„Roll-over eröffnet Chancen für Verkäufer“

Interview mit Patrick Lühr, Partner, CMS Deutschland

Patrick Lühr ist auf Unternehmenstransaktion spezialisiert und berät sowohl Private-Equity-Fonds als auch mittelständische Verkäufer.
Foto: © Hasibul Hasan_AdobeStock

In den kommenden Jahren steht eine sechsstellige Zahl von Unternehmensnachfolgen im deutschen Mittelstand an. Als Käufer kommen neben strategischen Erwerbern vielfach auch Private-Equity-Fonds in Betracht. Einige Besonderheiten, die es dabei zu beachten gilt, besprechen wir im Interview mit Patrick Lühr von CMS Deutschland, der auf Unternehmenstransaktionen spezialisiert ist und sowohl Private-Equity-Fonds als auch mittelständische Verkäufer berät.

Unternehmeredition: Zahlreiche Unternehmensinhaber stehen vor der Aufgabe, eine Nachfolgelösung für ihr Unternehmen zu finden. Vor einem Verkauf an einen Private-Equity-Fonds haben viele Respekt – zu Recht?

Patrick Lühr: Private-Equity-Fonds sind sehr professionelle Käufer und verlässliche Vertragspartner, die Transaktionen strukturiert, professionell und zügig umsetzen. Viele haben sich auf mittelständische Unternehmen spezialisiert, kennen die Besonderheiten familiengeprägter Strukturen und sind daher dafür sensibilisiert.

Für einen Verkäufer bedeutet der Verkauf an einen Private-Equity-Fonds oftmals: klare Prozesse, feste Zeitpläne und schnellere Entscheidungen verglichen mit einem Verkauf an Strategen, deren interne Abstimmungswege länger sein können.

Ein weiterer Unterschied zum Verkauf an Strategen besteht darin, dass Private-Equity-Fonds ein Unternehmen in der Regel nicht integrieren. Dadurch bleiben häufig Firmenname, Team und Unternehmenskultur – und damit auch das Lebenswerk der Verkäufer – erhalten.

Worauf muss ich bei einem Verkauf an einen Private-Equity-Fonds achten?

Private-Equity-Fonds sammeln privates Beteiligungskapital ein, zum Beispiel von Versorgungswerken und Versicherungen, und investieren dieses in private Unternehmensbeteiligungen. Das Ziel von Private-Equity-Fonds ist es, Unternehmen über einen bestimmten Zeitraum mit Kapital, Know-how und professionellen Strukturen weiterzuentwickeln. So soll nachhaltiges Wachstum entstehen – und am Ende der Haltedauer, mit dem Verkauf des Unternehmens, auch eine attraktive Rendite.

Vor diesem Hintergrund erwarten Private-Equity-Fonds, dass die Verkäufer und regelmäßig auch das Management nach dem Erwerb des Unternehmens als Gesellschafter und Geschäftsführer oder Berater an Bord bleiben, das heißt an den Chancen und Risiken partizipieren. Dies sichert einen Interessengleichlauf, bindet den Verkäufer jedoch weiterhin persönlich an das Unternehmen, wozu dieser bereit sein muss. Dabei gilt es auch zu beachten, dass sich die Rolle des Verkäufers oftmals vom alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer zum Minderheitsgesellschafter und Fremdgeschäftsführer wandelt.

Nach unserer Erfahrung eröffnet der Verkauf an Private-Equity-Investoren aber sehr interessante Möglichkeiten. Solche Investoren stellen nicht nur Kapital bereit, sondern bringen oft auch Erfahrung und Netzwerke ein – etwa für Internationalisierung, gezielte Zukäufe im Rahmen einer Buy-and-Build-Strategie oder für die Digitalisierung. Eine erfolgreiche Weiterentwicklung schlägt sich direkt in einer höheren Unternehmensbewertung nieder. Von diesem zusätzlichen Wertzuwachs profitiert der Verkäufer durch seine Beteiligung am späteren Weiterverkauf, dem „Second Bite of the Apple“, der oft attraktiv ist.

In welcher Weise bleiben die Verkäufer bei einem Verkauf bis zum „Exit“ des Private-Equity-Fonds beteiligt?

Beim Verkauf an einen Private-Equity-Fonds ist ein vollständiger Verkauf des Unternehmens die absolute Ausnahme. In den meisten Fällen bleiben die Verkäufer bis zum Exit, also dem späteren Verkauf des Unternehmens durch den Private-Equity-Fonds beteiligt. Die Beteiligung erfolgt entweder unmittelbar als Mitgesellschafter der Erwerbsgesellschaft des Private-Equity-Fonds, auch „AcquiCo“ genannt, oder über eine Managementgesellschaft, die wiederum an der Erwerbsgesellschaft beteiligt wird. In die Managementgesellschaft werden regelmäßig auch das weitere Management des Unternehmens als Investoren einbezogen.

