Unter der Führung von Helmut Hoffmann haben zielgerichtete Zukäufe der uesa Group in den letzten Jahren eine stattliche Fertigungstiefe verschafft und für ein starkes Wachstum gesorgt. VON TORSTEN HOLLER
Den Ruhestand kennt Helmut Hoffmann, Geschäftsführer der Uebigauer Elektro- und Schaltanlagen GmbH (uesa), noch nicht – dafür umso besser die Geschichte des Unternehmens, dem er seit 64 Jahren angehört. 1955 erlernte er mit 14 Jahren den Beruf eines Elektrikers und machte 1962 seinen Meisterbrief. 1959 entschlossen sich zwei Handwerker in Uebigau, eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) zu gründen; eine Woche später kam Hoffmann dazu. 1972 erfolgte die Verstaatlichung des Unternehmens, Hoffmann wurde Betriebsleiter. Schon wenige Wochen nach dem Fall der Mauer stellte er den Antrag auf Rückübertragung. Gemeinsam mit 36 früheren Genossenschaftsmitgliedern erwarb er die uesa von der Treuhand zurück. Etliche der Gesellschafter haben danach verkauft, vermutlich wegen fehlenden Glaubens an den Erfolg des Unternehmens. Gemeinsam mit seinem Neffen Michael Hoffmann und dem kaufmännischen Geschäftsführer Dr. Jörg Nagel führt der inzwischen 82-Jährige das Unternehmen. Bei seinem jährlichen Gesundheitscheck hat ihm der Arzt bestätigt, dass der Hobbypilot immer noch seine Cessna fliegen darf, „was ich auch immer noch ab und an mal mache, aber nicht so häufig wie früher“.
Die Hallen sind nach und nach gebaut worden und wirken so vielfältig wie ein Kabelbaum im Schaltschrank: hier die Lackiererei, wo die Schaltschrankgehäuse in 25 verschiedenen Farben nach Kundenwunsch lackiert werden können, dort eine Stanzerei, wo Verbindungsteile aus Kupfer in verschiedenen Größen gepresst werden. In einer anderen Halle werden aus Epoxidharz Isolatoren gefertigt, dann an vielen Orten die Schaltschränke, Niederspannungs- und Mittelspannungsanlagen, Ladesäulen für Autos. Mehr als 30.000 Teile befinden sich hier. Das scheinbare Chaos ist aber genau abgestimmt auf die Produktion und sorgt vor allem für eine enorme Fertigungstiefe zwischen 60% und 70%. „Wir müssen also nicht um die Lieferkette zittern, wenn mal wieder ein Schiff im Suezkanal quersteht“, schmunzelt Helmut Hoffmann. Jährlich werden bis zu 2.000 Tonnen Kupfer und 3.000 Tonnen Stahlblech verarbeitet. Auf den 22.000 Quadratmeter großen Produktionsflächen werden per annum 800 Trafostationen und bis 40.000 Gehäusesysteme gebaut.
Hohe Eigenkapitalquote ermöglicht gezielte Übernahmen
Insgesamt hat das Unternehmen Materialvorräte im zweistelligen Millionenbereich. Hinzu kommen Großkunden wie Siemens oder ABB, die als ebenso solvent gelten wie die Branche der regionalen und überregionalen
Energieversorger. „Das sind unsere Sicherheiten für die Kreditlinien.“ In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen zielgerichtete Zukäufe getätigt. Im Rahmen eines 1993 mit der Kölner Felten & Guilleaume AG gebildeten Joint Venture gelang es, den ersten Zulieferer am Standort anzusiedeln. Gleichzeitig zog auch die Efen GmbH, ein Zulieferer von Schalt- und Sicherungsleistungen aus dem Rheingau, mit einer Produktionsstätte nach Uebigau. Um Umsätze zu generieren, hatte das Uebigauer Unternehmen seine Mitarbeiter in den ersten Jahren als Leiharbeiter in die Firmen geschickt. „Auf diese Weise konnten wir die Kompetenzen am Standort weiter vertiefen und vor allem die Mitarbeiter mit den neuesten Technologien vertraut machen“, so Hoffmann. Als die Gesellschafterstrukturen wechselten, griff die Geschäftsführung zu und übernahm die beiden Unternehmen. Finanziert werden konnten die Übernahmen mithilfe der Hausbank und aus dem laufenden Cashflow.
