Das Unternehmen Leimer mit Sitz in Traunstein gehört seit über einem Jahrhundert zu den etablierten Herstellern von Paniermehlen und Suppeneinlagen in Deutschland. Im Interview erläutert Geschäftsführer Karlheinz Leimer, wie das Familienunternehmen auf Marktveränderungen reagiert, welche Rolle Innovation und Qualitätsanspruch spielen und welche Maßnahmen in den Bereichen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Personalentwicklung umgesetzt werden. Dabei bleibt der Fokus stets auf langfristiger Stabilität und kontrolliertem Wachstum.
Unternehmeredition: Leimer ist ein Traditionsunternehmen mit über 100-jähriger Geschichte. Wie gelingt es Ihnen, Tradition und Moderne in Einklang zu bringen?
Karlheinz Leimer: Ich glaube, das gelingt dann gut, wenn man sich nicht zwischen beiden entscheiden muss. Für uns ist es kein Widerspruch, sondern eher eine Art Staffelstab. Es gibt Produkte wie Croûtons oder Backerbsen, die zeitlos sind – sie begleiten Generationen. Gleichzeitig arbeiten wir an Innovationen, etwa mit den neuen „König-Ludwig-Bröseln“, die eine kulinarische Hommage an die bayerische Geschichte darstellen. Sie sind exklusiv, besonders leicht und geschmacklich ein echtes Erlebnis.
Exklusiv klingt geradezu luxuriös – wollen Sie sich neu positionieren?
Luxus ist sicherlich zu hoch gegriffen, aber ja, es ist ein Schritt in ein neues Geschmackserlebnis. Für die „König-Ludwig-Brösel“ verwenden wir Dinkel und Roggen, was in der Verarbeitung deutlich anspruchsvoller ist. Dinkel ist aktuell sehr teuer, und mit Roggen muss man sorgsam umgehen, damit das Brot backfähig bleibt. Aber genau hier liegt unsere Kompetenz: Nur aus gutem Brot macht man gute Brösel.
Was treibt Ihre Innovationsarbeit aktuell besonders stark an?
Ganz klar: der Genuss. Wir wollen neue Erlebnisse schaffen – bei der Textur, dem Geschmack, im Mundgefühl. Und gleichzeitig wollen wir den Weg vom Rohprodukt zum fertigen Gericht verkürzen. Da denken wir auch über neue Rezepte, Gastronomiepartnerschaften oder saisonale Produkte nach. Ein Beispiel: Knuspertoppings für Desserts – eine neue Rezeptidee für Brösel, die überrascht.
Wie viele Produkte umfasst Ihr Portfolio?
Wir reden über rund 500 Rezepturen, also über 400 bis 500 Produkte inklusive Spezialanfertigungen für die Industrie. Das reicht vom klassischen Brösel über glutenfreie Varianten bis zu farbigen Bröseln mit Kurkuma oder Paprika – alles individuell auf den Kunden abgestimmt.
Und wie reagieren Sie auf aktuelle Ernährungstrends?
Wir sehen zwei große Entwicklungen: einerseits den Trend zum Außergewöhnlichen – besondere Qualität, exklusiver Genuss – und andererseits die bewusste Ernährung: Bio, glutenfrei, vegetarisch oder vegan. Wir bedienen beides, weil wir darin keine Gegensätze sehen. Auch ein veganes Gericht kann von guten Bröseln profitieren.
Wo sehen Sie Ihre Erfolgsfaktoren über die Jahrzehnte hinweg?
Unser Erfolg liegt im organischen Wachstum, in der Qualität unserer Produkte – und in der Begeisterung für das, was wir tun. Meilensteine gab es einige: etwa die Einführung der Croûtons 1987 durch meinen Vater – heute sind sie in Deutschland nicht mehr wegzudenken – oder auch unsere enge Verbindung zur Gastronomie. Wir liefern nicht nur, wir entwickeln gemeinsam.
Wie wirkt sich der anhaltende Krisenmodus auf Ihr Unternehmen aus?
Die letzten Jahre waren auch für uns als mittelständisches Unternehmen von großer Unsicherheit geprägt. Besonders die Energiekrise im Zuge des Ukrainekriegs hat uns deutlich getroffen. Als Lebensmittelhersteller mit energieintensiven Prozessen – etwa beim Backen, Trocknen und Rösten – sind wir auf verlässliche und bezahlbare Energie angewiesen. Die plötzlichen Preissteigerungen bei Gas und Strom haben unsere Produktionskosten massiv erhöht.