Technisch erfolgt die Rückbeteiligung durch den Verkäufer regelmäßig im Wege eines sogenannten Roll-over: Dabei wird – vereinfacht gesagt – ein Teil der Anteile am verkauften Unternehmen in die neue Beteiligungsstruktur eingebracht. Im Gegenzug dazu erhält der Verkäufer eine Beteiligung an der Erwerbsgesellschaft oder der Managementgesellschaft. Dieser Anteilstausch hat erhebliche steuerliche Vorteile für den Verkäufer.

Erwähnenswert ist außerdem, dass für den Verkäufer und das Management oftmals ein abweichendes Chancen-Risiko-Profil gewählt wird. Diese Strukturen nennt man „Sweet Equity“. Dabei wird der Verkäufer so gestellt, dass er bei einem aus Sicht des Private-Equity-Fonds erfolgreichen Exit überproportional am Wertzuwachs profitiert. Das schafft starke Anreize beim Verkäufer und dem Management für die Weiterentwicklung des Unternehmens und eröffnet die Chance auf einen noch attraktiveren Exit.

Das hört sich komplex an – auf welche Rahmenbedingungen muss ich mich als Verkäufer gefasst machen?

Der Verkäufer muss sich darauf einstellen, nach dem Verkauf im Grundsatz „nur noch“ eine Finanzbeteiligung zu halten, die er nicht ohne Weiteres weiterveräußern kann. Vielmehr bestimmt der Private-Equity-Fonds, zu welchem Zeitpunkt und zu welchen Bedingungen der Exit stattfindet, an dem der Verkäufer dann zu gleichen Konditionen partizipiert.

Zu den zentralen Regelungen der Gesellschaftervereinbarung gehören sogenannte Drag-along-Klauseln, das heißt Pflichten der Gesellschafter zum Mitverkauf ihrer Anteile bei einem späteren Exit, sowie sogenannte Tag-along-Rechte, also Rechte der anderen Gesellschafter zum Mitverkauf ihrer Anteile zu gleichen Konditionen an einen potenziellen Käufer bei einem späteren Exit. Diese Regelungen stellen sicher, dass sämtliche Gesellschafter beim Exit „mitgenommen“ werden.

Ebenfalls üblich sind sogenannte Good-/Bad-Leaver-Regelungen. Sie bestimmen, was passiert, wenn ein Verkäufer oder beteiligter Manager das Unternehmen verlässt. In diesem Fall ist er in der Regel verpflichtet, seine Anteile zurückzuveräußern. Der hierfür vom Private-Equity-Fonds zu zahlende Kaufpreis bestimmt sich nach den Gründen für das Ausscheiden.

Was die Governance angeht, gibt es regelmäßig zustimmungspflichtige Geschäftsführungsmaßnahmen, bezüglich derer die Geschäftsführung vorab die Zustimmung eines Aufsichtsorgans einholen muss. Daneben gibt es Regelungen zur Budgetplanung und -verwendung und Reporting.

Viele mittelständische Unternehmer verspüren eine große Verantwortung für ihre Mitarbeiter. Wie stellt sich ein Verkauf an einen Private-Equity-Fonds aus deren Sicht dar?

Aus Mitarbeitersicht bringt der Einstieg eines Private-Equity-Fonds in der Regel frischen Wind durch eine fokussierte Unternehmensplanung und vielfach auch Wachstumskapital für strategische Vorhaben. Investitionen in Digitalisierung, Internationalisierung und gezielte Zukäufe können die Wettbewerbsfähigkeit stärken, neue Aufgabenfelder schaffen und zusätzliche Karrierewege für die Mitarbeiter eröffnen. Für Schlüsselmitarbeiter eröffnen sich häufig besondere Perspektiven: Über Managementbeteiligungen oder Exitboni können sie direkt am Wertzuwachs im Falle eines Exits teilhaben.

Erwarten Sie in den kommenden Jahren ein Ansteigen der Unternehmensverkäufe an Private-Equity-Investoren?

Ja, dies halten wir für naheliegend. Bereits im Jahr 2024 lag der Anteil der M&A-Transaktionen in Deutschland, die von Private-Equity-Investoren getätigt wurden, bei fast der Hälfte der Deals. Zudem verfügen viele Private-Equity-Fonds aktuell über erhebliche Kapitalreserven, was für eine Zunahme solcher Deals in den nächsten Jahren spricht.

Lieber Herr Lühr, wir danken Ihnen für die interessanten Einblicke!

Das Interview führte Eva Rathgeber.

👉 Dieser Beitrag ist auch in der Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2025 erschienen.


ZUM INTERVIEWPARTNER

Patrick Lühr Foto: © CMS Deutschland

Patrick Lühr ist Rechtsanwalt und Partner bei CMS Deutschland. Er berät seit vielen Jahren nationale und internationale Mandanten bei Unternehmenstransaktionen, insbesondere mittelständische Unternehmer und Private-Equity-Investoren. Die Strukturierung und Umsetzung von Nachfolgelösungen und komplexen Beteiligungsmodellen zählen zu seinen Schwerpunkten.

www.cms.law/de

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen.

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