„Wir hatten eine sehr gute Eigenkapitalquote von zeitweise bis zu 60%“, sagt Hoffmann und ergänzt: „Das ist auch unseren Gesellschaftern zu verdanken, die immer zugestimmt haben, dass die Dividende ins Unternehmen fließen konnte.“ Die gezeichneten Anteile bei der Übernahme 1990, damals noch in DDR-Mark, sind heute ein Vielfaches wert. Zudem hat die uesa Group immer ein Vorkaufsrecht, wenn einer der Gesellschafter ausscheidet. Zuletzt übernahm man einen Elektroanlagenbauer in der Nähe von Leipzig. Der dortige Unternehmer fand keine Nachfolger und wollte schließen. „Das wäre fatal geworden. Die Kunden wären weg gewesen und die Fachkräfte abgewandert“. Inzwischen befinden sich zwölf eigenständige Tochterfirmen unter dem Dach der uesa Group.
Nun steht eine 5-Mio.-EUR-Investition in Erweiterungsbauten für Betonkörper von Trafostationen und für Mittelspannungsschaltanlagen an. Diese soll auf einem ehemaligen Flugplatzgelände erfolgen, welches bereits 1997 erschlossen wurde. Auf dem Areal befindet sich mittlerweile ein eigener Solarpark, die Hallen der früheren Flugzeugwerft werden für Lager und Fertigung genutzt. Hier gibt es erstmalig eine Zusammenarbeit mit der Bürgschaftsbank Brandenburg, die 2 Mio. EUR der Investitionssumme verbürgt.
Kurzprofil uesa Group
Branche: Elektrotechnik
Firmensitz: Uebigau (Land Brandenburg)
Mitarbeiter: 1.046
Umsatz 2022: 213 Mio. Eur
„Die Bürgschaft ermöglicht mehr Liquidität fürs Unternehmen“
Interview mit Gabriele Köntopp, Geschäftsführerin, Bürgschaftsbank Brandenburg
Unternehmeredition: Weshalb war das Engagement der Bürgschaftsbank bei der uesa erforderlich?
Gabriele Köntopp: Bei den Bürgschaften geht es in der Regel um konkrete Projekte, die verbürgt werden. Das kann die Finanzierung eines Kaufpreises für eine Nachfolge oder auch eine Investition sein. In diesem Falle geht es um die Bereitstellung einer Betriebsmittellinie für den Aufbau des Warenlagers, für die der Kreditgeber Commerzbank eine Sicherheit benötigte.
Wie bewerten Sie die Geschäftsmodelle der uesa Group?
Das Unternehmen ist in unseren Augen hervorragend für die Zukunft aufgestellt. Insbesondere die Fertigungstiefe sorgt in den heutigen volatilen Zeiten für eine gute Resilienz. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt, die geplanten technologischen Entwicklungen im Bereich der Ladesäulentechnik und der Schaltanalagentechnik und die breite Gesellschafterstruktur wirken ergänzend für die Weiterentwicklung des Unternehmens.
Mit steigenden Zinsen werden auch die Banken bei der Kreditvergabe kritischer. Wie hilfreich ist da die Unterstützung einer Bürgschaftsbank?
Im Falle der uesa ermöglicht die Bürgschaft dem Unternehmen mehr Liquidität in Form von Eigenkapital, das für weitere Investitionen genutzt werden kann.
Torsten Holler
Der Wirtschaftsjournalist Torsten Holler schreibt seit 1987 regelmäßig für renommierte Wirtschaftsmedien über verschiedenste Themen.