Gleichzeitig kam es zu starken Preis- und Verfügbarkeitsproblemen bei Rohstoffen, insbesondere bei Getreideprodukten. Das führte zu einer doppelten Belastung: Einerseits mussten wir unsere Versorgungsketten neu organisieren, andererseits unsere Kalkulationen komplett überarbeiten. Auch die gestörten Lieferketten – etwa bei Verpackungen oder Spezialzutaten – haben unsere Planungen erschwert.
In solchen Phasen ist es entscheidend, schnell, aber überlegt zu handeln. Wir haben unsere Kunden frühzeitig eingebunden, unsere Prozesse gestrafft und Preisanpassungen mit großer Transparenz kommuniziert. Natürlich gab es Irritationen, aber unsere Verlässlichkeit hat sich bewährt, wie unsere treuen Kunden bestätigen.
In welchem Maße betrifft Sie der Fachkräftemangel?
Wir spüren wie viele andere Unternehmen die Auswirkungen des Fachkräftemangels, der sich durch Krisen zusätzlich verschärft. Wir versuchen, dem mit Integration, Ausbildung und einem guten Arbeitsklima entgegenzuwirken. Unser Ziel ist es, auch in schwierigen Zeiten berechenbar zu sein – für Mitarbeitende, Partner und Kunden.
Das beginnt bei der Haltung: Wir schauen nicht auf die Herkunft, sondern auf die Bereitschaft zur Mitarbeit. In unserem Betrieb arbeiten Menschen aus über einem Dutzend Nationen. Was zählt, ist Einsatzbereitschaft und der Wille, gemeinsam etwas zu schaffen. Natürlich braucht es auch Sprachkenntnisse, fachliche Qualifikation und Integrationswillen – aber wenn diese Grundlagen vorhanden sind, öffnen wir Türen. Wir haben viele positive Beispiele für erfolgreiche Integration. Was wir brauchen, ist mehr politische Klarheit und bessere Rahmenbedingungen, um qualifizierte Menschen auch wirklich in Arbeit zu bringen.
Sie sind nicht allein am Markt – wie behaupten Sie sich gegen Eigenmarken der Discounter?
Die Qualität der Marke überzeugt. Unsere Rohstoffe, unser Brot, unser Backprozess – das unterscheidet uns von anonymen Produkten. Wir backen alles selbst und wie bei jedem guten Bäcker braucht das Brot Zeit zur Entwicklung. Bei großem Preisdruck hat man diese Zeit oft nicht. Außerdem arbeiten wir kundenorientiert – auch in Speziallösungen für Industriepartner.
Wie sieht Ihre Marktposition konkret aus?
Im Lebensmitteleinzelhandel und im Food-Service sind wir klarer Markenführer bei Paniermehlen, Suppeneinlagen und Croûtons. Für Private Labels und Industrieprodukte gibt es starke Mitbewerber, aber wir bieten Vielfalt, Individualität und persönliche Betreuung – das schätzen unsere Partner.
Welche Märkte sind für Sie besonders wichtig?
Deutschland ist und bleibt unser Kernmarkt – hier sind wir im Lebensmitteleinzelhandel flächendeckend vertreten. Unser stärkster Auslandsmarkt ist Österreich, wo unsere Produkte ebenfalls einen hohen Bekanntheitsgrad haben und stark nachgefragt werden. Darüber hinaus beliefern wir eine Reihe osteuropäischer Länder, darunter Tschechien, Polen, Rumänien, Ungarn und die Slowakei. Diese Regionen haben eine ausgeprägte Brotkultur und eine lange Tradition panierten Genusses – dort stoßen unsere Produkte auf große Akzeptanz.
Besondere Dynamik sehen wir außerdem in der Golfregion. Dort liefern wir speziell entwickelte Panaden für Geflügelprodukte, die technologisch und geschmacklich auf die Anforderungen der lokalen Märkte zugeschnitten sind. Die Nachfrage ist beachtlich, insbesondere im Bereich industrieller Verarbeitung für Chicken-Produkte mit bestimmten Würzungen und Texturen.
Andere Märkte, etwa Frankreich oder Großbritannien, sind für uns weniger relevant – dort gibt es starke lokale Gewohnheiten und etablierte Anbieter, die den Marktzugang erschweren. Unsere Exportstrategie bleibt dabei klar: Wir fokussieren uns auf Märkte, in denen unsere Produkte kulturell und technologisch gut andocken und langfristige Kundenbeziehungen aufgebaut werden können.
