Paradigmenwechsel beim Scheitern

Mit einem neuen Gesetz wurde in Deutschland vor fünf Jahren die Insolvenzordnung reformiert. Wer heute in eine Liquiditätskrise gerät, kann sich frühzeitig selbst sanieren. Bislang eignet sich die vorläufige Insolvenz nur in wenigen Fällen. Betroffene Unternehmer sehen darin indes eine strategische Chance.

Prävention statt Abwicklung

„Eigentlich wollte ich von dem ‚I-Wort’ nichts mehr wissen“, sagt der Unternehmer. Doch der Berater, an den er sich gewandt hatte, war überzeugt davon, dass ein Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung die bessere Variante sei. Dieses Verfahren war mit dem ESUG erst im Frühjahr 2012 eingeführt worden. „Und es war tatsächlich die bessere Variante“, erklärt Nauen.


“Die Eigenverwaltung hat uns hingegen einen Verfahrensgewinn nach Steuern von rund 400.000 Euro in die Firmenkasse gespült”

Christoph Nauen, Geschäftsführer Achte Display System GmbH


Den mit dem Berater erarbeiteten Sanierungsplan segnete das Gericht ab, für das vorläufige Verfahren ordnete es die Eigenverwaltung an. Die Zusammenarbeit mit dem Sachwalter und dem vorläufigen Gläubigerausschuss funktionierte reibungslos, eröffnet wurde das Verfahren im November 2014. „Und im Frühjahr 2015 war es beendet“, sagt Nauen. Seine Bilanz: Unternehmen erhalten, alle vereinbarten Insolvenzquoten bezahlt, Eigenkapitalquote auf 50 Prozent hochgefahren. „Bei einer Regelinsolvenz verliert der Unternehmer alles“, sagt Nauen. „Die Eigenverwaltung hat uns hingegen einen Verfahrensgewinn nach Steuern von rund 400.000 Euro in die Firmenkasse gespült“, sagt er. Heute hat die Achte Display System GmbH 40 Mitarbeiter und erzielte 2016 einen Umsatz von 3,6 Mio. Euro.

Neues Gesetz gegen altes Stigma

Eine Eigenverwaltung bei drohender Insolvenz ist in Deutschland etwas historisch Neues. Die Grundlage dafür bildet das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“, kurz ESUG, welches seit März 2012 in Kraft ist. Ziel der Bundesregierung war es, die Eigenverwaltung zu stärken, Insolvenzverfahren zu beschleunigen, die Mitspracherechte der Gläubiger zu erweitern und die Insolvenz vom Stigma des Versagens zu befreien. Damit sollte das Gesetz auch dazu beitragen, dass Insolvenzanträge früher gestellt werden. Fünf Jahre nach dem Inkrafttreten ist es an der Zeit zu prüfen, ob die neuen Regelungen diese Ziele tatsächlich erreicht haben. Derzeit untersucht die „ESUG-Evaluation“ der Universität Bielefeld im Auftrag des Bundesjustizministeriums die Wirkung des Gesetzes auf die Insolvenzpraxis. Abschließende Ergebnisse liegen noch nicht vor. Offizielle Statistiken lassen aber Tendenzen erkennen, die jedoch unterschiedlich interpretiert werden.

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