Restrukturierung als Schlüssel zur Zukunft

Handelsblatt Jahrestagung Restrukturierung 2025: Strategien für den Strukturwandel der deutschen Wirtschaft

Handelsblatt Jahrestagung Restrukturierung 14. bis 16. Mai 2025 Frankfurt, im Bild Peter Altmaier Bundesminister für Wirtschaft und Energie a.D. (2018-2021)

Vom 14. bis 16. Mai 2025 wurde Frankfurt zum Zentrum der Restrukturierungsdebatte. Über 400 Teilnehmer – darunter Entscheider, Berater, Finanzexperten und Politiker – diskutierten auf der Handelsblatt Jahrestagung Restrukturierung über Wege aus der wirtschaftlichen Lähmung. Die Veranstaltung bot fundierte Analysen zu strukturellen Defiziten, geopolitischen Risiken, Kapitalmarktherausforderungen und notwendigen Anpassungen in Schlüsselindustrien. Über 70 Speaker machten eines deutlich: Der Weg aus der Krise führt nur über entschlossene, koordinierte und integrative Restrukturierungsstrategien.

Drei Tage, drei Perspektiven: Recht, Wirtschaft, Finanzierung

Foto: © GoingPublic Media AG

Der erste Tag widmete sich juristischen Rahmenbedingungen und Fallbeispielen erfolgreicher Sanierung. Die Fokustage Wirtschaft (15. Mai) und Finanzierung (16. Mai) rückten dann gesamtwirtschaftliche Entwicklungen, Kapitalzugang und strategische Steuerung in den Fokus. Die Diagnose war einheitlich: Inflation, Energiepreise und Reformstau setzen den Industriestandort massiv unter Druck. Die Lösung: strukturelle Transformation, gestützt durch innovative Finanzierungen und flexible Personalstrategien.

Wirtschaft unter Druck: Warnung vor Deindustrialisierung

Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie a.D. (2018-2021); Foto: © Vogt GmbH

Ex-Wirtschaftsminister Peter Altmaier eröffnete mit einer klaren Mahnung: Die energieintensive Industrie stehe vor existenziellen Herausforderungen. Ohne gezielte Entlastungen, Investitionen und Reformen drohe eine Deindustrialisierung Deutschlands. Auch Alexander Müller (Roland Berger) betonte, dass oberflächliche Restrukturierungen nicht mehr ausreichten. Seine Analyse: Ein Drittel der Unternehmen erkennt strukturelle Probleme – doch es fehlt an konkreten Lösungen. Müller forderte ein radikales Umdenken bei Prozessen, Strukturen und Finanzierung: Nur wer operative Exzellenz neu definiere, könne langfristig bestehen.

Carve-outs, CROs und kontrollierte Transformation

Prof. Dr. Georg Streit, Partner, Leiter Praxisgruppe Restrukturierung – HEUKING; Foto: © Vogt GmbH

Rechtsanwalt Prof. Dr. Georg Streit plädierte dafür, bei Restrukturierungen nicht nur mit der „Kettensäge“, sondern auch mit der „Laubsäge“ zu arbeiten – also nicht blind zu kürzen, sondern gezielt unrentable Bereiche auszugliedern (Carve-out). Markus Schmidt und Dr. Sebastian Nimwegen (Alvarez & Marsal) unterstrichen die Bedeutung eines starken Chief Restructuring Officers (CRO): Er müsse Restrukturierungen zentral führen, um Kontrolle, Tempo und Zusammenhalt zu sichern.

Finanzierung im Wandel: Von Bankenlogik zu flexiblen Strukturen

Foto: © GoingPublic Media AG

Ein zentrales Thema der Tagung war der Wandel der Unternehmensfinanzierung. In Panels mit Vertretern von EY, UniCredit, Fidera, KLIEMT, EIM und weiteren Akteuren wurde klar: Klassische Finanzierungen stoßen an Grenzen. Benjamin Voigt (Fidera) betonte, Kapital müsse strategisch eingebettet sein, nicht statisch bereitgestellt werden. Wolfgang Embacher (UniCredit) forderte Einzelfallbetrachtungen statt Branchenpauschalen. Besonders der Automobilsektor sei von Verlagerungen, Investitionsunsicherheit und fehlendem Kapital betroffen – hier brauche es tiefgreifendere Maßnahmen.

