Quality-of-Earnings-Analysen

Wie man versteckte Risiken erkennt und nachhaltige Gewinne sichtbar macht

Eine Quality-of-Earnings-Analyse filtert heraus, wie viel Gewinn dauerhaft erwirtschaftet wird, wenn man nur das Tagesgeschäft betrachtet.
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Wer ein Unternehmen kaufen, verkaufen oder finanzieren will, braucht verlässliche Zahlen. Reine Buchhaltungsgewinne können täuschen: Einmalige Sondereffekte oder ungewöhnliche Geschäfte blähen sie auf – oder lassen sie kleiner erscheinen, als sie eigentlich sind. Eine sogenannte Quality-of-Earnings-(QoE-)Analyse filtert genau das heraus. Sie zeigt, wie viel Gewinn dauerhaft erwirtschaftet wird, wenn man das Tagesgeschäft nüchtern betrachtet.

Die Analyse ist heute Standard in jeder Unternehmensprüfung. Sie beantwortet die Frage: „Wenn wir ab morgen das Geschäft weiterführen, wie viel Geld verdienen wir dann realistisch?“ Dazu wird meist auf das EBITDA abgestellt, also den Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Dieses wird bereinigt von Sondereffekten. Wichtig ist, dass Normalisierungen die Vergangenheit betreffen: Einmalige Effekte werden herausgerechnet und untypische Buchungen korrigiert. Pro-forma-Anpassungen dagegen beziehen sich nur auf belegbare Zukunftseffekte, etwa eine bereits beschlossene Standortschließung. Nicht zulässig sind dagegen Schönrechnereien mit hypothetischen Synergien, zum Beispiel die Annahme, dass nach einer Fusion bestimmt 20 % eingespart werden könnten.

Typische Bereinigungen – mit Beispielen

Bei den Umsätzen werden einmalige Erlöse herausgerechnet, etwa ein Schadensersatz aus einem Rechtsstreit, staatliche Coronahilfen oder der Verkauf einer Maschine, die nichts mit dem Kerngeschäft zu tun hat. Außerdem werden Stichtagsfehler korrigiert, wenn ein Projekt zu früh oder zu spät gebucht wurde. Rückgaben und Rabatte werden auf ein normales, langfristiges Niveau gebracht. Am Ende steht ein Umsatz, der das dauerhafte Kerngeschäft widerspiegelt.

Auf der Kostenseite werden einmalige Aufwendungen bereinigt, zum Beispiel hohe Rechtsanwaltskosten wegen eines Prozesses oder eine Restrukturierung. Geschäfte mit nahestehenden Personen, wie etwa überhöhte Mieten an den Inhaber, werden auf Marktniveau korrigiert. Ebenso wird die Vergütung des Inhabers durch ein marktübliches Geschäftsführergehalt ersetzt, statt Luxus-Dienstwagen und private Ausgaben mitzuzählen. Gewinne und Verluste aus Anlagenverkäufen oder außergewöhnliche Währungseffekte werden separat dargestellt. So entsteht ein Bild der laufenden, wiederkehrenden Kosten.

Fehler können entstehen, wenn Umsätze aus noch nicht unterschriebenen Verträgen bereits angerechnet oder normale Schwankungen in der Branche künstlich geglättet werden. Ebenso problematisch ist es, Routinekosten als einmalige Sonderaufwendungen darzustellen oder Inhaberkosten komplett zu streichen, ohne realistische Managementkosten einzusetzen. Zu Diskussionen führen auch 100-%-Bereinigungen für Marken-Redesign, Webseitenerstellungen oder Firmenfeiern; die tätigt ein Unternehmer auch nicht aus reiner Nächstenliebe.

