Public-to-Private: Jetzt oder nie

Die Anzahl der Delistings an deutschen Börsen ist zuletzt sprunghaft gestiegen. Ursache ist eine neue Rechtsprechung des BGH: Sie bietet Unternehmen neue Ansätze, den Rückzug von der Börse zu gestalten. 

So ist es denkbar, dass infolge eines Downlistings ein Großaktionär von den fallenden Kursen profitiert und Aktien günstig aufkauft, um relevante Mehrheitsschwellen für Strukturmaßnahmen bis hin zum Squeeze-out zu überschreiten. Auch Fremdinvestoren können die sinkenden Aktienkurse nutzen, um günstig Anteile zu erwerben und auf gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Anschluss an das Delisting zu spekulieren, im Rahmen derer Spruchverfahren zur Anwendung kommen. Damit können höhere Verkaufspreise erzielt werden.
Angesichts privater Investoren, die in einer fungiblen Aktie investiert bleiben wollen und institutionellen Investoren, die gehalten sind, in Aktien des geregelten Marktes investiert zu sein, kann ein Delisting auch als zusätzlicher Anreiz eingesetzt werden, der zu einer Erhöhung der Annahmequote eines Übernahmeangebotes führt. Die wahrscheinlich drohenden Kursverluste lassen ein unter anderem auf den letzten Dreimonatskursen basierendes WpÜG-Übernahmeangebot womöglich in einem deutlich besseren wirtschaftlichen Licht erscheinen.

Neue Transaktionsstrukturen

Generell kann ein Delisting oder Downlisting auch dazu eingesetzt werden, die im Rahmen von öffentlichen Übernahmen von im regulierten Markt zugelassenen Aktien zwingend anwendbaren Vorschriften des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) zu vermeiden, indem besagtes Delisting im Vorfeld einer solchen Transaktion durchgeführt wird. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass der Vorstand seine Entscheidung zum Wohle der Gesellschaft trifft und noch keine bindenden, die Vorschriften des WpÜG auslösenden Absprachen mit potenziellen Käufern vorliegen.
So ist nach Wirksamwerden eines Delistings/Downlistings ein möglicher Großaktionär frei, seine Beteiligung an einen Käufer zu verkaufen, ohne dass der Käufer sämtlichen Aktionären zum selben Preis ein Übernahmeangebot unterbreiten müsste. Ebenso sind Konstellationen denkbar, in denen ein Downlisting der Gesellschaft erfolgt, infolgedessen ein interessierter Investor von den fallenden Kursen profitiert und Aktien einsammelt bzw. sich durch Irrevocables sichert und ein Übernahmeangebot unterbreitet, das nun aber nicht den Regelungen des WpÜG unterworfen ist. Überhaupt kann nach einem Delisting der interessierte Investor insgesamt Aktionären zu unterschiedlichen Preisen Aktien abkaufen.

Fazit

Es ist damit zu rechnen, dass die Legislative der Forderung der Anlegerschützer nachkommen wird. Daher wird sich das Fenster neuer Transaktionsstrukturen, das durch die Rechtsprechung geöffnet wurde, in absehbarer Zeit wieder schließen. Unternehmen, für die diese neuen Transaktionsstrukturen interessant sind, sollten sich daher zügig mit dem Thema auseinandersetzen.


Zur Person

Nikolas von Jacobs (© Privat)
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Dr. Nikolaus von Jacobs ist Partner im Münchener Büro von McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP. Er ist Mitglied der Praxisgruppe Gesellschaftsrecht und leitet die deutschen Private-Equity-Aktivitäten. www.mwe.com

Autorenprofil

Dr. Nikolaus von Jacobs ist Partner im Münchener Büro von McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP. Er ist Mitglied der Praxisgruppe Gesellschaftsrecht und leitet die deutschen Private-Equity-Aktivitäten.

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