Disruptive Spielfreude

Bei der ersten Ausgabe des Münchner Unternehmer-Salons von Unternehmeredition und Dr. Wieselhuber & Partner in den Highlight Towers treffen zwei bayerische Gründer aufeinander, die ihre jeweilige Branche umkrempeln. Beide zusammen zeigen, dass es für kreative Zerstörung mehr braucht als neue Technologien.

Dynamische Zeiten erkennt man auch daran, dass viele neue Wörter benutzt werden, die man vorher noch nicht kannte. Wie bei vielen solcher Begriffe, scheint auch bei der sogenannten Disruption nicht ganz klar, wie man sie nicht nur sprachlich, sondern praktisch interpretieren soll: „Viele reden darüber, wenige wissen, was es bedeutet“, resümiert Professor Wieselhuber von der gleichnamigen Unternehmensberatung die aktuelle Gemengelage. Anders ausgedrückt: Disruption ist ein Trendwort, aber kein Trend.

Was nach Ansicht Wieselhubers dafür fehlt, ist ein Geschäftsmodell, das die vielen neuen Technologien unterfüttert und diese zu einem Businessplan modelliert. Doch dafür braucht es neben dem Kapital auch die Euphorie, sich auf unentdecktes Terrain zu wagen. Wieselhuber spricht von einem „neuen Spiel, das beginnt“.

Technologie plus Geschäftsmodell

Zwei Unternehmer, die im wahrsten Wortsinn als Spielmacher in ihrer Branche gelten, sind Anton Stetter und Dr. Hans Langer. Stetter steht mit seiner Whisky-Destillerie Slyrs am oberbayerischen Schliersee vor allem für den Faktor Geschäftsmodell. Er gibt unumwunden zu: „Niemand braucht unser Produkt.“ Doch Whisky ist ein Kultobjekt. Florian Stetter, der Bruder des heutigen Geschäftsführers, entdeckte während einer Studienreise nach Schottland die Parallelen der beiden Regionen: hohe Berge, klare Seen, Trachten und Zuschreibungen wie Sturheit und Freistaaterei. Zusammen mit einem hohen Qualitätsanspruch bildet diese „Story“, wie sie Anton Stetter nennt, den Markenkern von Slyrs. Whisky aus Bayern konnte damit als Marke in die Phalanx der schottischen Single Malts aufsteigen: „Wir sind ein Champions-League-Player in der Whisky-Welt“, formuliert Stetter das Selbstverständnis.

Dr. Hans Langer bei seinem Vortrag: "Die Natur bohrt oder fräst nicht, sondern wächst Schicht für Schicht."
Dr. Hans Langer bei seinem Vortrag: “Die Natur bohrt oder fräst nicht, sondern wächst Schicht für Schicht.” (Bild: Gordon Below)

Dr. Langer hingegen steht vor allem für den Faktor Technologie. Im Jahr 1989 gründete der promovierte Physiker die EOS GmbH. Das Familienunternehmen stellt Maschinen für den industriellen 3D-Druck und die additive Fertigung her. Die neue Fertigungstechnik grenzt sich von maschinellen Verfahren ab und orientiert sich an der Bionik: „Die Natur bohrt oder fräst nicht, sondern wächst Schicht für Schicht“, erklärt Langer seinen Ansatz. Für Langer ist dies allerdings nur ein Aspekt seines neuartigen Geschäftsmodells. Er unterstützt zusammen mit seinem Consulting-Team den Aufbau von digitalen Fabriken. Der Faktor Mensch wird dabei seiner Auffassung nach mitnichten ersetzt: „So viele Mitarbeiter könnte ein Großkonzern gar nicht entlassen, wie man in diesem Umfeld einstellen kann.“

Kontrapunkt Disruption

Der Titel des ersten Münchner Unternehmer-Salons war dabei Programm. Hier der Whisky-Hersteller, der sein Unternehmen als „völlig analoge Firma“ bezeichnet, die traditionelle Handwerkskunst zelebriert und an seine Mitarbeiter Jeanshosen verteilt, die schon im 19. Jahrhundert getragen wurden. Dort der 3D-Pionier, der die Digitalisierung mit prägen möchte, über Künstliche Intelligenz nachdenkt und sich mit Elon Musk in Kalifornien verabredet. Doch eint die zwei Unternehmer nicht nur der Anspruch, ein neues Spiel zu entwerfen. In beiden steckt auch ein bisschen der Anziehungskraft, für die heute Unternehmen wie Apple stehen. Bei Slyrs pilgern die Kunden zur Destillerie, wenn der neue zwölfjährige Single Malt zum Verkauf ansteht. Und EOS-Gründer Langer ist überzeugt, dass sein Unternehmen für Angestellte ähnlich interessant ist wie der weltbekannte Konzern aus dem Silicon Valley.

 

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Autorenprofil

Als Redakteur bei der Unternehmeredition leitet Volker Haaß die Online-Aktivitäten sowie die Sonderpublikationen der Plattform. Dazu gehört unter anderem die FuS – Zeitschrift für Familienunternehmen und Strategie.

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