Cashflow und Bilanz im Blick behalten

Vom Gewinn zum tatsächlich verfügbaren Geld ist es oft ein weiter Weg. Deshalb müssen notwendige Ersatzinvestitionen von Wachstumsausgaben getrennt werden. Ersatzinvestitionen sind beispielsweise die Wartung oder der Austausch alter Maschinen. Wachstumsausgaben sind Investitionen in eine neue Produktionshalle oder in neue Märkte. Beim Working Capital, also der Differenz aus kurzfristigen Forderungen, Verbindlichkeiten und Beständen, sind über mehrere Jahre hinweg Saisonalitäten, Zahlungsziele und überfällige Forderungen zu berücksichtigen. Ein Beispiel: Ein Unternehmen, das Lieferanten sofort bezahlt, aber von Kunden erst nach 90 Tagen Geld erhält, braucht mehr Kapital als ein Unternehmen mit umgekehrten Zahlungszielen.

Auch die Bilanz verdient einen kritischen Blick. Neben den klassischen Schulden wie Bankkrediten gibt es viele schuldenähnliche Positionen. Dazu gehören noch nicht gezahlte Steuern, aufgelaufene Boni, langfristige Verpflichtungen aus ungewöhnlichen Verträgen oder wahrscheinliche Schadensersatzforderungen. Rückstellungen für Garantieansprüche müssen realistisch bewertet werden. Ebenso wichtig ist es, nicht-operative Vermögenswerte wie überschüssige Kassenbestände getrennt darzustellen. Nur so wird sichtbar, wie stark das Unternehmen wirklich verschuldet ist.

FAZIT

Eine Quality-of-Earnings-Analyse zeigt die wahre, nachhaltige Ertragskraft eines Unternehmens. Sie schützt Käufer vor überhöhten Preisen und Verkäufer vor unangenehmen Überraschungen in späten Verhandlungsrunden. Wer transparent bereinigt und marktübliche Standards anwendet, schafft Vertrauen bei Banken, Investoren und Geschäftspartnern.

Dos einer Quality-of-Earnings-Analyse

  • Definieren Sie zu Beginn, welches Geschäft tatsächlich zur Zukunft gehört und was ausgeklammert werden muss.
  • Dokumentieren Sie jede Bereinigung mit Belegen und einer klaren Logik.
  • Trennen Sie Umsätze von Sondereffekten und stellen Sie Rabatte sowie Rückgaben realistisch dar.
  • Bereinigen Sie einmalige Aufwendungen und setzen Sie für Inhaber marktübliche Geschäftsführungskosten an.
  • Trennen Sie Ersatzinvestitionen von Wachstumsausgaben und nutzen Sie dafür mehrjährige Daten.
  • Analysieren Sie das Working Capital über mehrere Jahre und berücksichtigen Sie Saisonalitäten sowie Zahlungsziele.
  • Erfassen Sie alle schuldenähnlichen Positionen und bewerten Sie Rückstellungen plausibel.
  • Trennen Sie operative und nicht-operative Vermögenswerte.

Don’ts einer Quality-of-Earnings-Analyse

  • Rechnen Sie keine Umsätze aus noch nicht unterschriebenen Verträgen hinein.
  • Glätten Sie normale Schwankungen nicht künstlich.
  • Stellen Sie Routinekosten nicht als einmalig dar.
  • Zählen Sie keine Bereinigungen doppelt.
  • Rechnen Sie nicht nur negative Einmaleffekte heraus und lassen die positiven stehen.
  • Ignorieren Sie notwendige Ersatzinvestitionen nicht und setzen Sie das Working Capital nicht künstlich niedrig an.
  • Lassen Sie keine wesentlichen schuldenähnlichen Positionen weg, um die Verschuldung kleiner wirken zu lassen.

👉 Dieser Beitrag ist auch in der Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2025 erschienen.

Autorenprofil
Jan Pörschmann

Jan Pörschmann ist Gründer und Geschäftsführer der atares GmbH in München und auf Asset-light-Transaktionen in den Bereichen IT und Services spezialisiert. Seit 2023 ist er zudem Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Mergers & Acquisitions gem. e.V. und Initiator mehrerer Mittelstandsaktivitäten desselben. Dazu gehört insbesondere die Veranstaltung „Shift & Change – Der BM&A Mittelstandstag“.

 

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