Wie stemmen Sie internationale Konkurrenz, etwas aus Spanien oder Italien?
Es gibt Länder mit staatlicher Unterstützung oder günstigerer Energie, die uns preislich unterbieten können. Deshalb setzen wir auf das Besondere: Wenn ein Kunde ein Produkt mit „Leimer Inside“ kauft, soll es geschmacklich herausragen – Würze, Textur, Mundgefühl. Das ist unser Spielfeld.
Digitalisierung ist für viele Mittelständler ein herausforderndes, aber notwendiges Feld. Wo stehen Sie in diesem Prozess?
Wir befinden uns aktuell mitten in der Einführung eines neuen ERP-Systems. Das bedeutet nicht, dass wir bei null anfangen – wir haben natürlich ein System, aber die Anforderungen wachsen. Uns geht es um eine durchgängige Datennutzung über alle Unternehmensbereiche hinweg: vom Wareneingang bis zum Vertrieb. Rückverfolgbarkeit, Prozesssicherheit, Qualitätskontrolle – das alles hängt heute an digitalen Schnittstellen. Es geht weniger um das Schlagwort Digitalisierung als um die konkrete betriebliche Wirksamkeit.
Gibt es Überlegungen zur KI-Nutzung?
Ja, auf jeden Fall. Unser neues ERP-System wird perspektivisch auch KI-Analysen ermöglichen – etwa bei der Auswertung von Markttrends oder Produktionsdaten. Es geht nicht um das Ersetzen von Menschen, sondern um deren Unterstützung, eine klare Übersicht und bessere Entscheidungen.
Viele Branchen setzen inzwischen stark auf E-Commerce. Wie relevant ist der Onlinehandel für Ihr Unternehmen?
Unsere Produkte sind klassische Küchenzutaten – viele davon landen eher turnusmäßig im Einkaufswagen als in einem Online-Warenkorb. Dennoch sehen wir auch hier Veränderungen: Besonders bei Spezialitäten, etwa saisonalen oder regional limitierten Produkten wie unseren „König-Ludwig-Bröseln“ und den glutenfreien Produkten, kann der Onlinehandel ein ergänzender Kanal sein. Wenn jemand diese Produkte nicht im Supermarkt um die Ecke findet, soll er sie online bekommen können – bequem und in gewohnt guter Qualität.
Wie definieren Sie Nachhaltigkeit im Unternehmen?
Nachhaltigkeit war bei uns nie ein Etikett, sondern immer schon gelebte Praxis. Wir verschwenden keine Rohstoffe, sondern verwandeln jedes gebackene Brot zu einem unserer leckeren Produkte. Brot, das zu Croûtons oder Bröseln verarbeitet wird, steht somit für einen verantwortungsvollen Rohstoffeinsatz. Dazu kommt: Wir produzieren alles an einem Standort, was kurze Wege und klare Verantwortung bedeutet. Die große Herausforderung bleibt die Energieversorgung – hier denken wir intensiv über Alternativen nach, aber leider gibt es keine einfachen Lösungen.
Was ist Ihre Vision für Leimer in den nächsten zehn Jahren?
Wir wollen die „Leimer-Welt“ weiterentwickeln; eine emotionale Markenwelt, die für Genuss, Verlässlichkeit und Qualität steht. Ob Schnitzel, Suppe oder Dessert – unsere Produkte sollen begeistern. Keine Masse, keine Hektik, sondern ein hochwertiges Angebot, auf das man sich verlassen kann.
Gibt es Überlegungen zur Unternehmensnachfolge?
Ich habe keine eigenen Kinder. In der Familie ist eine Lösung möglich – aber auch externe Partnerschaften sind denkbar, wenn sie kulturell und fachlich passen. Wichtig ist, dass Leimer als Unternehmen mit Seele und Substanz weiterbesteht. Alles Weitere wird die Zeit zeigen.
Herr Leimer, herzlichen Dank für dieses offene und inspirierende Gespräch.
Das Interview führte Eva Rathgeber.
👉 Dieser Beitrag ist auch in der aktuellen Magazinausgabe der Unternehmeredition 2/2025 erschienen.
ZUM INTERVIEWPARTNER
Karlheinz Leimer führt die Leimer KG als Geschäftsführer in dritter Generation.
KURZPROFIL
LEIMER KG
Branche: Lebensmittelindustrie
Gründungsjahr: 1919
Firmensitz: Traunstein
Mitarbeiter: 180
Umsatz: rund 50 Mio. EUR
Webseite: www.leimer.de