Neue Wege im Personalumbau: von Abbau zu Neuausrichtung

Auch Personalstrukturen standen im Fokus. Lisa Kalmbach und Sophia von Rundstedt präsentierten „Personaldrehscheiben“ als Modell für sozialverträgliche Transformationsprozesse. Anhand eines Beispiels bei Bosch zeigten sie, wie über 1.000 Beschäftigte durch gezielte Um- und Neuqualifizierungen in andere Arbeitsfelder vermittelt werden konnten. Erika Rasch (Bosch) betonte: Frühzeitige Kooperation zwischen HR, Rechtsabteilung und Sozialpartnern sei entscheidend für nachhaltigen Wandel.

Kapitalmärkte im Realitätscheck: Europas strukturelle Defizite

Dr. Klaus Bauknecht, Chefvolkswirt – IKB Deutsche Industriebank AG; Foto: © Vogt GmbH

Dr. Klaus Bauknecht (IKB) analysierte in seiner Keynote die strukturellen Schwächen der europäischen Unternehmensfinanzierung. Zwar sei Kapital vorhanden, aber schwer zugänglich. In Europa dominiere weiterhin das bankbasierte Modell – während die USA mit kapitalmarktbasierten Lösungen deutlich agiler agieren. Er forderte tiefgreifende Reformen: mehr Risikobereitschaft, vereinheitlichte Insolvenzrechte und beschleunigte Restrukturierungsprozesse. Nur so könne Europa innovationsfähig bleiben.

„Ende des Refinanzierungskarussells“ – neue Realität für Unternehmen

In der Diskussionsrunde mit Andreas Kemper (Gordon Brothers), Jennifer Finke (Deutsche Bank) und Britta Hübner (CFO) wurde klar: Die Zeit unbegrenzter Refinanzierungen ist vorbei. Finke betonte, Banken müssten gerade in unsicheren Zeiten als Brücken zu alternativen Kapitalgebern agieren. Hübner forderte, Finanzierungen stärker szenariobasiert und adaptiv zu gestalten. Die Zukunft liege in partnerschaftlichen Ansätzen, nicht in Einzellösungen.

Kapitalmarktintegration: Flexibilisierung statt Fragmentierung

v.l. Jasper Zimbehl, Credit and Preferred Equity Capital – J.P. Morgan Asset Management, Matthias Toeke, Partner – Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern, Andrea Storr, Managing Director, Head of Lending UK – ING Bank N.V., Tim Müller, Partner – FTI-Andersch; Foto: © Vogt GmbH.

Ein weiteres Panel mit Andrea Storr (ING), Matthias Toeske (Baker McKenzie) und Jasper Zimbehl (J.P. Morgan) beleuchtete die Unterschiede zwischen den transatlantischen Kapitalmärkten. Während die USA auf agile, marktorientierte Finanzierung setzen, leidet Europa unter regulatorischer Fragmentierung. Private Credit und Debt Funds gewinnen zwar an Bedeutung, aber die strukturelle Lücke bleibt. Fazit: Europa muss Finanzierung diversifizieren, Standards vereinheitlichen und Kapital effizienter mobilisieren.

Fazit: Handeln statt Hoffen

Die Handelsblatt Jahrestagung Restrukturierung 2025 hat gezeigt: Die deutsche Wirtschaft steht am Scheideweg. Es braucht keine kosmetischen Korrekturen, sondern einen entschlossenen Kurswechsel. Unternehmen müssen wirtschaftlich, finanziell und personell neu gedacht werden. Politik, Kapitalgeber und Unternehmensführung müssen gemeinsam Bedingungen schaffen, die Wandel ermöglichen – und nicht behindern. Der Umbau kann gelingen, wenn Strategien mutig, integriert und zukunftsgerichtet umgesetzt werden.

Oder wie Peter Altmaier es formulierte: „Optimismus ist kein Ersatz für Handeln – aber ein guter Anfang.“

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen.

Vorheriger ArtikelDeutscher Coworkingpreis 2025 erstmals verliehen
Nächster ArtikelBU verstärkt sein Team in Italien