Mal in Folge auf 86,9 Punkte. Besonders die Dienstleistungsbranche und das Bauhauptgewerbe zeigten sich optimistischer. Industrieunternehmen hingegen blickten aufgrund der unsicheren Handelsperspektiven deutlich pessimistischer in die Zukunft. Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, sieht die deutsche Wirtschaft dennoch nicht am Rande einer Krise, sondern in einem Umbruch: „Die Unternehmen stellen sich auf Turbulenzen ein.“ Er verweist auf die gestiegene Unsicherheit, die vor allem durch die außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen bedingt sei.
Verhaltene Ausblicke
Für das Jahr 2026 erwarten Bundesregierung und Internationale Organisationen nur eine langsame Rückkehr zu Wachstum. Die Bundesregierung prognostiziert für das kommende Jahr einen Anstieg des BIP um 1,0 Prozent. Der IWF teilt diese Einschätzung, warnt jedoch vor Rückschlägen im Falle eines eskalierenden Zollstreits mit den USA. Auch die Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute sieht kaum Wachstumsimpulse für 2025 und weist darauf hin, dass viele Risiken – insbesondere geopolitische – weiterhin bestehen bleiben. Sollte es zu einer Eskalation des transatlantischen Handelskonflikts kommen, könnte sich die konjunkturelle Lage erneut verschärfen. Langfristig steht das exportorientierte Geschäftsmodell der deutschen Wirtschaft auf dem Prüfstand.
Zwar konnten deutsche Hersteller zuletzt mehr Auslandsaufträge verbuchen – ein Lichtblick nach drei Jahren Rückgang –, jedoch bleibt das Wachstum auf niedrigem Niveau. Experten sehen Hoffnung in einer Diversifizierung der Exportmärkte und einer stärkeren Fokussierung auf Dual-Use-Güter, insbesondere im Zuge steigender Verteidigungsausgaben. Dr. Cyrus de la Rubia, Chefökonom der Hamburg Commercial Bank, betont die Widerstandsfähigkeit der Industrie: „Die Unternehmen passen sich an – durch neue Produkte, neue Märkte und flexiblere Strukturen.“ Damit könne der Strukturwandel gelingen, sofern politische Rahmenbedingungen stabil bleiben.
Zwischen Krise und Neujustierung
Die konjunkturellen Aussichten für Deutschland sind weiterhin verhalten. Trotz einzelner positiver Signale bleibt das Wachstum schwach und stark abhängig von geopolitischen Entwicklungen. Der Binnenkonsum stabilisiert sich, während die Industrie sich langsam vom Exportdämpfer erholt. Ein nachhaltiger Aufschwung dürfte jedoch erst mit einer entspannten Handelspolitik und stabiler Regierung einsetzen. Bis dahin bleibt die wirtschaftliche Entwicklung fragil.